Hamburg. Bestsellerautorin Nino Haratischwili hatte zu der bundesweiten Solidaritätsaktion aufgerufen. In Hamburg führte Jette Steckel dabei Regie.
Umarmungen und Unterhaltungen auf der Probebühne des Thalia Gaußstraße. Eine warmherzige Zusammenkunft für ein ernstes Thema. Sehr kurzfristig treffen sich am Mittwochmorgen Ensemblemitglieder von Thalia Theater und Schauspielhaus. Gut 30 an der Zahl. Darunter Lina Beckmann, Michael Weber, Bettina Stucky, Mirco Kreibich, Barbara Nüsse, Jens Harzer, Oda Thormeyer, Lisa Hagmeister und Victoria Trauttmansdorff. Ein Star-Crossover.
Kurz sortieren sie sich gestaffelt auf Podesten, Stühlen und Bänken, sodass ein starkes Gruppenbild entsteht. Eine kollektive Energie. Und gemeinsam sprechen sie Zeilen von bedrückender Aktualität: „Und wenn die Zeit wieder kommt / Neue Monster zu erfinden / Wenn es anfängt, euch nach neuen Kriegen zu gelüsten“.
Wie Hamburger Theater für die Demokratie in Georgien kämpfen
Gefolgt sind die Schauspielerinnen und Schauspieler dem Appell der Autorin und Regisseurin Nino Haratischwili, die Hamburg durch Inszenierungen ihrer Stoffe am Thalia und auf Kampnagel eng verbunden ist. Die in Tiflis geborene Haratischwili will ein starkes Zeichen der Solidarität setzen für ihre georgische Heimat. Um Opposition und Demonstrierende zu unterstützen, die dort seit Wochen auf den Straßen für Demokratie kämpfen.
Und für ihre Aktion wählt sie die Kraft des Wortes, des Theaters, der Kultur: Das häuserübergreifende Spontan-Ensemble, das sich innerhalb von nur knapp zwei Tagen formiert hat, spricht an diesem Morgen unter der Regie von Jette Steckel den Anfangsmonolog aus Haratischwilis aktuellem Stück „Sacred Monsters‟. Eine bittere Anklage an die Mächtigen, die sich an der Unterdrückung zu ergötzen scheinen. „Wenn euch keine andere Wahl mehr bleibt / Als das feierliche Band der Entmenschlichung zu durchschneiden“, tönt es markerschütternd durch den Saal.
Die Initiatorin selbst orchestriert die gleiche Aktion am Deutschen Theater in Berlin. Das Theater Bremen, das Landestheater Marburg, das Schauspiel Frankfurt und weitere Häuser beteiligen sich ebenfalls und zeichnen den eindringlichen Monolog in Bild und Ton auf. Am Ende soll eine Collage als vielstimmiger Chor der Solidarität entstehen: Der Filmemacher Zaza Rusadze schneidet aus dem Material ein Video, versetzt mit Bildern der aktuellen Proteste, das oppositionelle Sender in Georgien ausstrahlen werden.
„Allen voran glaube ich an die Macht der Kunst und glaube, dass wir Künstler in der Pflicht sind, uns zu solidarisieren und mit unseren Kollegen gemeinsam für Dinge einzustehen, die unverzichtbar sind für die Ausübung der Kunst. Und das ist in erster Linie die Freiheit‟, heißt es in Haratischwilis Aufruf.
Gabriela Maria Schmeide erklärt: „Das war mir ein Herzenswunsch‟
„Wahnsinnig toll, dass Ihr alle gekommen seid‟, ruft Steckel in die Runde auf der Probebühne. In einer kurzen Ansprache stimmt die Regisseurin auf die Aktion ein. Es gehe darum, die immer gleiche brutale Vorgehensweise nicht gelten zu lassen. Die Probe des Monologs ist an diesem Morgen direkt auch die Aufzeichnung. Und obwohl die Gruppe den Text erstmals gemeinsam vorträgt, ist unmittelbar eine durchdringende Intensität zu spüren. Ein Schauer und Schrecken. Mit Wucht und Wut intonieren sie die Worte, dann zarter, verletzlicher.
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Eine knappe Stunde, dann eilen alle zu ihren eigentlichen Proben. Oder zu Dreharbeiten, wie Gabriela Maria Schmeide. „Das war mir ein Herzenswunsch‟, erklärt die Schauspielerin. „So kurz wie noch nie‟ sei der Vorlauf gewesen. Dennoch ist ihr und allen Anwesenden anzumerken, dass sie unbedingt dabei sein wollten. „Wenn wir das als verschiedene Theater so schnell schaffen‟, sagt Schmeide, „dann ist das ein Statement.‟
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