Hamburg. Der singende Schauspieler Gustav Peter Wöhler wird beim Konzert in der Laeiszhalle gefeiert. Den Winter-Blues konnte er schnell vertreiben.
Nach der Pause hat er genug von seinem Jackett. Es sitze ja doch schief, wobei dafür ja eher seine Schulter verantwortlich sei. Gustav Peter Wöhler hängt das Jackett an den Garderobenhaken, zieht das Hemd aus der Hose, krempelt die Ärmel hoch und nutzt die Gelegenheit, die Marken seiner Kleidungsstücke zu nennen. Dabei gewährt er einen kurzen Blick auf den stattlichen Bauch: „Und der ist von Nutella.“ Das Publikum in der gut gefüllten Laeiszhalle kriegt sich vor Lachen kaum noch ein.
Wöhler wird gern der „König der Nebendarsteller“ genannt, zu sehen in zahllosen TV- und Kino-Produktionen. „Ich bin der Backgroundsänger unter den Schauspielern. Ohne mich geht es nicht“, hat Wöhler dem Abendblatt einmal gesagt. Doch wenn er mit seiner Band tourt, wird der 68-Jährige, der mit dem ehemaligen Filmfest-Chef Albert Wiederspiel verheiratet ist, zum Hauptdarsteller. Und schafft auch an diesem Abend ein Gesamtkunstwerk. Er webt ein Netz aus Musik, Komik und Melancholie.
Gustav Peter Wöhler zeigt in Hamburgs Laeiszhalle seinen Nutella-Bauch
Gleich beim ersten Song scheint er zu stolpern, als er auf der Bühne tänzelt. Wöhler kokettiert kurz mit seinem Alter („Der Mittelpunkt ist nicht mehr da, wo er hingehört“), dann zieht er weiter durch die Welt der großen Songschreiber. Billy Joel, George Harrison, Randy Newman, Paul Simon; bei jeder Ansage ist zu spüren, wie sehr Wöhler sie verehrt.
Und immer wieder blitzt seine schauspielerische Gabe auf, seine Entertainer-Qualitäten zeigt er selbst beim zunächst misslingenden Aufdrehen einer Wasserflasche. Er imitiert große Modedesigner auf dem Laufsteg, erklärt, warum er so gern mal das Outfit des Weltstars Cher tragen würde. Aber sogar die Garderobiere des Cabaret Pulverfass im Kiez habe seinen Wunsch abschlägig beschieden: „Die Sachen gehen bei dir kaputt.“ Doch dann wird Wöhler wieder ernst, wirbt um Spenden für die Hospize der Sinus-Stiftung in Barmbek und Othmarschen: „Was die Menschen dort leisten, ist einfach unfassbar.“
Gustav Peter Wöhler in Hamburg: Manche summen die Zugabe noch auf dem Weg in die Nacht
Funktionieren kann dies alles nur, weil Wöhler eben auch als Sänger liefert. Er ist kein Spätberufener, der nun seine Prominenz für eine eher leidliche Musiker-Karriere monetär nutzt. Nein, Wöhler sang schon Anfang der 1980er-Jahre als junges Ensemblemitglied des Schauspielhauses im Logo. Und schrie sich bei einem Auftritt mal derart die Lunge aus dem Hals, dass er am nächsten Tag bei einer Vorstellung kaum noch sprechen konnte.
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Seit 2008 begleiten ihn nun Kai Fischer (Piano, Gitarre), Olaf Casimir (Bass) und Mirko Michalzik (Gitarre), großartige Musiker allesamt. Sie sind im wahrsten Sinne des Wortes ein eingespieltes Team. Wöhler nennt immer wieder ihre Namen, stellt sich ganz an den Bühnenrand, wenn sie ihre Soli spielen. „Die Jungs kriegen Aussatz, wenn man sie eine Coverband nennt“, sagt Wöhler mit tiefem Respekt vor ihren kunstvollen Arrangements.
Mit der letzten Zugabe „Junimond“, der vielleicht schönsten Ballade von Rio Reiser, entlässt Wöhler seine Fans. Manche summen noch das Lied beim Gang in die trübe hanseatische Dezember-Nacht. Egal. Für zwei Stunden vertrieb Wöhler den Winter-Blues.
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