Hamburg. Der Schauspieler und Sänger tritt bei den Salzburger Festspielen auf und hat auch schon wieder ein Konzert gegeben.

Wer Gustav Peter Wöhler je auf einem seiner Konzerte erlebt hat, der kann ihn sich ohne Bühne gar nicht recht vorstellen. Eine echte Rampensau ist dieser Mann, ein brodelnder, dampfender, hingebungsvoller, durch und durch sinnlicher Unterhaltungskünstler. „Klein, dick und sexy“, diese kompakte Selbstbeschreibung trägt er bisweilen auf einem T-Shirt. Was hat so einer die ganzen Monate gemacht? Viel Zeit mit seinem Mann, dem Hamburger Filmfestchef Albert Wiederspiel, verbracht, zum Beispiel.

Und schon auch darauf gewartet, dass er wieder loslegen kann. Das tut er jetzt – und direkt mit Wucht: Vor wenigen Tagen gab Gustav Peter Wöhler erstmals wieder ein Konzert vor echtem Publikum, jetzt fliegt er zu den Proben für den „Jedermann“ nach Salzburg.

Es ist der Jubiläums-„Jedermann“, der bei den Festspielen seit 1920 auf dem Platz vor dem Salzburger Dom aufgeführt wird, Wöhler spielt den Dicken Vetter – und fast ist es ein kleines Wunder, dass diese Produktion überhaupt stattfindet, in einem Sommer, in dem sonst nahezu alle Festivals abgesagt sind.

Hamburger Abendblatt: Gestern Freiluft-Konzert, morgen Probenbeginn – die Bühnen haben Sie wieder. Wie geht es Ihnen also?

Gustav Peter Wöhler: Gut geht’s mir! Ich habe gerade erst wieder einen negativen Corona-Test hinter mir.

Wegen des Konzerts?

Wöhler: Nein, wegen Salzburg. Wir Schauspieler müssen alle vor Probenstart einen negativen Text vorweisen. Und wir werden in der ganzen Zeit dort auch immer mal wieder zwischendurch getestet.

In Österreich gelten ja leicht andere Abstandsregeln in Theatern und Kinos, welchen Unterschied wird das beim Spielen machen?

Wöhler: Ja, dort gilt ein Meter Abstand, nicht anderthalb wie bei uns. Ich habe mit dem Regisseur bislang nur kurz gesprochen, er wusste selbst noch nicht genau, wie es jetzt aussehen wird, es ist ja im „Jedermann“ eigentlich ordentlich was los auf der Bühne. Wir spielen die Inszenierung von 2017 mit Tobias Moretti in der Titelrolle, ich bin als Dicker Vetter für den Thalia-Schauspieler Björn Meyer eingesprungen, der sonst diesen Part in den letzten Jahren gespielt hat. Der muss jetzt aber am Thalia proben und kam da nicht raus, also mache ich das dieses Jahr.

Ihre Salzburg-Premiere ist das ja nicht, wann haben Sie zum ersten Mal im „Jedermann“ gespielt?

Wöhler: Vor 20 Jahren! Da war der Uli Tukur der Jedermann, und ich war der Gute Geselle. Da bin ich auch eingesprungen, damals für Thomas Thieme, weil der am Schauspielhaus in Hamburg „Schlachten!“ übernehmen musste. Ich bin der Salzburg-Einspringer! (lacht) Ach, Salzburg ist schon eine tolle Angelegenheit. Mit welchen Kollegen man da auf der Bühne steht! Caroline Peters spielt in diesem Jahr die Buhlschaft und – Achtung! – Edith Clever spielt die Mutter! Na, hallo! Und Moretti als Jedermann und Peter Lohmeyer als Tod, das ist doch alles wunderbar ...

Ob man sich in diesem Jahr wohl trotz der anderen Umstände auf der Terrasse im Salzburger Café Bazar trifft ...?

Wöhler: Es ist wahrscheinlich so wie hier, mit Abstand und so, ich nehme jedenfalls einen ganzen Packen Mund-Nasen-Masken mit. Auf einen Kaffee ins Bazar, das sollte doch möglich sein.

Hatten Sie damit gerechnet, dass die Festspiele wirklich stattfinden?

Wöhler: Überhaupt nicht. Es ging dann plötzlich ganz schnell, und es wird ja auch in reduzierter Form passieren. Nicht alles, was sie vorhatten, wird es geben. Wie sie es mit den Opern und dem Gesang machen, weiß ich auch nicht. Ich lass mich überraschen.

Wie war denn Ihr erstes Konzert nach so langer Zeit ohne?

Wöhler: Ach, ich sage Ihnen: Das hat so einen Spaß gemacht! Es war in Bad Zwischenahn und natürlich mit weitaus weniger Zuschauern als normal, aber es waren doch mehr als 100 Leute da – und es war Open Air. Es hat die ganze Zeit durchgeregnet! (lacht) Aber es war überdacht, auch die Zuschauer blieben trocken.

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Und wie war es in den vergangenen Monaten für einen sonst gut beschäftigten,
prominenten Schauspieler wie Sie, wenn plötzlich so viele Vorstellungen und sonstige Termine wegfallen, hatten Sie Existenz­sorgen?

Wöhler: Entspannt ist man nicht, weil man nicht weiß, wie es weitergeht. Aber ich habe die Corona-Soforthilfe von der Stadt Hamburg bekommen, das hat wirklich sehr gut funktioniert. Und ich habe ja meinen Mann an meiner Seite. Ich bin nicht allein. Zu behaupten, dass ich am Hungertuch nage, wäre nun wirklich vermessen. Auch wenn natürlich viel, sehr viel abgesagt wurde. Ich hätte Konzerte spielen sollen, ich hätte Ende März in München einen Kinofilm drehen sollen, ich hatte Lesungen geplant …

Was haben Sie stattdessen gemacht?

Wöhler: Wahnsinnig viel gelesen. Eine Entdeckung ist für mich Ulrich Becher mit seinen „New Yorker Novellen“, ich muss unbedingt noch sein Meisterwerk „Das Murmelspiel“ nachholen. Dann Frank Witzel „Inniger Schiffbruch“, großartig, und Cécile Wajsbrots „Zerstörung“, ein Muss! Und Netflix geguckt, natürlich, wie alle, weil man ja nicht ins Kino konnte. Und Albert hat wunderbar gekocht. Da haben wir viel gespart, weil wir nicht so viel essen gegangen sind, auch mal nicht schlecht, und Albert kocht wirklich sehr gut. Menschen haben wir eher gemieden, wir gehören beide zur Risikogruppe – ich bin fast 64 und ja nun nicht der Schlankste und Trainierteste. Wir waren schon vorsichtig. Wir haben Freunde in Paris, die es erwischt hatte und das war ziemlich schlimm. Wenn man das so mitbekommt … Aber vieles kommt jetzt wieder. Die Dreharbeiten für den Kinofilm sind schon nachgeholt worden, unter sehr rigorosen Vorsichtsmaßnahmen, alle trugen Maske, außer den Schauspielern beim Spielen. Ich bin gespannt, wie es in Salzburg wird. Und ob die Leute im Herbst wohl wieder gern ins Kino gehen? Im Moment läuft es da ja nicht so toll.

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Meinen Sie, die Menschen könnten sich daran gewöhnt haben, abends nicht mehr wegzugehen?

Wöhler: Viele haben durch den Lockdown eine gewisse Entschleunigung mitbekommen. Sie haben gemerkt: Es gibt noch etwas anderes als das permanente Hinterherhecheln nach Entertainment. Ich glaube, dass sich einige da eben auch ihre Gedanken gemacht haben.

Ob man vielleicht gar nichts verpasst dabei?

Wöhler: Man verpasst ja nix, hat man ja jetzt gemerkt. Es ist auch mal ganz schön, abends zu Hause zu sitzen. Und das sage ich, der aus einem Beruf kommt, wo wir ja die Zuschauer brauchen! Es wäre natürlich schrecklich, wenn die Leute nicht mehr in die Theater, die Konzertsäle und die Kinos gehen würden. Für die Branche ist das gefährlich. Aber eigentlich denke ich, wenn alles erst mal so richtig anläuft, dann kommt das auch wieder. Dann werden die Leute sich wieder gern ins Kino und ins Theater setzen. Ich jedenfalls spiele im Oktober wieder mit Band im Schmidts Tivoli!