Hamburg. Zwei Bands und eine Künstlerin von morgen? Die Debütalben und EPs von Tauben, Die Eitelkeit und Jolle sind maximal vielversprechend.

Bordsteinkantig und straßenräudig oder voller elektronischer Lebensfreude mit leisen Zweifeln. Oder zu Dream-Pop dekonstruierter Deutsch-Pop: Hamburgs Untergrund- und Indie-Szene ist so vielseitig wie unübersichtlich. Aber wer wissen will, was alles möglich und unmöglich ist, bekommt einen guten Überblick mit den neuen Alben und EPs von den Hamburger Bands Tauben und Die Eitelkeit und von Solokünstlerin Jolle.

Tauben
„Bis ans Ende der Schäbigkeit“ von Tauben. © Misitunes | Misitunes

Tauben: „Bis ans Ende der Schäbigkeit“ ist ein gelungenes Debüt

Tauben. Bei diesem Wort fliegen die Assoziationen direkt hoch. Rennpferde des kleinen Mannes. Ratten der Lüfte. Klug oder lästig? Nun hat sich eine Hamburger Band so benannt. Schräge Vögel sind das. Im allerbesten Sinne. „Bis ans Ende der Schäbigkeit‟ (Misitunes) heißt schön straßenräudig das Debütalbum des Quintetts. Irgendwo zwischen Sarkasmus und Subversion entfesselt Tauben einen eingängig-brachialen Sound aus Wave und Punk. Den Kaffee einfach schwarz zu trinken, wird zum grotesken gesellschaftlichen Gegenentwurf. Und Schwätzer-Phrasen werden bis zur Entlarvung wiederholt: „Ich hab mir aktuell ‚n neues Bike gekauft.‟ Hübsch enervierend.

Die Band kann aber auch bordsteinkantig poetisch: Da wird eine „Asphaltrose‟ auf einer Hamburger Kreuzung zum Sinnbild für Einsamkeit. Mit Humor, Dada und Spröde verhandelt Tauben die eigene Existenz zwischen Liebe und Liegenbleiben, zwischen Schutt und Schönfärberei. „Frühjahrsputz im Schweinestall‟ macht die Welt vermeintlich wieder bunt.

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Man ahnt: ein vergeblicher Versuch. Und letztlich sind die Regenbögen schwarz-weiß, wie Songwriter John Petermann in „Kiosk‟ besingt. Produziert wurden die Songs von Punk-Ikone Jens Rachut und Produzent Moses Schneider, der bereits für Tocotronic, Beatsteaks und AnnenMayKantereit tätig war.

Albumcover mit zwei Frauen zwischen bunter Schrift
„stunde null“ von Jolle. © Jolle | Jolle

Jolle: „stunde null“ neue EP der Hamburger Newcomerin

Unbedingt auf dem Schirm und im Ohr haben sollte man die junge Hamburgerin Jolle. Auf ihrer EP „stunde null‟ erzählt sie von Selbstfindung inmitten der Flüchtigkeit (Jolle). In „parisienne‟ gibt’s eine Kippe statt frischer Luft. Und der Lebenshunger lässt sich kaum ausbalancieren zwischen alles oder nichts. In „zu nice“ singt Jolle in lässigem Drive von Zweifel und Veränderungsprozessen: „Ich will nicht, dass du weißt, weißt, weißt, weißt/dass ich gerade einreiße, was noch nicht steht.“

Jolle, das ist Lebensgefühlmusik zu untergründig pumpenden Beats. Mit einnehmender, leicht verfremdeter Stimme bewegt sich die Künstlerin durch Pop und Hip-Hop, Rave und Electro. Und bei ihrer Sinnsuche ist sie nicht allein. In „wir gehen rein‟ beschwört sie die Euphorie der Zweisamkeit. Soft und stark.

Die Eitelkeit
„Alles ist Arbeit“ von Die Eitelkeit. © La Pochette Surprise Records | La Pochette Surprise Records

Die Eitelkeit: Das Debüt „Alles ist Arbeit“ der Hamburger Indie-Supergroup

Ein freundlich-schroffes Schlendern praktiziert Die Eitelkeit. Noch so ein toller Bandname. Unter dem stilistischen Motto „No Country‟ versammelt sich da eine Art Hamburger Indie-Supergroup – unter anderem mit Mitgliedern der Formationen Swutscher und Dunya. Die Info ihres Labels La Pochette Surprise verortet die Band zwischen den empathischen Indie-Ikonen Silver Jews sowie den hiesigen Emo-Lyrikern Element Of Crime.

Dieses feine musikalische Spannungsfeld beschreitet die Eitelkeit auf Englisch und Deutsch. Folk und Country werden fließend dekonstruiert. Hin zu Dream Pop und Psychedelia. Rau-romantisch geht es zu auf ihrem Debütalbum „Alles ist Arbeit‟. Mit Zeilen wie „Blumen auf dem Wege/verstümmelt mit der Säge‟ taumelt das Ich schlaftrunken durch die Stadt. Der Kapitalismus drückt. Und in einem Song wie „Nerven‟ wirkt der proklamierende Gesang wie ein Widerstand. Eitel ist das nicht. Aber irritierend gut.

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