Hamburg. Ein Konzert in der Laeiszhalle an einem der letzten Sommerabende? Na und! Sven Regeners Band war Romantik-Ersatz genug.

Man muss den Ort erwähnen, an dem dieses Konzert stattfand, das erste von zweien; weil es so herrliche Spätsommerabende gerade sind. Hat man ja seltener, als es wünschenswert wäre. Also: Dienstagabend sensationelle 25 Grad in den Abendstunden. Und für Mittwoch dasselbe Gedeck. Blauer Himmel, Sonnenuntergang, Kaltgetränk.

Und zwei Konzerte der prima Reifere-Leute-Band Element of Crime, aber eben nicht im Stadtpark, wo sie auch gerne spielt. Sondern drinnen in der Laeiszhalle, dem Inbegriff von Indoor-Gediegenheit. Hier ist natürlich nie Sommer, nicht mal, wenn die Leute in T-Shirts kommen wie diesmal zum Berliner Aufmarsch von Sven Regeners Truppe, die in Hamburg wie immer auf treue Gefolgschaft zählen konnte.

Element of Crime in Hamburg: Schunkeln, bis die Sonne untergeht

Niemand von dieser würde je behaupten, ein Element-of-Crime-Lied sei im Kern das: ein aufseufzendes Hadern mit dem Schicksal, am allerletzten warmen Abend der Menschheit im brutal runtergekühlten Dunkel einer alten Musikhalle sitzen zu müssen.

Nun, erwiesenermaßen wird es gar nicht der allerletzte Abend sein, man achte auf die Wettervorhersage. Und Element of Crimes gut gedimmte Alltagsmelancholie ist etwas Unverzichtbares, Großzügiges in ihrem schönen, aufs Allgemeine zielenden Gestus. Das tauscht man gerne gegen einen lauen Abend auf dem Balkon oder im Park ein. „Morgens um vier“ heißt das neue Album der live zu sechst auftretenden Gruppe, und seine Songs entfalten auch abends um neun ihre Wirkung.

Element of Crime in Hamburg: Nur echt mit Trompete

Gerade erst haben die Musiker gleich fünfmal in Berlin gespielt, an je unterschiedlichen Orten. Der erstaunlich omnipräsente Charly Hübner dreht gerade eine Doku über Element of Crime. Jetzt hat er jede Menge Bildmaterial.

Von einer immer erkennbaren deutschen Band, die ihre Midtempo-Gemütlichkeit vom ersten Konzertton souverän auch in die Laeiszhalle trompetete. Klar, natürlich, Regeners Trompete: Man schätzt mal, die könne man unter 1000 Trompeten wiedererkennen. Blödsinn? Sicher. Aber Lieder wie „Unscharf mit Katze“ und „Immer noch Liebe in mir“ entfalten auch live ihre Wirkung dann am besten, wenn sie zu einer Setlist mit so vielen anderen Trompeten-Stücken gehören. Die Trompete war nie Zierde, der meinte das immer ernst.

Element of Crime in Hamburg: Eine Stimme, vom Abrieb des Lebens gezeichnet

Regeners Stimme ist so alt wie der Mann, dem sie gehört, ein Instrument, das vom Abrieb des Lebens gezeichnet ist und alten und neuen Stücken der seit bald 40 Jahren bestehenden Band ihr Reifesiegel gibt. Was in der Laeiszhalle aber wieder auffiel, ist, wie essenziell auch immer schon der Beitrag von Drummer Richard Pappik (bei seinem Elder-Statesman-Geklöppel darf man an Max Weinberg und Charlie Watts denken, oder?) und Gitarrist Jakob Ilja ist. Die Band wäre ohne sie nichts. Für David Young, den 2022 gestorbenen Bassisten, ist jetzt Markus Runzheimer dabei.

40 Jahre sei es her, dass er das letzte Mal in der Laeiszhalle auf einem Konzert gewesen sei, sagte Regener vor Konzertbeginn. Es sei ihm unvergesslich geblieben. Na dann! 2021 war er nachweislich selbst auf der Bühne der Laeiszhalle, damals als Lesender. Regeners Doppelbegabung ist natürlich unfair. Im Grunde sind seine Lieder die etwas stärker schattierten Versionen seiner Bücher – und umgekehrt. Wobei „Am ersten Sonntag nach dem Weltuntergang“ ein so toll vollendeter Trauerkloß-Song ist, dass man hinter ihm in diesem Moment in der Laeiszhalle sicher nicht unbedingt den Literaturkomödianten Regener vermutet hätte.

Element of Crime in Hamburg: Chansoneske Vorgruppe

Zwei Schweizerinnen, Steiner & Madlaina, hatten – von Regener persönlich angekündigt – das Vorprogramm gegeben, mit chansonesken Arrangements. Die beiden Musikerinnen machten das ganz fantastisch, besonders auch verbal (“Es ist schwierig, eine Stadt lieber zu mögen als Hamburg“), und weil Element-Boss Regener bekanntlich Bremer ist von Haus aus und mal kurz in Hamburg lebte, hat er grundsätzlich sicher auch Hamburg-Sympathien.

In der Laeiszhalle äußerte sich dies im hingebungsvollen Vortrag seiner Lieder. Ein Höhepunkt: „Jung und schön“. Das Zusammenspiel der Band war vortrefflich, und falls es Menschen gab, die besonders auf „Weißes Papier“ und „Delmenhorst“ (Hach: „Auf der Straße der Verdammten, die hier Bremer Straße heißt/Hinter Huchting ist ein Graben, in den sich einer übergibt“) warteten, nun: Sie taten es nicht vergeblich. Regeners Lakonie wird nie ihren Reiz verlieren, davon zeugte der oft frenetische Jubel an diesem Abend in Hamburg.

Element of Crime in Hamburg: Liebeslieder in fortissimo

Im Karolinenviertel habe er gelebt vor vier Jahrzehnten, erzählte Regener, in einem Zimmer, in das zweimal im Jahr die Sonne geschienen habe. Gottlob hatten die anderen nichts dagegen, dass er Trompete übte.

Live mit Akkordeon und Saxophon ist der Klang der Band richtig satt, Element of Crime ist keine zurückhaltende Band. Im Gegenteil. Liebeslieder wie „Dann kommst du wieder“ und „Was mein ist, ist auch dein“ sind Übungen in fortissimo.

Element of Crime in Hamburg: Schunkelmusik für Boomer?

„Auch mal einen Literaturtipp loslassen auf solch einer Musikveranstaltung“ wollte Regener und erzählte vor „Und du wartest“, wie toll Frank Schulz’ Hamburg-Roman „Morbus fonticuli“ sei – nämlicher Song komme da übrigens in einer Fußnote vor.

Böse Menschen behaupten, Element of Crime sei sentimentale Schunkelmusik für Boomer? Gute Menschen sagen: Element of Crime ist tief empfundene Gefühlsmusik für Erwachsene. Und Schunkeln muss nichts Schlechtes sein. „Alles in Ordnung“ also da, wo Element of Crime am Dienstagabend die Romantik in die Stadt brachten, die sie verdient hat, ob man den Sonnenuntergang nun sehen konnte oder nicht.