Hamburg. Was kann die Berliner Rockband nicht? Schlechte Shows spielen, auch nicht beim Tourabschluss vor 4000 Fans in Wilhelmsburg.
Haben die Beatsteaks eigentlich jemals eine Show in Hamburg verhunzt? Von den frühen Tagen der Berliner Rockband Ende der 1990er im Logo bis zum Stadtpark 2022 sind nur Abräumer überliefert, Schweiß, der aus Haaren fliegt, Converse-Sohlen, die beim Tanzen über den Boden von Markthalle und Sporthalle zwei Millimeter Abrieb verlieren, blaue Flecken vom Pogo-Kreiseln, „Let Me In“-Chöre aus feuchten Kehlen.
Sie ist live schon fast langweilig, da vorhersehbar gut, diese Band. Ein bisschen wartet man am Sonnabend in der ausverkauften Inselpark Arena, dass die Beatsteaks es endlich mal verkacken. Scherz, natürlich nicht. Das wäre auch hoffnungslos. Aber immerhin betreten Sänger Arnim Teutoburg-Weiß mit der Inselpark Arena Neuland, in Wilhelmsburg waren die Beatsteaks bislang noch nicht. Und da der Spezialauftritt in der Roten Flora im Juni krankheitsbedingt ausfiel, sind die 4000 Fans im Saal zwei Jahre ausgehungert. Und durstig ohnehin.
Beatsteaks: Verhunzen ist nicht – „Hamburg! Tourabschluss, totale Eskalation“
Und Peter Baumann und Bernd Kurtzke (und Arnim an der dritten Gitte) brauchen nur einmal die fünf Start-Akkorde von „Jane Became Insane“ abzuschrubben, da sind die auch schon an der 40 kratzenden Fans wieder 14 Jahre jünger: „Nanananana!“ wird in den Saal oder in den Bierbecher gebrüllt. Noch „Summer“ hinterhergespielt und es herrscht Festivalatmosphäre. „Beststeaks!“ ruft die Halle, „Hamburg! Tourabschluss, totale Eskalation!“, antwortet Arnim.
Alles wie immer also. Bis auf den Umstand, dass die Beatsteaks im Juni mit „Please“ nach sieben sehr langen Jahren mal wieder ein Album veröffentlicht haben. Im Berliner Columbia Theater aufgenommen, verlieren sich die Beatsteaks wie auf dem Vorgänger „Yours“ in rhythmischer Rockgymnastik zwischen Post-Punk, Grunge, Surf, Alternative und Indie, und die eher verhaltenden Reaktion nach „French Disko“ auf den neuen Song „Traumschiff“ zeigen, was Kritiker schon lange sagen: Es ist keine Band, die man auf Alben braucht, es lohnt sich eher, in Konzertkarten zu investieren.
Aber es muss doch klar sein, dass man nicht ewig den zackigen Punkrock von „Smack Smash“ (2004) oder „Limbo Messiah“ (2007) totreiten kann. Der poppigere Ansatz der Nummer-eins-Alben „Boombox“ (2011) und „Beatsteaks“ (2014) gab den Klopfschnitzeln kommerziell recht, und „Please“ kann man sowohl als linienlos als auch als probierfreudig bezeichnen. „Traumschiff“ ist jedenfalls ein toller Song. Auch das Video, in dem sich die Beatsteaks von einer thailändischen Strandkapelle vertreten lassen, macht Laune.
Immer für eine Überraschung gut – Beatsteaks in Hamburg
„Wir spielen auch die alten Platten, keine Angst“: Gute Laune in Wilhelmsburg verbreiten natürlich die Klassiker. „Automatic”, „Hello Joe“, „I Don’t Care As Long As You Sing”, „Frieda und die Bomben”. Kenn ick, will ick, würde der Berliner sagen. Hit-Schüttware für Wuhlheide und Stadtpark, Max-Schmeling-Halle und Sporthalle, SO36 und Logo, Spree und Elbe. Unkaputtbar. Wenig später gibt es nach George Michaels „Careless Whisper“ (!) noch „Let Me In“ obendrauf, dann kann eigentlich nicht mehr viel kommen als Zugabe.
Aber so ganz sicher kann man sich da bei den Beatsteaks nie sein. 2017 in der Großen Freiheit 36 versprach Arnim „einen langen Abend“, um dann drei Songs später (zwei davon mit den Gaststars Deichkind) grußlos den doch nicht so langen Abend zu beenden. Er war wohl sauer, weil ein Fan in der ersten Reihe mit dem Handy filmte, statt sich die Stirn am Gitter aufzukloppen, sich das T-Shirt zu zerfetzen, ein Bier zu exen oder was ein echter Beatsteaks-Fan sonst so ganz vorn macht.
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Ah, es geht heiter weiter. „Hand In Hand“, „Demons Galore“, die Ballade „What‘s Coming Over You“, „Soothe Me“ und nach zwei Stunden ist es geschafft. Wieder nicht verhunzt. Die ausgelaugten Fans haben jetzt ein Jahr Zeit, um sich bis zum nächsten Hamburger Konzert zu erholen: Am 9. Oktober 2025 sind die Beatsteaks zurück in der Inselpark Arena. Es wird wohl wie immer werden.