Hamburg. Ein Schulhof, ein paar Verlierer, ein paar Gewinner und eine krasse Direktorin: Diese Coming-of-Age-Serie muss ein Hit werden.

Das mit der Fremdscham ist als Humor-Faktor immer noch nicht ausgereizt. Kann man seltsam finden, muss man aber nicht – vielleicht wird ein guter Witz einfach nie schlecht. Ganz kurz hat man bei der neuen achtteiligen Comedyserie „KEKs“ jedoch das Gefühl, sich mal eben für deren Macher fremdschämen zu müssen. Beim anfänglich(!) eher schwach wirkenden Entree in diese Serie. Younes (David Ali Rashed, der Samy aus „Die Discounter“) muss sich an seinem ersten Tag auf der Stadtteilschule Wandsbek bei der Direktorin anmelden. Die hat ihn, wie er feststellen muss, erst kurz vorher mit ihrem Auto umgenietet.

In völliger Verkehrung der Realität ist sie es nun, die den Teenager erpresst, Lackschaden und so. Von Younes erwartet sie sich anderes als eine Vorwurfshaltung: „Was ich brauch, ist Commitment und Awareness, nicht am ersten Tag solche Issues auf‘n Tisch packen.“ Okay, okay. Hier ist also eine, die den Denglisch-Turbo einlegt. Mäßig witzig, oder? Das kann ja nix werden, wenn die Drehbuchautoren so unoriginell sind.

Neue Serie „KEKs“: Im Mittelpunkt steht eine Schulhofclique

Aber, gute Sache: Bei „KEKs“, der tatsächlichen Superfunny-Serie, die ab dem 16. Oktober auf der Streaming-Plattform Joyn abrufbar ist, ist im Laufe der Handlung selbst die krass intrigante und selbstsüchtige Direktorin Bischof (Bettina Hoppe) eine Bringerin. Man sieht sie gerne als unverantwortliche Machtinstanz in der Lehranstalt. Wobei das mit der Macht ja so eine Frage ist. Bei den Schulhofhierarchien ist das Lehrpersonal eh außen vor.

Keks Serie Joyn
Zu viert im Schulalltag? Besser als allein. In „KEKs“ geht es auch um Freundschaft. © Joyn/Marc Rehbeck | Joyn/Marc Rehbeck

Im Mittelpunkt der Handlung dieser Serie – die Hamburg einmal mehr als heimliche Hauptstadt des auf absurd gedrehten Alltagsgeschehens zeigt – steht eine Schulhofclique. Younes, Amadou (Aaron Maldonado Morales, „Where‘s Wanda?“), Rocky (Vito Sack) und Shirin (Manal Raga a Sabit) sind ganz normale Oberstufen-Loser, die völlig ernst völligen Blödsinn labern und allein schon mit ihrem Jugendslang („So, Digger, Real Talk, du musst die Kohle auftreiben“, „Wie findste die Schule, is‘ geil, nä“) besonders für ältere Zuschauer safe eine hohe Komik-Ebene betreten.

„KEKs“ auf Joyn: eine Fake-Designertasche für jede Freundin

Da ist Ufuk (Charles Booz Jakob), ein Ex-Schüler, der mit allem dealen kann, was das Schülerherz begehrt, aber nie auf die Stufen-Happenings, die Norderstedter Housepartys eingeladen wird. Der Kerl ist ein Tyrann, der seinen Freundinnen, von denen nur eine offiziell an seiner Seite ist, dummdreist dieselben Fake-Designertaschen schenkt. „KEKs“ geht ernste Themen wie Konsum, Schönheitswahn und Männlichkeitssehnsüchte mit dem genau richtigen Spin an, den man von Serien wie „Die Discounter“ und „Jerks“ (mit den Hamburgern Christian Ulmen und Fahrdi Yardim) kennt: Es ist so übertrieben, dass es unbedingt wahr ist. „KEKs“ (Drehbuch:  Nora Gantenbrink, Jakob Schreier und Hassan Akkouch) wurde wie „Jerks“ von Pyjama Pictures produziert.

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Was das schulische Milieu angeht, spielen Lehrer-Schüler-Dynamiken und unglückliche Liebschaften eine Rolle. Als Amadou die Abschiebung droht, wird es an der angeblichen Brennpunktschule für die Clique richtig ernst. „KEKs“ ist erkennbar an Adolszenzproblematiken und gesellschaftlichen Fragen interessiert. Was die (hoffentlich) ersten acht Teile der Serie angeht, darf klar gesagt werden: Die schnell geschnittene und kurzatmige Handlung funktioniert deswegen so gut, weil die komplette Darstellerriege glaubhaft agiert, insbesondere das im Zentrum stehende Quartett ist großartig.

Die altersbedingten Nöte nimmt man allen ab. Younes, der Anschluss sucht („Wollen wir noch bisschen chillen, Döner essen oder so?“), ist genauso eine Identifikationsfigur wie der neue Lehrer Herr Schneider (Hassan Akkouch), der zwar dunkle Haare hat, aber aus Bayreuth kommt und nicht aus Beirut. Auch Erwachsene haben Sorgen, und im wahnwitzigen Soziotop Schule, in dem sich Vorkommnisse wie Sozialstress, Alkoholismus, Spielsucht und Waffenbesitz in einigen wenigen Szenen pointiert auf den Punkt bringen lassen, sind sie genauso vulnerabel wie ihre Schutzbefohlenen. Wenn das alles auf verdrehte Art zu authentisch wird, kommt übrigens der nächste höhere Unfug um die Ecke. Zum Beispiel in Gestalt eines Kampfhundturniers.

An der Schule überleben nur die Härtesten.

„KEKs“ ist ab dem 16. Oktober auf Joyn abrufbar.

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