Hamburg. Der Hamburger sucht im dunklen Sechsteiler „Die Quellen des Bösen“ einen Mädchenmörder. Beeindruckt da was neben dem Gesichtshaar?
Er ist schnell im Bild, der Unglücksvogel, dieses schwarze Federviech. Der aus Hamburg anreisende Ermittler pinkelt in die Landschaft, es ist gerade niemand in der Nähe. Kein Wunder, man ist hier ganz im Nordosten, tiefste Provinz. Der Rabe wird später noch einige Male unheilvoll auftauchen, als Sendbote des Unglücks. Der RTL-Sechsteiler „Die Quellen des Bösen“ gibt nämlich alles, um ein düsteres Setting zu installieren.
Trotz Rabe und Haudrauf-Symbolik: Der Blick bleibt in den ersten Szenen der Thrillerserie vor allem an Fahri Yardim hängen. Der spielt den Polizeibeamten Koray Larssen mit Speckjacke und Top-Schnorres. Was ist hier denn los? Ganz einfach: die Neunziger. „Die Quellen des Bösen“ (basiert auf Ada Finks Roman „Blütengrab“) spielt 1993, in der Nachwendezeit. Gesucht wird ein Mädchenmörder, der in sein Opfer Runen ritzte und es auf ein Blütenbett drapierte.
RTL-Serie „Die Quellen des Bösen“ spielt in der tristen nordostdeutschen Provinz
Das ist dann sozusagen die furchtbare Übersteigerung des allgemeinen Status: Hier im Osten, wo die Leute das Alte verloren haben und im Neuen noch nicht angekommen sind, geht es trist und gefährlich zu, gut aufgehoben ist niemand in dieser Brache. Wenn man Glück hat, arbeitet man in einer Tankstelle. Wenn man Pech hat, ist man arbeitslos. Oder wächst bei trüb esoterischen Fremdenfeinden („Wir lassen keine dreckigen Polacken ins Haus“) als durch die Wälder vagabundierende Tochter auf. Die Serie (Drehbuch: Catharina Junk/Elke Schuch, Regie: Stephan Rick) malt großzügig ein Sittenbild moralischer Obdachlosigkeit und steter Gefährdung. Pädophile tanzen zu Dr. Albans „It‘s My Life“ bekokst in der Teenager-Folterkammer. Nazis machen das, was Nazis halt so machen. Dumpf miteinander abhängen.
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Dagegen werden West-Ost-Animositäten zwischen dem zugereisten Larssen und der einheimischen Kommissarin Ulrike Bandow (dargestellt von der Ratzeburgerin Henriette Confurius, hier mit tapferem Retro-Haar) beinah subtil dargestellt. Was einerseits nicht verkehrt ist, der Thriller ist anderswo deutlich genug, zum Beispiel in der grundsätzlichen Schicksalsgeschlagenheit seines Personals. Andererseits kommt die Dynamik des Duos viel zu spät in Gang. Es bleibt dort vieles Behauptung, wo eh der grundsätzliche Mangel deutschen und europäischen Serienschaffens wieder mal konstatiert werden muss. In sechs 45-Minuten-Episoden lässt sich nicht so ausführlich erzählen wie in acht Einstündern. Von den oft schwachen Dialogen mal ganz abgesehen.
RTL-Serie: Fahri Yardim spielt in „Die Quellen des Bösen“ einen Polizeibeamten
Dennoch ist „Die Quellen des Bösen“ insgesamt gelungenes Genre-Fernsehen. Atmosphärisch dicht ist diese Erzählung immer. Dass die Verdorbenheit von Ort und Zeit seine Wurzeln in der Diktatur hat, in der die SED-Mächtigen hässliche Dinge taten und sich dabei den Rücken freihielten, offenbart sich den Ermittlern erst nach einigen Irrwegen. Sowohl Bandow als auch Larssen haben überdies komplizierte Privatleben; wobei Bandows Familiengeschichte diesem Mehrteiler die dramatische Tiefe gibt, die bei Menschen mit zersplitterter DDR-Identität oft anzutreffen war.
Ein Mörder mit Faible für okkulte Bräuche und nordischen Odin-Blödsinn passt sowieso in die Szenerie des ostdeutschen Unbehaustseins. Wer an keine Weltanschauung mehr glauben kann, rennt kriegsbemalt durch Wälder. Und Fahri Yardim? Hat sich anders als im Netflix-Desaster „Dogs of Berlin“ diesmal nicht in seiner Rollenauswahl vertan. Der „Jerks“-Komödiant und „Tatort“-Sidekick von Til Schweiger überzeugt als emotional heftig durchgeschüttelter Polizist mit Hang zur Illegalität.
„Die Quellen des Bösen“ ist ab dem 13.10. auf RTL+ abrufbar.