Hamburg. Der Thalia-Intendant spricht über die neue Aufgabe – und die mögliche Skepsis in der Literaturbranche. Dort findet einer klare Worte.

Das Harbour Front Festival hat nun in einer Pressemitteilung bestätigt, was das Abendblatt vorher vermeldete: Thalia-Intendant Joachim Lux wird ab 2025 künstlerischer Leiter ebenjenes Harbour Front Literaturfestivals. Was durchaus ein Coup ist. Das bisherige Leitungsteam, bestehend aus Petra Bamberger, Nikolaus Hansen und Heinz Lehmann, will künftig nur noch beratend tätig sein. Und hat in Lux einen hoch motivierten Gestalter gewonnen, der, wie er dem Abendblatt sagt, „eine hohe Kontinuität zu den gelegten Programmschienen des Festivals“ anstrebe, „aber sicher auch Neues entwickeln“ wolle.

Worauf zum Beispiel auch Kultursenator Carsten Brosda hofft. Seine Behörde wird wie zuletzt ein wichtiger Förderer des Festivals sein, in der Mitteilung der alten Festivalleitung lässt er sich wie folgt zitieren: „Joachim Lux hat schon als Intendant des Thalia Theaters oft seine Leidenschaft für die Literatur bewiesen. Ich bin sicher, dass er aufgrund seiner langjährigen Erfahrungen und vielfältigen Netzwerke dem Festival neue Impulse geben wird.“

Joachim Lux wird Chef von Harbour Front: „Lebenslange Beschäftigung mit Literatur“

Deutliche Kritik an der personellen Neuausrichtung kommt dagegen von Rainer Moritz. Der Leiter des Literaturhauses bezeichnet die Rückkehr des Festivals zwar als „erfreuliche Nachricht, Hamburg kann nicht genug literarische Impulse setzen“. Darüberhinaus lässt Moritz aber kein gutes Haar an den Plänen: „Wie sich das Festival neu aufstellen will, verheißt wenig Gutes, wenn man an die Vielfalt der Literatur denkt, die es mehr denn je zu präsentieren gilt. Veranstaltet und produziert werden soll das Festival künftig von einer Berliner Konzertagentur, die in ihrem Portfolio außer wenigen Eventautoren wie Ferdinand von Schirach oder Martin Suter literarisch nichts aufzuweisen hat. Dass, wie man hört, neben der der alten Festivalleitung auch ein Literaturagent, der aus Berufsgründen bestrebt sein muss, seine eigenen Autorinnen und Autoren gut zu platzieren, beratend tätig werden soll, befremdet.“

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Besonders verblüffend sei es jedoch, so Moritz, „dass ein honoriger Theatermann wie Joachim Lux, der als Intendant des Thalia Theaters zügig seinem Ruhestand entgegengeht und mit dem Literaturbetrieb und dessen Akteuren in der Vergangenheit wenig zu tun hatte“, künstlerischer Leiter des Harbour Front Literaturfestivals werden solle – „darauf muss man erst mal kommen“.

Harbour Front Festival: Joachim Lux hat Literatur studiert

Lux selbst spricht von „einer überraschenden Anfrage“, die das Harbour Front Festival an ihn gerichtet habe. Sie scheint den 66-Jährigen, dessen Thalia-Intendanz 2025 nach mehr als anderthalb Jahrzehnten endet, zum richtigen Zeitpunkt ereilt zu haben. Skeptikern, die ihm eine gewisse Ferne zum Literaturbetrieb attestieren könnten, hält er selbstbewusst seine „lebenslange Beschäftigung mit Literatur“ entgegen.

Er habe Literatur studiert, „und auch das Theaterleben besteht ja in hohen Anteilen aus Literatur“, erklärt Lux dem Abendblatt. Als Dramaturg habe er die Zusammenarbeit mit Autoren und Verlagen immer geliebt. Die aktuelle Saison, Lux‘ finale am Thalia, startete am Wochenende mit der Romanbearbeitung von T.C. Boyles Bestseller „Blue Skies“.

Lux zum Harbour Front: „Muss mich auch erst einarbeiten“

Vielleicht helfe ein neuer Blick von außen sogar, führt Lux fort. Sollte er selbst ein wenig verwundert sein, dass er und nicht etwa jemand aus der Literaturszene von den bisherigen Harbour-Front-Machern ausgewählt wurde, kann er dieses Thema gut ausblenden. Warum auch nicht – er muss sich wohl kaum dafür rechtfertigen, angesprochen worden zu sein.

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So ist bei Lux vor allem die Lust auf den unverhofften Job zu spüren. „Natürlich muss ich mich in bestimmte Dinge auch erst einarbeiten, das ist völlig klar“, sagt Lux, und weiter: „Hinzu kommt, dass es mit der bisherigen Leitung des Literaturfestivals ja weiterhin eine enge kuratorische und programmatische Zusammenarbeit geben wird. Und andere werden mit ihrer Expertise sicher noch dazustoßen.“ Allerdings müsse sich auch jemand aus der Branche in die Aufgabe, ein Festival auf die Beine zu stellen, einarbeiten.

Joachim Lux geht zum Harbour Front Festival: Wie wird Literatur zum Erlebnis?

Lux hofft, mit seinen Erfahrungen „das Interdisziplinäre von Literaturpräsentation weiter mitzubefördern“. Wie werde Literatur – „auch jenseits von Lesungen mit Wasserglas“ – zum Erlebnis? Das sei natürlich immer auch eine budgetäre Frage, so Lux. Er denke gerade intensiv darüber nach, wie man es schaffe, dass das Festival tatsächlich eines ist und mehr als eine Ansammlung von Veranstaltungen an verschiedenen Orten.

Wenn Lux vom Spannungsverhältnis „zwischen populären Formen von Literatur und avanciert literarischen Besonderheiten“ spricht, denen ein Festival „hoffentlich“ Chancen biete, die es sonst nicht gäbe, wird man tatsächlich neugierig. Die Erfolgsformel von Harbour Front, und da gab es erst einmal gar nichts dran auszusetzen, waren ja zuletzt verstärkt Auf-Nummer-sicher-Formate; ein wenig mehr Mut zum Experiment dürfte jedoch in Zukunft aber keineswegs schaden.

Literaturhaus-Chef Rainer Moritz: „Auf der Bühne nannte man dergleichen früher absurdes Theater“

Unfreiwillig komisch wirkt allerdings Lux‘ Aussage im Hinblick auf die Zusammensetzung des Festivals, sie ist ein Harbour-Front-Evergreen, sozusagen: „Wichtiger als diese Frage finde ich die Herausforderung, das Festival perspektivisch sowohl jünger als auch weiblicher aufzustellen, sowohl im Team als auch bei der präsentierten Literatur.“ Auch Rainer Moritz mag in dieser Sache im hinblick auf Lux selbst wenig Zukunftsweisendes erkennen: „Zuletzt war immer von einer anzustrebenden Verjüngung in der Festivalverantwortung die Rede. Daraus ist wohl nichts geworden. Auf der Bühne nannte man dergleichen früher absurdes Theater.“

Könnte aber auch sein, dass Lux sich insgesamt als Mann des Übergangs sieht. So oder so ist die Personalie Lux im kommenden Jahr die ganz sicher nicht langweiligste in Hamburgs Kulturleben.

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