Hamburg. Der Steppenwolf rockt mit 20.000 Fans auf der ausverkauften Trabrennbahn. Auch ein Hamburger Star kommt mit auf die Bühne.

„Durch die Hand, die du mir reichst, schließt sich für uns der Kreis“, sang Peter Maffay 2005 in „Der Kreis“. Und nun schließt er sich tatsächlich. Im August 1981 sah ich das erste Konzert in meinem Leben als Kind im Alter von fünf Jahren in Maffays langjährigem Freiluft-Wohnzimmer am Kalkberg in Bad Segeberg, da wo jetzt Alexander Klaws als Winnetou die Zuschauer begeistert. Jetzt ist er am Sonntag auf der ausverkauften Trabrennbahn in Bahrenfeld. Sein Hamburger Abschiedskonzert. Und als er mit blubbernder Harley auf die Bühne fährt und mit „Schatten in die Haut tätowiert“ den Abend beginnt, spüre ich tatsächlich einen Stich im Herzen.

Peter Maffay: Abschiedskonzert in Hamburg, in der Stadt, in der alles begann

Das ist schon eine krasse Kernerinnerung, der Kalkberg damals. Ordentlich Leder war zugegen, sehr viele … nennen wir sie mal Motorradfreunde. Schnauzbärtige Kanten mit „noch so’n Spruch – Nasenbruch“-Gesichtern. Über ganz Bad Segeberg hing eine Glocke aus Benzindampf, Bierdunst und Zigarettenqualm. Das machte mir ein wenig Angst, genau wie Maffay, der einem verwegen von Papas Plattenhüllen von „Steppenwolf“ und „Revanche“ in die Augen blickte. Oder die Texte wie im mackerhaften „Diesmal hat er sich gewehrt“: „Er schlug zurück in das fette Gesicht, und das böse Grinsen zerbrach“, sang Maffay über eine Kneipenhauerei, „und er legt den Arm um sie, denn es ist seine Nacht.“ So was kann man heute nicht mehr bringen, und zum Glück erschien in der Zeit auch das Kindermusicalalbum „Tabaluga oder die Reise zur Vernunft“.

Peter Maffay hat einen jahrzehntelang begleitet, „Kein Weg zu weit“ war 1989 eine der ersten selbst gekauften Platten, und die Veralberungen von Jürgen von der Lippe („singende rumänische Wanderwarze“) oder Helge Schneider waren unabhängig von Musikgeschmäckern respektlos gegenüber einem Künstler, der in der großen Barclays Arena wie auch im Kiezclub Docks immer abgeliefert hat. Der bei Aftershow-Partys Hunderte inklusive Barpersonal persönlich begrüßte. Und der persönliche Krisen (viel Alkohol, viele Ehefrauen) nicht verharmloste.

Blick zurück – Peter Maffay gibt in Hamburg seine Klassiker zum Besten

Zurück in das Jetzt auf der Trabrennbahn. „Carambolage“ ist der zweite kernige Rocker, der in die sich noch füllenden Sitz- und Stehreihen mit 20.000 Fans (2024 deutlich bürgerlicher als 1981) gepustet wird. Wie bei Maffays kurzzeitigem Co-Songwriter Roland Kaiser am Vorabend sind Sitzplatztribünen aufgebaut und der Untergrund ist mit Stahlplatten stabilisiert. Für die Konzerte von Deichkind, Nina Chuba, Alvaro Soler und Jan Delay im August wird diese Komfortzone allerdings wieder beseitigt. „Was für ein Anblick, liebe Freunde“, freut sich Maffay, „drei Generationen, viele, die von Anfang an dabei sind. Und jugendliche Quereinsteiger, traumatisiert von ihren Eltern“. Du sagst es, Mann!

Dann gibt es einen harten Schnitt, und Maffay blickt im Alter von 74 Jahren mit einer Mischung aus Selbstironie und stolzem Trotz zurück auf seine Anfänge als Schlagerbarde und auf metergroße alte „Bravo“-Titelseiten auf den Videoleinwänden. Sieben dunkle Jahre gilt es zu überstehen. „Du“ (damit begann alles in Hamburg), „Samstagabend in unserer Straße“ (in der TV-Show „Disco 74“ sang er die Nummer im weißen Elvis-Vollzeug, groß!) und „Und es war Sommer“ werden aus dem Giftschrank geholt. Das Publikum kennt natürlich noch die Texte und heult bei „Und es war Sommer“ die zu den durch die Wolken brechenden Sonnenstrahlen klagende Gitarre mit: „Piuh-piuh-piuuuh.“ Ein Wettereffekt wie bestellt.

Comeback in Hamburg? Peter Maffay macht Andeutung auf Abschiedskonzert

Maffays zwölfköpfige Band, darunter Peter Keller (Gitarre), Pascal Kravetz (Keyboard), Bertram Engel (Schlagzeug), Ken Taylor (Bass) und Sohnemann Yaris Makkay (Gesang), ist aber sicher froh, danach die Kalter-Krieg-Hymne „Eiszeit“ und „Liebe wird verboten“ spielen zu dürfen, und das sogar mit Verstärkung von alten Wegbegleitern. Steffi Stephan, Jean-Jacques Kravetz und Frank Diez gehen auf die Bühne, auf der nun fast das halbe Panikorchester steht. Und auch jüngere Pop-Prominenz gesellt sich mit Johannes Oerding dazu, der in den vergangenen Jahren oft mit Peter Maffay die Köpfe zusammensteckte („MTV unplugged“, „Sing meinen Song“). Oerding war bereits bei vielen Abstechern der „Farewell Tour“ Gast auf der Bühne, und da darf auch der Sonntag in seiner Stadt nicht fehlen. Oerdings Lied „Blinde Passagiere“, einer seiner politischeren Songs, schlägt den Bogen zu „Eiszeit“. Maffay verspricht als Dank einen Gegenbesuch, wenn Oerding 2026 im Volksparkstadion spielt: „Wenn wir uns wieder sehen.“

Peter Maffay
Trotz Abschiedskonzert will Maffay bei Johannes Oerding 2026 noch mal auf der Bühne stehen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

„Wenn der Himmel weint“ von 2014 wäre jetzt eigentlich ein schönes Stück für das Hamburger Publikum, auch weil der Himmel sich bedrohlich zuzieht. Das Video dazu drehte Maffay in der Ritze und im Logo, auch aus Verbundenheit zur Stadt. „Hier gibt es die besten Maschinen, und hier habe ich viele Freunde, die wie ich Benzin im Blut haben“, sagte er damals der „Welt“. Aber der Song ist dieses Jahr nicht dabei. 

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Dafür gibt es weitere Wechselspiele auf der Bühnenmitte inmitten der extrem spielfreudigen, fröhlichen und viel improvisierenden Band. Yaris Makkay singt „Abenteuer“, die Fans pellen sich für fünf Minuten in ihre Regenjacken und dann kommt „Der Mensch, auf den du wartest“: US-Pop-Wirbel Anastacia und Maffay verbinden sich mit „Just You“ (Anastacias Version von „So bist du“ von ihrem Deutschpop-Coveralbum „Our Songs“), und mit „Left Outside Alone“ und „I’m Outta Love“ sowie AC/DCs „You Shook Me All Night Long“ verschafft sie dem Steppenwolf und seiner immer noch kraftvollen Stimme ein wenig zweite Luft für das anstehende Hit-Finale.

Peter Maffay
Peter Maffay und Anastacia – sein Abschiedskonzert in Hamburg ließ sich die Sängerin nicht entgehen. © FUNKE Foto Services | Thorsten Ahlf

Das sorgt nach einer Schecküberreichung von 100.000 Euro von Maffay, Oerding und einer Lotterie für die Hamburger Kinderferien-Aktion Climb für einen schönen Ausklang: Mit dem „Tabaluga“-Klassiker „Ich wollte nie erwachsen sein (Nessaja)“, dem Karat-Diamanten „Über sieben Brücken musst du geh‘n“ und einem langen Jam mit „Sonne in der Nacht“. Aber wie es im ersten Lied des Abends heißt: „Für einen Easy Rider, da ist der Highway nie zu Ende.“ Als Zugabe gibt es nach knapp drei Stunden das neue Lied „Mein Wort“: „Ab heute für die Ewigkeit bleibt das für immer unsere Zeit. Auch wenn der letzte Vorhang fällt: Ich geh noch nicht fort, ich geb euch mein Wort“, verspricht Peter Maffay, und singt weiter: „Und jetzt schließt sich der Kreis.“ Und irgendwo tief in mir bin ich ein Kind geblieben.