Hamburg. Was plant das internationale Performance-, Tanz- und Theater-Festival diesmal? Der Vorverkauf läuft, das Programm ist da. Ein Koch kommt auch.
Wenn András Siebold, Leiter des Internationalen Sommerfestivals auf Kampnagel, und seine Co-Kuratorin Corinna Humuza zur launigen Programmvorstellung laden, sollte der Sommer eigentlich schon da sein. Diesmal musste die Präsentation allerdings wegen Kälte in die Kassenhalle verlegt werden.
Das Programm des Sommerfestivals, das vom 7. bis zum 25. August wieder zu Begegnungen mit frischer, auch mal (Geschmacks-)Grenzen auslotender Kunst aus Tanz, Performance, bildender Kunst und Musik einlädt, lässt sich auf die Grundbegriffe Offenheit und Dialog in den aktuell politisch für Festivalmacher herausfordernden Zeiten bringen. Siebold spricht, den US-Schriftsteller James Baldwin zitierend, gar von einer „demaskierenden Wirkung der Liebe“, die verletzlich mache, aber eben auch empfänglich für die Welt.
Die Eröffnung bestreitet eine echte Legende der Tanz-Avantgarde. Die 83-jährige US-Choreografin Lucinda Childs, bekannt für ihre Kollaborationen mit Philip Glass und Robert Wilson, wird mit ihrer Dance Company in „Four New Works“ (7. bis 11.8.) vier Uraufführungen in einer Weltpremiere präsentieren, darunter ein selbst getanztes Solo.
Ein großer Schwerpunkt ist dem französischen Choreografen Saïdo Lehlouh gewidmet. In „Témoin“ (14. bis 16.8.) speist er seinen zeitgenössischen Stil erneut aus Elementen des Streetdance. Mit „Core“ (17.8.) lädt er außerdem zu einem ganztägigen Performance-Parcours durch die sechs Häuser der Kunstmeile und zu einer großen Performance auf dem Rathausmarkt.
Sommerfestival: Kimchi mit Haribo? Kampnagel testet Geschmacksgrenzen
Jeremy Nedd & Impilo Mapantsula sorgten bereits 2022 auf dem Festival für Aufsehen. Nun kehrt der in Basel lebende US-Choreograf mit dem südafrikanischen Ensemble zurück. In „Blue Nile to the Galaxy around Olodumare“ (15. bis 18.8.), verbindet Nedd die Afrodiaspora zwischen den USA und Südafrika mit erlesener Jazzmusik zu einer Zukunftsvision – wobei der mitreißende Tanzstil Pantsula erneut im Zentrum steht.
Ein ungewohntes Thema nimmt sich US-Choreograf Kyle Abraham, ebenfalls ein bewährter Festival-Kunst-Komplize, mit seiner Kompanie A.I.M. diesmal vor. In „Cassette Vol. 1“ (23. bis 25.8.) spiegelt er tänzerisch und ästhetisch die Einflüsse der musikalisch oft geschmähten 1980er-Jahre.
Das Programm hält aber nicht nur hochkarätigen Tanz, sondern auch Theaterperformances bereit, die Neugierde wecken. So wird die zwischen Buenos Aires und Berlin lebende Theatermacherin und diesjährige Ibsen-Preisträgerin Lola Arias in ihrer neuen Performance „Afuera/The Days Out There“ (8. bis 10.8.) ein Musical über die Erlebnisse und Sehnsüchte ehemaliger Gefängnisinsassinnen zeigen.
Die neue Theaterarbeit des ungarischen Theater- und Filmregisseurs Kornél Mundruczó und seines Proton Theatres sorgte schon bei den Wiener Festwochen für Furore. Nun kommt „Parallax“ (21. bis 23.8.), ein bildgewaltiges Stück über die Identitätssuche einer jüdischen Familie in Budapest in Zeiten von Antisemitismus, Rassismus und Queerfeindlichkeit, zum Sommerfestival.
Sommerfestival auf Kampnagel: Humor und die fröhliche Grenzüberschreitung
Der Humor und die fröhliche Grenzüberschreitung kommen trotz der Gewichtigkeit mancher Themen nicht zu kurz. So liefert der südkoreanische Theatermacher Jaha Koo mit „Haribo Kimchi“ (8.8. bis 10.8.) im Verbund mit dem Genter Art Center Campo eine Reflexion über Esskultur mithilfe eines YouTubers, eines Reiskochers, einer Kröte und eines Aals ab. Die Hamburger Musikerin Ace Tee, die international den R&B-Hit „Bist Du Down“ landete, präsentiert mit „Upside Down“ (8.8. bis 10.8.) ihr neues Album als Bühnenperformance.
Beeilen muss man sich wahrscheinlich beim Kartenkauf für die neue Performance der Wiener Gruppe Nesterval, deren immersive Arbeiten regelmäßig in Rekordzeit ausverkauft sind. In „A Dirty Faust“ (8.8. bis 23.8.) errichtet das Kollektiv um Martin Finnland diesmal ein Hotel in einem leer stehenden Schulgebäude auf St. Pauli und verhandelt darin anhand von Goethes Klassiker und Tanzfilmen aus den 1980er-Jahren den Kampf um Abtreibungsrechte.
Mehr als zwei Dutzend Konzerte zwischen Elbphilharmonie, Club und Waldbühne runden das Programm ab.
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Der indische Koch und Kulturbotschafter Suvir Saran, in seiner Heimat eine „Berühmtheit“ mit fünf Millionen Followern auf Instagram, sei ihnen gewissermaßen „zugelaufen“, erzählt András Siebold. Unbedingt wollte er seine Kochkünste ins Festival einbringen. Nun wird er in einem eigens errichteten Pop-up-Restaurant in „India – A Delicious Mosaic“ zweimal am Abend je 35 Besucher mit einem vorher reservierbaren Menü (40 Euro ohne Getränke) inklusive Songs und Geschichten beglücken.
Jetzt fehlt nur noch der Sommer.
Internationales Sommerfestival 7. bis 25. August, Kampnagel, Jarrestraße 20–24, Karten unter T. 27094949; www.kampnagel.de