Hamburg. Politiker aller demokratischen Parteien kamen im Molotow zusammen – aber nicht zum Tanz. Ein Vorwurf: „Null Dringlichkeitsbewusstsein!“

Es ist stiller geworden in Hamburgs Musik- und Partymeilen. Waagenbau: dicht gemacht. Astra Stube: geschlossen. Fundbureau: auch zu. Die Feierparadiese unter der Sternbrücke an der Max-Brauer-Allee, Ecke Stresemannstraße, sind für deren Neubau gewichen. Wacker hält sich noch das Molotow, ursprünglich in den Esso-Häusern am Spielbudenplatz und derzeit am Nobistor beheimatet. Die Uhr tickt aber auch fürs Molotow, und zwar wortwörtlich. In 260 Tagen, so zeigt es ein knallrot leuchtender Countdown an der Außenseite des Gebäudes, soll der Club den Plänen eines Investors weichen – schon wieder.

Kaum ein Ort dürfte also passender sein, um die Gretchenfrage des Hamburger Nachtlebens zu stellen. Am Montag im Molotow wurde unter dem Titel „Quo vadis Clubkultur?“ debattiert statt getanzt. Die Veranstaltung diente als Auftakt der ersten Hamburger Clubwochen. Die Acts des Abends: Bürgerschaftsabgeordnete von SPD, Grünen, CDU und Linken sowie ein Bezirkspolitiker der FDP.

Clubsterben Hamburg: „Wie machtlos ihr seid!“ – Polit-Talk im Molotow

Rund drei Dutzend Besucherinnen und Besucher, vielfach aus der Branche, fanden sich ein, um Hansjörg Schmidt (SPD), Sonja Lattwesen (Grüne), Anke Frieling (CDU), Norbert Hackbusch (Linke) sowie Timo Fischer (FDP, Bezirk Mitte) kritisch zu lauschen. Schließlich sind Clubbetreiber und -gängerinnen reichlich unzufrieden mit ihrer „Wegrationalisierung“, wie es einer der Anwesenden formulierte.

Die Podiumsdiskussion, moderiert von Thore Debor, dem Geschäftsführer des Interessenverbands Clubkombinat, spielte sich zunächst als politischer Machtkampf ab: SPD-Mann Schmidt und Grünen-Frau Lattwesen betonten, reichlich „To-dos“ zu haben, um die Clubkultur der Stadt zu bewahren und zu fördern. Credo: Wir müssen jetzt unbedingt etwas tun, es gibt ganz viel Bereitschaft. Anke Frieling, als CDU-Bürgerschaftsabgeordnete in der Opposition, schoss hingegen scharf in Richtung der beiden. „Es gibt offensichtlich null Dringlichkeitsbewusstsein“, warf sie SPD und Grünen vor.

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St. Pauli: SPD und Grüne auf der Anklagebank

SPD und Grüne, die im Molotow gewissermaßen auf der Anklagebank saßen, trugen weniger konkrete Verbesserungsvorschläge als Entschuldigungen vor. Auf St. Pauli besitze Hamburg beinahe keine Gebäude mehr, deshalb könne die Stadt kaum etwas gegen Investoren tun, die die Clubs bedrohen. „Wir hatten uns alle etwas anderes vorgestellt“, so Schmidt. Eine Besucherin und Branchenvetreterin daraufhin unverblümt: „Ich bin immer wieder erstaunt, wie machtlos ihr seid!“

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Dass die Sternbrücke saniert werde und die Clubs darunter früher oder später ausziehen müssen, stehe schon seit Jahren fest, machte Lattwesen klar. Zuspruch erntete sie mit diesem Fakt freilich nicht. Räume zur Zwischennutzung, erklärte sie, gebe es für die Betreiberinnen und Betreiber etwa in Diebsteich. Im ehemaligen Thyssen-Krupp-Gebäude sowie im Ex-Postverteilzentrum könnten sie unterkommen.

Himmelhochjauchzend stimmte das Angebot die Betroffenen nicht. Das Team der ausquartierten Astra Stube fragte die Verantwortlichen: „Ist euch überhaupt klar, was Zwischennutzung bedeutet?“ Ein Club könne nicht einfach von der Schanze nach Diebsteich verlegt werden und weiter funktionieren wie bisher. Zumal die Astra Stube auch in Diebsteich für nurmehr zweieinhalb Jahre heimisch sein wird. Das Thema wird auf der Agenda bleiben.

„Quo vadis Clubkultur?“ war die Auftaktveranstaltung der ersten von der Initiative Musik und der Kulturbehörde geförderten „Clubwochen“ vom 15. bis zum 26. April. In den kommenden Tagen finden weitere Infotainment-Events aus der Reihe an verschiedenen Orten in Hamburg statt. Informationen und Tickets gibt es unter www.clubkombinat.de.