Hamburg. Was „punk“ sein bedeutet, wie man Zigaretten klaut und von wem Diggen heimlich Fan ist: Vier Musiker schwelgen in Erinnerungen.

Treffen sich vier Männer auf dem Kiez in Hamburg. Einer kommt aus Hamm, einer aus Eppendorf, einer aus der Schanze und der letzte aus Hemmoor in Niedersachsen. Was klingt wie der Beginn eines schlechten Witzes, bildet in Wahrheit die Kulisse für einen wirklich witzigen Abend: Diggen, der ehemalige Frontsänger der Punkrock-Band Slime, nahm zusammen mit den Musikern Jan Delay und Swiss am Montagabend einen Live-Podcast im Schmidt Theater auf. Moderiert von Thees Uhlmann.

Unter dem Motto „Punk meets HipHop“ quatschten die vier über die Parallelen der beiden Genres, über ihren Weg zur Musik, über ihre Interpretation von „Punk“ und vieles mehr. Es ist das zweite Format dieser Art, und im April wird es einen weiteren Talk mit Diggen geben, moderiert von Olli Schulz. Das Event ist bereits ausverkauft – doch wie Diggen am Montag verspricht, wird es nicht der letzte Live-Podcast bleiben.

Jan Delay im zärtlichen Mobbing-Modus – Diggen kriegt‘s im Hamburger Schmidt Theater ab

„Musik war einfach immer da“, antwortet Deutschlands berühmteste Nasal-Stimme auf Uhlmanns Frage, wie er denn zu seiner Leidenschaft gekommen sei. „Das ist so, als ob du mich fragen würdest, wann ich angefangen habe zu essen“, stichelt er. Doch die erste Begegnung mit Hip-Hop fällt Jan Delay noch ein. Als er zehn Jahre alt war, im Bulli auf dem Weg in den Frankreich-Urlaub mit seiner Familie, lief der Song „Walk This Way“ von Run DMC: „Das hat mich total weggeballert.“

Den Männern merkt man am lockeren Umgang deutlich an, dass sie sich schon länger kennen und mögen. Und was sich mag, das neckt sich bekanntlich: Als Diggen verrät, dass er Pink-Fan ist, steht Jan Delay kopfschüttelnd auf, will spaßeshalber den Raum verlassen – und grillt den 64 Jahre alten Punkrocker bei jeder Gelegenheit: Der rennende Witz des Abends (für alle, die keine Anglizismen mögen) war geboren.

Schmidt Theater: Rapper Swiss erklärt, was für ihn „punk“ sein bedeutet

„Ich find‘s okay, dass du Pink hörst“, tröstet ihn Swiss. Dem Hamburger Rapper und Punkrocker hört man gerne zu beim Reden, er ist mit seiner authentischen und schamlosen Art sowie seiner kernigen Ironie der Entertainer des Abends. Swiss erzählt, wie er anfangs auf Punk-Festivals noch schief angeguckt wurde, weil er statt Patches, Iro und Nieten Adidas-Klamotten und Jogginghose trug. Doch Punk sei kein Kostüm: „Am Ende ist Punk eine Einstellung. Wenn das eigene Herz und die Seele der Kompass ist und nicht das, wonach die Mehrheit schreit: Das ist Punk.“ Seit einigen Jahren macht er mit Diggen zusammen Musik.

Den gut gelaunten Gästen des Theaters – viele von ihnen sind erkennbare Fans des FC St. Paulis – werden Tipps mit auf den Weg gegeben, wie sie ihre kriminelle Energie ausbauen können: Zigarettenpackungen könne man gut zwischen aufeinandergestapelten Bierpaletten mitgehen lassen, erklärt Diggen, und Jan Delay erzählt, wie er öfters mehrere Platten in ein Cover gestopft hat, um nur eine bezahlen zu müssen. „Ich dachte, das ist eine anständige Veranstaltung hier“, kommentiert Swiss scherzhaft.

Jan Delay, Diggen und Swiss (von links nach rechts) halten sich an dem Abend im Schmidt Theater nicht ans Skript und verlieren sich immer wieder in Anekdoten: Und das ist gut so, das Publikum ist richtig gut gelaunt.
Jan Delay, Diggen und Swiss (von links nach rechts) halten sich an dem Abend im Schmidt Theater nicht ans Skript und verlieren sich immer wieder in Anekdoten: Und das ist gut so, das Publikum ist richtig gut gelaunt. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

Live-Podcast mit Jan Delay, Diggen und Swiss: Warum nur Männer?

Insgesamt ein wirklich unterhaltsamer Abend, an dem viel gelacht wurde. Lediglich Moderator Thees Uhlmann surft manchmal nicht ganz auf der gleichen Welle wie die drei Musiker: Seine Fragen und Geschichten wirken manchmal fehl am Platz, treffen nicht den liebevollen Zynismus, den die anderen sich gegen die Köpfe hauen.

Mehr zum Thema

Bei vielen Anekdoten schwelgen die Musiker in nostalgischen Erinnerungen – die Besetzungen in der Hafenstraße, die Anti-Atomkraft-Demos in Brokdorf, eskalierende Solokonzerte in Hamburg und Berlin-Kreuzberg. Schade, dass sie ihren Blick nicht auf die heutige Musik- und Clubszene werfen: politische Statements etwa zum Clubsterben in Hamburg oder zum Rechtsruck in Deutschland werden vermisst.

Und auch wenn alle vier Männer cool und atzig wirken – es sind und bleiben vier ältere, weiße Männer. Nicht mal ein selbstkritischer Kommentar darüber fällt an diesem Abend. Eine Frau auf der Bühne hätte dem Abend nicht geschadet.