Bargteheide. Stück nach Roman „Sophia, der Tod und ich“ des früheren Tomte-Sängers kommt ins Kleine Theater. Warum es den Nerv des Publikums trifft.
Es klingelt an der Wohnungstür. Wer kann das schon sein, denkt der Ich-Erzähler im Roman „Sophia, der Tod und ich“, und öffnet die Tür. Ein Fehler, denn der Tod steht davor und verkündet ihm, dass er nur noch wenige Minuten zu leben hat. Aus und vorbei – Geschichte zu Ende? Ganz im Gegenteil, an diesem Punkt geht sie erst so richtig los. Es ist erfrischend unkonventionell, urkomisch und berührend zugleich, wie Autor Thees Uhlmann in seinem Erstlingsroman an das Thema Lebensende herangeht. Und es beweist einmal mehr, dass Uhlmann, der als Sänger der Hamburger Band Tomte einem breiten Publikum bekannt wurde, nicht nur ein talentierter Musiker, sondern auch ein ganz großer Geschichtenerzähler ist.
Diese Geschichte hat drei Darsteller vom Mainzer Staatstheater so in ihren den Bann gezogen, dass sie daraus ein Bühnenstück mit demselben Titel gemacht haben, mit dem sie am Mittwoch, 7. Februar, um 19.30 Uhr im Kleinen Theater Bargteheide zu Gast sind. Ebenso wie Uhlmann vom Erfolg seines Romans überrascht wurde („das ist eines der abgedrehtesten Dinge, die mir je passiert sind“), erging es den Darstellern mit dem großen Zuspruch des Publikums. Henner Momann, der die Rolle des Ich-Erzählers spielt, sagt: „Wir fanden den Stoff so toll, das wir uns mit unserem Wunsch, ihn auf die Bühne zu bringen, an die Theaterleitung gewendet haben..“ Im Regelfall läuft das genau umgekehrt, es ist ungewöhnlich, dass die Initiative von den Schauspielern ausgeht. Aber es geht auch um einen ungewöhnlichen Stoff.
Thees Uhlmann sagt: „Ich kenne mich mit dem Tod aus.“
Henner Momann beschreibt ihn als „Tragikomödie im klassischen Sinn“. Eine mit sehr viel Humor, wobei gerade darüber eine erhebliche Fallhöhe geschaffen werde. Die Handlung ist schnell erzählt: Weil Sophia, eine frühere Freundin des Ich-Erzählers, unverhofft mitten in den Besuch des Todes bei ihrem Ex hineinplatzt, bringt das den üblichen Ablaufplan für den Übergang ins Jenseits total durcheinander. „Das führt zu einem Fehler im Betriebssystem“, erläutert Momann. Solange im Raum stehe, dass es jederzeit zu Ende gehen könne, dürfe keiner der drei aus dem Bund ausbrechen. So schicksalhaft aneinandergekettet, stürzen sich die drei mitten hinein ins pralle Leben.
Denn der Erzähler will die Zeit der Ungewissheit nutzen, um seinen einzigen Sohn, den er noch nie gesehen hat, kennenzulernen und sich von seiner Mutter zu verabschieden. Für den Tod wird die Reise quer durch Deutschland eine völlig neue Erfahrung. Thees Uhlmann: „Der Tod bewegt sich zum ersten Mal auf der Welt in einer bestimmten Kultur und begreift dadurch die menschliche Existenz und das, was sie ausmacht.“ Die Geschichte zeige die menschliche, naive und unschuldige Seite des Todes. „Biertrinken ist für ihn eine gute Sache, Gefühle findet er auch nicht schlecht und Bahnfahren einfach toll“, beschreibt Momann.
Thees Uhlmann hat eine besondere Sicht auf das Lebensende. „Mit dem Tod kenne ich mich aus“, sagt er. „Ich bin damit aufgewachsen, dass mein Vater schwer krank war.“ Das sei für ihn ganz normal gewesen. Wie seine Hauptfigur sei auch er früher einmal kurzzeitig in der Altenpflege tätig gewesen. „Ich weiß, wie es ist, das Elend zu verwalten“, sagt er. Doch auch in solchen Situationen ließen sich schöne Momente entdecken. Obwohl die Figur sich deutlich von der Person des Autors abgrenzt, lassen sich Parallelen erkennen. „Vielleicht hat es etwas damit zu tun, dass ich auf diese Weise eine persönliche Geschichte von mir der Allgemeinheit zur Verfügung stellen und ihr damit zugleich eine Leichtigkeit verleihen kann.“
Geschichte hilft Menschen über schwere Zeit hinweg
Dafür ist ihm das Publikum dankbar. Insbesondere Menschen, die gerade einen persönlichen Verlust erlitten haben, hilft die Geschichte durch eine schwere Zeit. „Ich bekomme herzzerreißende E-Mails, die zugleich wunderschön sind“, berichtet Uhlmann. Wie eine Rückmeldung von jemandem, der seiner sterbenden Mutter vor ihrem Tod „Sophia, der Tod und ich“ im Spital vorgelesen und so noch schöne Momente mit ihr verbracht habe. Für den Autor ein Beweis, dass es ihm durch seine Kunst und Imagination gelungen ist, den Menschen etwas mitzugeben.
Auch interessant
- Hinter den Kulissen: Witta Pohl sollte nicht die Mutter Drombusch spielen
- Tatort-Star Mark Waschke: Ich schaue nur selten Krimis
- Reinbek: Wie der neue Kantor seine Liebe zur Orgel entdeckte
Auch Momann berichtet von ähnlichen Erfahrungen. „Manchmal kommen Zuschauer auf uns zu und schildern uns ihre persönlichen Erlebnisse.“ Der Besuch der Theateraufführung führe dazu, dass die Zuschauer sich aufgehoben fühlten und ein Stück weit versöhnt seien mit dem, was am Ende stehe. „Die Menschen sind dankbar für das gemeinsame Erlebnis und das Leben an sich.“ Den Besucherrekord hält eine junge Frau: Sie habe das Stück bereits 34-mal gesehen. Die Einschätzung des Magazins „Der Spiegel“, das den Uhlmann-Roman als „Ein Buch wie ein Bier“ charakterisierte, findet Momann zu kurz gefasst. „Das Buch ist wie ein guter Freund im Leben.“
Ensemble hat Theaterstück bereits 84-mal aufgeführt
Thees Uhlmann sagt: „Ich habe von Schauspielerei wirklich keine Ahnung. Das ist etwas, das mir gar nicht liegt.“ Es mache ihn als Co-Künstler stolz, wenn Ensembles ihre ganze Exzellenz einbrächten, um die Geschichte zu einem Erlebnis für die Theaterbesucher zu machen. „Dass sich diese jungen Darsteller aus Mainz meiner Idee widmen, gibt mir ein ganz warmes Gefühl und macht mich glücklich“, so Uhlmann.
Zu einer persönlichen Begegnung der Künstler ist es auch schon gekommen: 2022 beim norddeutschen Watt en Schlick Festival haben sich Momann und Uhlmann getroffen. „Dass mein Stück jetzt in Bargteheide gespielt wird, ist toll“, findet Uhlmann. „New York kann jeder, Bargteheide muss man wollen.“ Henner Momann auf die Frage, ob er nach 84 Vorstellungen noch Angst vor dem Tod hat: „Also wenn‘s so läuft wie im Stück, dann nicht.“
Karten zu 26,–/24,– im Vvk. unter kleines-theater-bargteheide.de