Hamburg. Wie reagieren Elbphilharmonie und Co. auf die aktuelle Lage? Was eine mögliche Einflussnahme von der AfD angeht, ist die Aussage klar.
Das Ohnsorg-Theater, das Gestrige immer noch für betulich halten, handelte deutlich: Mit seiner Sonderveranstaltung „Platt gegen rechts“ bezog das Traditionstheater am Donnerstagabend auch künstlerisch Position gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus sowie für eine vielfältige Gesellschaft. Rund 50 Menschen, jüngere wie ältere, verfolgten im Foyer konzentriert die gut einstündige Melange aus Lesung und Konzert. Initiiert und dargeboten von Mitwirkenden der demnächst anstehenden Produktion „Bittersüße Zitronen“, moderiert vom Noch-Oberspielleiter Murat Yeginer und konzipiert von seinem Vorgänger Frank Grupe.
Schon mit dem Banner „Keen Platz för Nazis!!!“ hatte das Ohnsorg gleich neben dem Haupteingang des Theaters und in direkter Nähe des Hauptbahnhofs ein Zeichen gesetzt. Es sei schon vorgekommen, „dass radikale Organisationen versuchen, in unserem Theaterfoyer Werbematerial zu verteilen“, sagt Michael Lang. „Das unterbinden wir selbstverständlich sofort.“
Kultur Hamburg: Mit Rechtsradikalen reden? „Völlig sinnlos!“ – Aussage zu AfD klar
„Wenn Parteien oder andere Einrichtungen unsere Grundrechte angreifen, so dürfen und müssen unser Rechtsstaat und die Gesellschaft klare Kante zeigen und alle Mittel prüfen und anwenden, die den Schutz der Grundrechte der Menschen sicherstellen und Extremismus verhindern“, so der Ohnsorg-Intendant weiter. „Mit unserer Geschichte haben wir in dieser Hinsicht eine besondere Verantwortung.“
Trotz gelegentlicher Flyer-Übergriffe im Ohnsorg-Foyer, und das ist in aufgeheizten Zeiten wie diesen bedauerlicherweise eine gute Nachricht: Es gibt zumindest bei den großen kulturellen Anlaufpunkten in Hamburg (noch) nicht wirklich das Problem mit rechter Einflussnahme. Das mag in einer Stadt, bei der die AfD bei der letzten Bürgerschaftswahl „nur“ knapp über fünf Prozent der Stimmen bekam, kein besonderer Umstand sein. Erwähnenswert ist es, weil in anderen, weit weniger offenen Regionen gerade Kultureinrichtungen mit auf Multikulturalität und Diversität ausgerichtetem Programm Opfer von rechten Angriffen werden, die etwa auf Budgetkürzungen zielen. Dazu kommen bisweilen Drohnachrichten.
Aufstehen gegen rechts: Nimmt die AfD bei Kulturinsitutionen Einfluss?
Wie konkret die Bedrohung oder Einflussnahme durch die AfD oder andere Absender ist, weiß Tulga Beyerle, die Direktorin des MK&G, von Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bundesländern: „Sie sind wirklich in großer Sorge.“ MARKK-Direktorin Barbara Plankensteiner ergänzt mit Bezug auf Hamburg: „Es gab einige parlamentarische Anfragen der AfD zu unserer Arbeit, unter anderem zur Restitution afrikanischer Kulturgüter.“
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Wie halten es die Institutionen, die großen Kulturstätten eigentlich grundsätzlich mit dem Dialog? Es heißt ja gelegentlich, „mit Rechten reden“ sei unerlässlich. Was das angeht, herrscht spätestens jetzt in Hamburg mindestens große Ernüchterung. „Die Idee einer massenhaften Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund ist eine absolute Grenzüberschreitung“, teilt die Elbphilharmonie auf Abendblatt-Anfrage mit, „an diesem Punkt ist die Diskussion zu Ende“.
Elbphilharmonie und Co.: Mit Rechten überhaupt noch reden?
Markige und im Zusammenhang der unlängst aufgedeckten Landhaus-Adlon-Affäre – Kurzversion: Rechte Kräfte inklusive AfD-Gesandten treffen sich, um die „Remigration“ deutscher Staatsbürger zu erörtern – nachvollziehbare Worte eines Hauses, das zuletzt wie beinah alle anderen auch zur Teilnahme an der großen „Steht auf“-Demo am Jungfernstieg aufrief und im Übrigen darauf verweist, dass demnächst unter anderem die Jewish Music Night und die Aufführung von Luigi Nonos Antifaschismus-Kantate „Il canto sospeso“ auf dem Programm stehen. Soll heißen: Die Elbphilharmonie macht sich auch jenseits brandaktueller Lagen für Weltoffenheit und demokratische Werte stark.
Werte, die von den Rechten nicht anerkannt werden. Welche Grundlage für ein Gespräch mit Demokratieverächtern und Gegnern einer offenen Gesellschaft gibt es überhaupt noch? Schauspielhaus-Chefin Karin Beier sagt: „Nicht alle Rechten sind Nazis. Und Gespräche sind immer gut.“ Es gebe aber Punkte, an denen sich „die Fortsetzung des Gesprächs erübrigt“. Bei Deportations-Fantasien, so Beier, an deren Hausfront ein Plakat hing, dass das Theater offensiv gegen Antisemitismus positionierte, wäre dieser Punkt überschritten: „Mit gesichert rechtsextremen Parteien oder Gruppen sehe ich keinen Gesprächsbedarf. Da ist dann die Justiz gefragt.“ Auch nachdem das Großplakat inszwischen abgenommen wurde, ist das „Nein zu Antisemitismus und Terror“ an der Fassade weiter sichtbar.
Joachim Lux, Intendant des Thalia Theaters, äußert sich ähnlich klar, aber ebenfalls differenziert: „Mit den Rechtsradikalen zu reden ist völlig sinnlos. Aber diejenigen, die aus Protest, aus Angst vor Abstieg oder aus Wut gegen die Politik überlegen, rechtsradikal zu wählen, die sollten wir auf keinen Fall ausgrenzen und im Gegenteil eher Formate entwickeln, wo wir denen zuhören – was treibt sie an, was macht ihnen Sorgen?“
Corny Littmann und die Rechten: „Erbitterter Widerstand“
Ähnlich sieht man das auch in der Livemusik-Szene auf St. Pauli: „Rechte Politik ist ein Spektrum unserer Demokratie und damit müssen wir ,leider‘ leben. Rechtsextremismus und die Massen-Deportationspläne sind jedoch völlig inakzeptabel. Dagegen gehen die Menschen zu Recht auf die Straße“, sagt Tim Peterding, Booker im Club Knust, in dem Respekt und Toleranz und Austausch mit Veranstaltungsreihen wie „Acid Anatolia“ vorgelebt werden. Aber „wer aufhört miteinander zu reden, der hat sich schon verloren. Ich glaube ein persönlicher und respektvoller Diskurs ist wichtiger denn je in Zeiten von Social Media & Internet. Und nur wer miteinander redet, kann in einer Gesellschaft friedlich koexistieren, auch wenn man nicht immer einer Meinung ist.“
Die Positionierung gegen rechts gehört an der Mundsburg „zur DNA unseres Theaters“, so Isabella Vértes-Schütter, Intendantin des Ernst Deutsch Theaters. Wie es der Kalender will, findet an diesem Sonnabend, 27. Januar, dem internationalen Holocaust-Gedenktag, im Ernst Deutsch Theater die Verleihung des Bertini-Preises 2023 statt, eine Auszeichnung „Für junge Menschen mit Zivilcourage“ und wie immer auf der Hauptbühne. Bereits am 9. Februar veranstaltet das Haus eine Bertini-Lesung für Schülerinnen und Schüler, und gemeinsam mit Die Vielen e.V. plant das Ernst Deutsch Theater eine weitere Veranstaltung gegen rechts noch vor der Europawahl am 9. Juni. „Kulturinstitutionen sind Orte der Demokratiebildung und sollten sich positionieren und Haltung zeigen“, meint Vértes-Schütter. Als offene Begegnungsorte sorgen wir für Möglichkeiten zum Austausch und Diskurs.“ Jedoch: „Wenn es um rechte Ideologien geht, weisen wir diese entschieden zurück.“
Auch Corny Littmann und sein Team hatten an der Großdemo „Hamburg steht auf!“ teilgenommen – „und werden das auch weiterhin tun“, so der Chef der Schmidts Tivoli GmbH (Schmidt Theater, Tivoli und Schmidtchen). „In einer Demokratie ist der Dialog immer das Mittel der Wahl – solange die Gegenseite sich offen für Argumente zeigt. Wer jedoch Vielfalt und Toleranz infrage stellt, kann mit unserem erbitterten Widerstand rechnen. Wir lassen nicht zu, dass die Grundwerte unserer Demokratie angegriffen werden“, sagt Littmann.
Hamburger Kulturszene: Einhalt gebieten oder im Gespräch bleiben?
„Zudem engagieren wir uns seit der Gründung bei Die Vielen e.V. und werden uns auch an weiteren Aktionen beteiligen“, kündigte der Schmidt-Chef an. Anfeindungen oder Drohungen hätten die Häuser bisher nur vereinzelt auf Social-Media-Kanälen oder im Gästebuch erlebt, jedoch denkt Littmann über seine Theater hinaus: „Als nicht subventioniertes Haus unterliegen wir insgesamt wenigen politischen Einflüssen. Uns ist natürlich bewusst, dass dies nicht die Regel ist und andernorts Theater und Kulturschaffende ganz anders unter Druck stehen.“
Für MARKK-Chefin Plankensteiner ist wichtig, „auch mit schwierigen Positionen im Gespräch zu bleiben, auch wenn sich in der Debattenkultur der Rechtsextremen das Muster zeigt, nach Entgegnungen auf bewusste Provokationen Opferszenarien zu imaginieren“. Alexander Klar, Direktor der Kunsthalle wird deutlicher: „Wer den Inhalt des Grundgesetzes und die Erkenntnisse der Aufklärung negiert, wer völkisch denkt und anderen Menschen das Recht auf eine freie und ungeminderte Entfaltung ihrer Persönlichkeit abspricht, dem muss man schlicht Einhalt gebieten, da spare ich mir den freundlichen Atem.“
Die Museen in Hamburg: Gut im Aufklären, schlecht in der politischen Agitation
Was die Kernaufgaben von Ausstellungsmachern auch in diesen Tagen angeht: Die sind für Hans-Jörg Czech, den Chef von Hamburgs historischen Museen, mit den Worten „Aufklären, Orientierung bieten und die Wirksamkeit von eigenem Handeln erkennbar machen“ gut umschrieben. „Wir sind gut in der Entwicklung von Ausstellungen, die können durchaus politisch sein. Aber wir sind nicht gut in politischer Agitation“, meint Tulga Beyerle vom MK&G.
Rainer Moritz, Chef des Literaturhauses, plädiert grundsätzlich für freien Meinungsaustausch, erklärt aber auch, dass sich der Eindruck aufdränge, „dass Teile der extremen Rechten einen solchen Austausch bewusst torpedieren und allein ihren selbst gebastelten ‚Wahrheiten‘ vertrauen; reden mit Menschen, die nicht reden, sondern zerstören wollen, ist schwierig.“ Grundsätzlich sei es nicht „die primäre Aufgabe“ von Kultureinrichtungen, zu Politik und Gesellschaft „permanent Stellung zu beziehen“. Was den sich ausbreitenden Rechtspopulismus angehe, bedürfe es aber einer klaren Haltung.
Wird das gerade in Gang gekommene zivilgesellschaftliche Engagement, das sich insbesondere in den vielen gut besuchten Demos zeigt, von Programmänderungen in den Kulturstätten flankiert? Spontane Aktionen oder Projekte, wie gerade am Ohnsorg oder in der Laeiszhalle, sind etwa im Literaturhaus oder den Hamburger Museen großflächig derzeit nicht geplant. Deichtorhallen-Intendant Dirk Luckow nennt aber die Dialogreihe „Bridging the Gap“, die tatsächlich aktueller ist denn je – leider. Sie diene der Unterstützung eines „Vorurteile abbauenden und Brücken schaffenden Kunstprogramms des Israel Museums für jüdische und palästinensische Kinder“.