Hamburg. Eine fiktive Autokratie im Herzen Europas. Eine neurotische Diktatorin und ihr maskuliner Gespiele: Ist das billiger Klamauk oder geil?
Es ist ein Glück, dass Kate Winslet als neurotisch-despotisch lispelnde Diktatorin Elena Vernham diesen HBO-Sechsteiler zusammenhält. Hollywood-Schauspielerin Winslet („Titanic“), die mit den TV-Produktionen „Mildred Pierce“ (2011) und „Mare of Easttown“ (2021) gleichermaßen bei Kritik und Publikum ankam, ist sehr gut in Form in „The Regime“.
Das muss sie auch sein, denn die Miniserie braucht eine starke Hauptdarstellerin: Als satirisch-saftiges Polit-Drama mangelt es jener oft, nun ja, an echtem Witz.
„The Regime“ auf Wow – Putin-Satire mit Kate Winslet: Was haben wir gelacht
Was nicht an Winslet liegt, die in „The Regime“ (das Drehbuch stammt von „Succession“-Autor Will Tracy) mit Hingabe und opportunistischer Boshaftigkeit eine paranoide Politikerin darstellt. Sie hat sich in dem Palast eines fiktiven mitteleuropäischen Staates eingeigelt, es sieht alles ziemlich operettenhaft aus.
Der genau richtige Drehort für „The Regime“ waren also Wien und Schloss Schönbrunn. Die wunderliche Vernham befindet sich in der Menopause und hat Hypochonder-Panik vor Schimmelsporen. Und ihr bilateraler Verhandlungstisch hat durchaus größere Ausmaße: Wenn das hier ein Putin-Diss ist, dann vermittelt er laut seine Message. Nämlich: Autokratie ist Wahnsinn.
„The Regime“ mit Kate Winslet: Einschüchterungstaktiken, die an Putin erinnern
Wobei: Sind Frauen als Diktatorinnen etwa noch verrückter als Männer, weil sie irgendwann unweigerlich in den Wechseljahren sind? Oder ist der totalitäre Russe in Wirklichkeit eine Frau? Wahrscheinlich ist es eher so, dass „The Regime“ sich in der Realwelt mit Ukraine-Krieg und Russland-Aggressionen nur ansatzweise, aber immer noch dechiffrierbar bedient – immerhin wird im Laufe der Handlung ein unschuldiger Landstrich annektiert.
Und Vernon hält wie andere Tyrannen viel von Einschüchterungstaktik: Den hilflosen amerikanischen Gast lässt sie einmal orientierungslos durch den Palast irren. „The Regime“ ist ein absurdes Mash-up, ein vermutlich angemessen verfremdetes Zerrbild der antidemokratischen Tendenzen von Gegenwart und jüngerer Vergangenheit.
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Vernham hat den Oppositionsführer (so kaputt wie der späte Nawalny, ein Held: Hugh Grant) ins Gefängnis ge- und sich mit Amerika überworfen. Die US-Außenministerin (Martha Plimpton) muss jedenfalls gewärtigen, dass die Kanzlerin, wie Vernhams offizielle Funktionsbezeichnung ist, überhaupt keine Neigung hat, mit ihr zusammenzuarbeiten.
TV-Serie „The Regime“: Regenwürmer essen macht gesund
Vernams schöngeistiger Ehemann (Guillaume Gallienne) kann französisch, aber sonst nicht viel, er ist bald ebenso abgeschrieben. Corporal Herbert Zubak (Matthias Schoenaerts) wird erst Elena Vernhams Bodyguard und Luftreinigungsfachkraft (damit auch ja kein Stäubchen fliegt), dann ihr Chefeinflüsterer und Liebhaber. Die Ideen des mit Ost-Akzent knurrenden Mannes: Alle Macht dem Volk. Regenwürmer essen macht gesund, überhaupt ist alles Rurale, Ursprüngliche der Hit. Und der Westen sicher nicht die Medizin, die die Kanzlerin und ihr Land brauchen. In diesem rohstoffreichen Land leiden die Menschen unter Hunger, der ganze Laden funktioniert nicht. Unter anderem, weil die Kanzlerin konsequent in einem Paralleluniversum lebt.
Immerhin ist die erregte Kanzlerin eine Frau, die um den Verfall ihrer Macht weiß und sich dagegen stemmt, indem sie sich fortgesetzt gegen Männerbünde durchsetzt. Dass sie sich in körperlicher Hinsicht nimmt, was sie braucht, auch am Kabinettstisch, sorgt für manchen delikaten Moment. Jeder Auftritt Hugh Grants ist ein Lacher. Aber insgesamt bietet die geopolitische Komödie „The Regime“ doch eher platte und insgesamt auch zu wenig Gags; und wenn es Shakespeare-mäßig schwer und tragisch zugeht wie beim Sohn der Kanzlerin und dessen eigentlicher Mutter (Andrea Riseborough), die auch Vernons Chefberaterin ist, fragt man sich nachdrücklich, ob Tragik und Komik hier richtig abgemischt sind.
„The Regime“ mit Kate Winslet: Lass dich bloß nicht mit China ein
Absurder, greller Antidemokraten-Humor, der zündet, könnte tatsächlich ein Gegengift sein, eine kathartische Kur für Gegenwarts-Gestresste. Vor allem auch, wenn er Teil einer TV-Erzählung ist, die wie dieser Dark-Comedy-Sechsteiler in seiner Aussage hinreichend klar ist: Lass dich aus antiwestlicher Bullshit-Laune bloß nicht mit China ein, nicht zuletzt dein Volk wird es dir nicht danken.
Die Dynamik zwischen Schoenarts, der den maskulinen, sagenumwobenen und Rasputin-artigen Lover in Soldatenuniform mit brutalem Flair spielt, und Winslet trägt den Zuschauer durch diese Serie. Was haben wir gelacht? Joa, manchmal schon. Also, hin und wieder.
„The Regime“ ist ab dem 4. März auf Sky/Wow abrufbar.