Die letzte Staffel der Dramödie über eine US-Medien-Dynastie startet: als weiter härtester und komischster Familienstoff aller Zeiten.
Der Alte hat die Faxen endgültig dicke am Ende der letzten Staffel. Der eigenen Brut traut er, das ist hinlänglich klar geworden, eh rein gar nichts zu. Waystar RoyCo soll jetzt an Tech-Visionär Lukas Matsson (Alexander Skarsgård) verkauft werden. Super-Patriarch Logan Roy (Brian Cox), der aus Schottland eingewanderte Chef des rechten US-amerikanischen Medien-Konglomerats, zöge seinen Kindern damit erst mal die Grundlage ihrer Existenz weg. Gäbe es das Trendwort „Nepo-Babies“ für hochwohlgeborene Kinder berühmter und mächtiger Menschen noch nicht, für Kendall (Jeremy Strong), Siobhan (Sarah Snook), Roman (Kieran Culkin) und Conor (Alan Ruck) müsste er erfunden werden.
Wenn am 27. März auf Sky/Wow die vierte und finale Staffel von „Succession“ anläuft, geht es zum letzten Mal um die alles entscheidende Frage, wer Logan Roy, der gar nicht mal von so fern an den realen Medienmagnaten Rupert Murdoch erinnert, nach dessen Rücktritt nachfolgen soll. Klar dürfte sein, dass die komplett ehrgeizzerfressene Nachkommenschaft, die so unwürdig und kläglich um Liebe und Respekt des strengen Pater familias buhlt, vereint oder auch nicht die Strippen ziehen wird, um den Verkauf noch zu verhindern. Und während sie dies tut, wird sie genug Zeit haben, über ihren drohenden Bedeutungsverlust nachzudenken. Was soll aus den Roys werden, wenn das, was ihnen bislang Identität gab, plötzlich nicht mehr da ist?
„Succession“: Es regnete Emmys und Golden Globes
Die Brillanz der vom britischen Fernsehautor Jesse Armstrong kreierten Serie äußert sich seit je in den grandios agierenden Darstellern. Ob Matthew Macfadyen als Siobhans erfolglos um das Zentrum der Macht herumeiernder Ehemann Tom Wambsgans oder Nicholas Braun als erst allmählich abhärtender, naiver Cousin der Roy-Geschwister: Emmy- oder Golden-Globe-nominiert war praktisch jeder Darsteller aus der ersten Reihe dieser mit vielen Preisen dann auch tatsächlich ausgezeichneten Serie. Müsste man einen auswählen, der mit seinem Spiel dieses Spiel der Eitelkeiten auf ein noch mal neues Level hebt, dann wäre das wohl Jeremy Strong als Kaputt-Kendall: Der älteste Sohn aus Logan Roys zweiter Ehe ist hyperaktiv, teilautistisch, drogensüchtig und vermutlich der Klügste der Bande. Und der, der übertragisch am höchsten pokert und am tiefsten fällt. Der verstoßene Sohn, der dem Vater mit strategischen Zügen ebenbürtig ist, daran fast zerbricht und doch in dem Moment, in dem er am kältesten gegen Logan Roy intrigiert, für einen Bruchteil endlich dessen Anerkennung bekommt.
In dieser Erzählung, die genial und jetzt schon legendär zwischen Familiendrama und Machtsatire wandelt, hasst und liebt man jede Figur innig. „Succession“ ist wie „The Sopranos“ oder „The Wire“ eine wahrhaft große HBO-Serie, weil sie epische Figuren geschaffen hat. In so tiefer menschlicher Verzweiflung gefangen wie hier, so allein gelassen in einer Familienhölle waren jene aber noch nie.
Permanente Verletzlichkeit und gemeinste Attacken
Im verbalen Dauerfeuerwerk aus Ironie, Smartness und Zynismus, das sich der undurchsichtige Vater und seine opportunistischen Kinder um die Ohren hauen, zeigt sich die permanente Verletztheit oft in den gemeinsten Attacken. Selten wurde auf der Leinwand so gnadenlos vorexerziert, wie dysfunktionale Eltern mit ihren Makeln ihre Kinder zu emotional obdachlosen Individuen machen. Man kann nicht anders und wünscht „Succession“ aus purer Verwahrlosungserschöpfung ein völlig unwahrscheinliches kitschiges Ende.
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Logan Roy ist der härteste Vater, den man sich lieber nicht denken will. Es gibt, gerade weil die Roys so unbarmherzig miteinander umgehen, aber immer die Hoffnung auf den einen zarten Moment, den es ja auch in Shakespeares Dramen gibt. An deren Familienaufstellungen erinnert „Succession“ manchmal. Und außerdem an Game of Thrones, aber ohne Drachen.
„Succession“: Der reale Hass zwischen Liberalen und Konservativen
„Succession“ ist natürlich auch ein böses Porträt des gegenwärtigen Amerika und seiner Eliten. Genau so berechnend wie hier stellt man sich die mächtigen Lobbyisten und Meinungsmacher vor. Der reale Krieg und der reale Hass zwischen Liberalen und Konservativen ist die Unterströmung der Konflikte, die im Kampf um das fiktive Medienhaus Waystar RoyCo toben. Nach dann knapp 40 Folgen wird „Succession“ im Frühsommer Geschichte sein. So gern man diesen Höhepunkt TV-seriellen Schaffens noch länger auf der Watchlist hätte, so richtig dürfte diese Entscheidung sein. Bis hierhin war „Succession“ nämlich unverschämt perfekt, also ohne jegliche Länge und Redundanz.
„Succession“ ab 27.3. wöchentlich auf Sky oder Wow