Hamburg. Zugezogene Schnösel in Hongkong, ein großer Verlust, ein Schuldkomplex: Eine Sechsteiler erzählt von Gastarbeitern und ihren Dramen.

In den besseren Momenten ist „Expats“ ansatzweise ein Sittenbild der internationalen Schickeria, die in Hongkong überprivilegiert rauschende Feste feiert und opulente Dinnerabende veranstaltet. Während draußen die gegen China gerichtete Demokratiebewegung zugange ist, mit jungen Leuten, die mehrheitlich westlich orientiert sind. Neben den Studenten sind es noch mehr die Bediensteten, die in dem im Jahr 2014 spielenden Sechsteiler in den Blick rücken – und doch sind die Einheimischen hier grundsätzlich nur Randfiguren. Die Amazon-Prime-Produktion beruht auf der Romanvorlage von Janice Y. K. Lee („The Expatriates“), und die konzentriert sich vor allem auf die aus dem Westen stammenden Gastarbeiter der Eliteklasse.

Im Falle von Margaret ist es die Frau eines amerikanischen Karrieristen Clarke (Brian Tee), die im Ausland aber selbst eher nicht arbeitet. Landschaftsarchitekten wie sie braucht man in der gigantischen Sieben-Millionen-Sonderverwaltungszone nicht. Also ist sie auf ihren Job als Mutter zurückgeworfen. Nicole Kidman („Big Little Lies“), als Produzentin neben der in China geborenen amerikanischen Regisseurin Lulu Wang die treibende Kraft des Projekts, spielt die unglückliche Frau mit einem gewissen Minimalismus. Ehrlicherweise ist der faltenlose, kühle Auftritt Kidmans nicht überzeugend. Auch von den ganzen Annehmlichkeiten des Nobel-Elends, natürlich gibt es ein Kindermädchen, wirkt sie wie paralysiert. Das wiederum könnte intendiert sein.

Amazon-Mehrteiler „Expats“: Nicole Kidmans fehlende Präsenz

Dabei hat Margaret ein unfassbares Trauma erlitten. Dieses bildet das Zentrum der dramatischen Story, die versucht, unter Extremzuständen eine allgemeine Geschichte der vorübergehenden, zeitlich befristeten Arbeitsmigration zu erzählen. Was dann auch, neben Kidmans wenig überzeugender Präsenz in ihrer Rolle, das Problem von „Expats“ ist: dass der Stoff ziemlich überfrachtet ist.

Es sind zwei weitere Frauen, an deren Beispiel vom überseeischen Leben jenseits der Heimat berichtet wird. Zum einen die koreastämmige New Yorkerin Mercy (eine Entdeckung: Ji-young Yoo), die als haltlose junge Frau auf Jobsuche, die sich einredet, sie sei „verflucht“, mit Margarets Verlust unmittelbar etwas zu tun hat. Zum anderen die kinderlose Hilary (Sarayu Blue), die hedonistisch lebt und mit dem späten Kinderwunsch ihres Mannes (Jack Huston) konfrontiert ist. Das ist dann blöd, wenn man so gar keine körperlichen und gefühlsmäßigen Regungen in diese Richtung hat.

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Die Wege der Protagonistinnen kreuzen sich; sie sind Verbündete und Gegnerinnen zugleich. Dass sie, im Falle von Margaret und Mercy auch um denselben Verlust Trauernde sind, wirkt derweil meist lediglich wie eine Behauptung. Interessanterweise hinterlassen jedoch gerade die mit einigem dramaturgischem Getöse in die metropolische Leere gestellten längeren Phasen des Schweigens (etwa bei einer Autofahrt durch die urbane Szenerie) die stärkste Wirkung. Alles sehr gewollt, funktioniert trotzdem.

Ji-young Yoo als Mercy (rechts): Auch die Studenten-Proteste gegen Chinas Politik spielen in „Expats“ eine Rolle. Die Protestierenden schützten sich 2014 mit Regenschirmen gegen das von der Polizei eingesetzte Pfefferspray.
Ji-young Yoo als Mercy (rechts): Auch die Studenten-Proteste gegen Chinas Politik spielen in „Expats“ eine Rolle. Die Protestierenden schützten sich 2014 mit Regenschirmen gegen das von der Polizei eingesetzte Pfefferspray. © Amazon Prime Video/ MGM Studios | Amazon Prime Video/ MGM Studios

Die Bilder der Stadt sind nett eingefangen, werden aber genauso wenig in Erinnerung bleiben wie die schlappen Sätze der Selbstzerquälung („Waren wir zu gierig?“), die sich das verzweifelte Expats-Ehepaar Margaret und Clarke müde entgegenhält. Als berührende Erzählung über Trauer und Verlust bleibt die sechsteilige Mini-Serie meistens nur ein Versuch. Man hätte sich mehr die Gegenperspektive gewünscht: Wie blicken die Einheimischen eigentlich auf die Snobs und Bestverdiener, die sie ihre Luxuskarossen chauffieren lassen, aber schon am nächsten Morgen vergessen haben, dass sie ihnen im Suff das Du angeboten hatten?

Vielleicht wäre „Expats“ allemal besser gelungen, entwickelte man mehr Sympathie für und Mitgefühl mit Kidmans Margaret.

„Expats“ ist ab 26.1. auf Amazon Prime abrufbar.