Hamburg. Grund für die Neuordnung liegt in der Überlastung von Krankenhäusern, Feuerwehr und Arztpraxen.

Der Rettungsdienst für medizinische Notfälle in Hamburg wird neu organisiert. Feuerwehr und Kassenärztliche Vereinigung (KV) sollen dabei enger zusammenarbeiten, die Patientinnen und Patienten besser in die für sie geeigneten Einrichtungen gelotst werden. Nach Informationen des Abendblatts sind die Pläne dafür weit fortgeschritten.

Der Grund für die Neuordnung liegt in der Überlastung der Krankenhäuser, der Feuerwehr und der Arztpraxen. Zudem sehen Experten eine immer häufigere „falsche oder fehlgeleitete Inanspruchnahme“ von Notaufnahmen. Das bedeutet: Kranke kommen auf Eigeninitiative in die Kliniken, ohne vorher einen Haus- oder Facharzt gesehen zu haben. Beim Notruf 112 melden sich außerdem zu viele Patienten, die beim fahrenden Notdienst der KV (116 117) oder in einer Notfallambulanz der Kassenärzte besser aufgehoben wären.

Feuerwehr Hamburg: Rettungsdienst und Notaufnahmen überlastet

Weder die Innenbehörde noch die Ärztevereinigung wollten die Pläne bestätigen. Ein KV-Sprecher sagte dem Abendblatt: „Wir sind derzeit noch mit den beteiligten Institutionen im Gespräch.“

Hintergrund des Problems: Die Stadt wächst, und Hamburg altert wie ganz Deutschland. Das erfordert mehr medizinische Leistungen und erhöht das Aufkommen von Rettungsfahrten. Da aber gerade in den Krankenhäusern aufgrund von Personalmangel immer wieder Intensivstationen und Betten gesperrt sind, muss die Notfallversorgung zwischen den Kliniken und den Praxen besser verzahnt werden. Das hatte schon ein Krisengipfel im vergangenen Winter ergeben, als Grippewellen, Corona und eine Vielzahl von Atemwegserkrankungen das „System“ in die Knie zwang

In der Rettungsleitstelle der Feuerwehr ist die Zahl der Mitarbeiter von 112 (2021) auf jetzt 148 aufgestockt worden. Für das vierte Quartal 2023 sind elf weitere Rettungswagen im Tagesdienst vorgesehen, dazu einer, der rund um die Uhr fahren kann. Die Leitstelle soll in Zukunft die Menschen mit nicht lebensbedrohlichen Erkrankungen, die vermutlich nicht in ein Krankenhaus gehören, „gezielt“ an den KV-Notdienst übergeben.

Notruf 112: Abfrage bei Patientinnen und Patienten geändert

Die „Notrufabfrage“, also der Dialog zwischen Leitstelle und Patient, wurde bereits geändert und wird es wohl weiter. Von März bis Juni dieses Jahres soll allein diese Maßnahme nach internen Behördeninformationen dazu geführt haben, dass die „arztbesetzten Rettungsmittel“ um sieben Prozent weniger oft losfahren mussten. Im kommenden Jahr, so das Ziel, sollen zusätzlich 30.000 Einsätze an die KV abgegeben werden.

Die letzten verfügbaren Zahlen zu den Alarmierungen in der Notfallrettung sehen so aus:

  • 3. Quartal 2022: 84.648 Einsätze
  • 4. Quartal 2022: 85.903 Einsätze
  • 1. Quartal 2023: 77.069 Einsätze
  • 2. Quartal 2023: 80.157 Einsätze.

Die leicht gesunkenen Zahlen können ein Grund dafür sein, dass auch die „Erfüllungsquote Eintreffzeit“ wieder gestiegen ist. Im vierten Quartal 2022, als die Erkrankungswellen durch Hamburg rollten, kamen 88 Prozent der Notärzte innerhalb von 15 Minuten zum Einsatzort. Am Ende des ersten Halbjahres 2023 waren es 93 Prozent.

Feuerwehr: Mehr Verantwortung für Notfallsanitäter – und mehr Geld

Auch die Feuerwehr Hamburg ringt um Fachkräfte. Um den Job attraktiv zu halten, wurden zuletzt die Erschwerniszuschläge für Notfallsanitäter angehoben. Sie sollen künftig auch mehr Verantwortung tragen und eigenständige Entscheidungen darüber treffen, ob ein Patient in die Notaufnahme oder in eine andere ärztliche Versorgung kommt. Von 2024 an gibt es zwei Euro pro Stunde dazu. Der Betrag steigt bis 2026 auf drei Euro. So können 200 bis 300 Euro mehr am Monatsende dabei herauskommen.

Das Hamburger Rettungsdienstgesetz wird derzeit überarbeitet. Nach Abendblatt-Informationen ist aus dem Entwurf ein ganzer Passus verschwunden, der sich mit der Neuordnung für den Ärztlichen Leiter (ÄLRD) beschäftigte. Wie es in einem ersten Entwurf hieß, solle der ÄLRD zu 20 Prozent bei der Feuerwehr und zu 80 Prozent in einem Krankenhaus angestellt sein. Nach erheblicher politischer Aufregung und scharfer Kommentierung auch aus dem UKE ist diese Regelung in einer weiteren Abstimmungsrunde zwischen den Beteiligten entfernt worden.

Notruf-Leitstellen sollen digitaler werden

Wie es hieß, solle die Unabhängigkeit des Ärztlichen Leiters nicht infrage gestellt werden. Bei einer weitgehenden Anstellung in einem Krankenhaus hätten möglicherweise die Interessen dieses Arbeitgebers denen der Feuerwehr entgegenstehen können.

Auch technisch sollen die Leitstellen aufgerüstet werden. Mit neuen digitalen Hilfsmitteln sollen die einzelnen Krankenhäuser und die Auslastung ihrer Notfall-relevanten Einrichtungen aktueller und auf einen Blick dargestellt werden: Wo ist ein Schockraum frei? Ist das Herzkatheterlabor belegt? Wie ist die Auslastung der Intensivstationen? Das soll minutenaktuell verfügbar sein. Zuletzt hatten Abmeldungen von der Notfallversorgung für Diskussionen und parlamentarische Anfragen gesorgt.