Hamburg. Hundesteuer umlegen, Katzen kastrieren, Hundeführerschein, Grundstück für neues Tierheim: was der Zehn-Punkte-Plan vorsieht.
Die Hamburger Tierschutzorganisationen funken SOS: Dem Tierschutz stehe in der Hansestadt „das Wasser bis zum Hals“. Die überwiegend aus privaten Spenden finanzierten Tierschutzorganisationen „stünden vor existenzieller Not“, heißt es in einem Papier, das jetzt 13 Vereine und Organisationen unterzeichnet haben, darunter der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. (HTV), das Franziskus Tierheim Hamburg, „Vier Pfoten“ und die Tiertafel. Am kommenden Freitag, 11. August, um 11 Uhr wollen die Tierschützer gemeinsam vor dem Hamburger Rathaus protestieren und ihre Forderungen präsentieren.
Die Initiatoren haben einen „Zehn-Punkte-Plan zur Existenzerhaltung des Tierschutzes in Hamburg“ erarbeitet. Ihre wichtigsten Forderungen: Tierheime und Tierschutzeinrichtungen sollen von der Stadt mindestens 50 Prozent der Hundesteuer erhalten, um damit den laufenden Betrieb der Einrichtungen zu finanzieren. In Hamburg gab es Anfang 2023 insgesamt 62.336 Hundebesitzer, im vergangenen Jahr nahm die Stadt laut Finanzbehörde 5,37 Millionen Euro Hundesteuer ein. Die Mittel sollen in den Haushaltsplan eingestellt werden. Außerdem soll die Stadt dem Tierschutzverein noch in diesem Jahr ein Gelände für den Neubau des Tierheims Süderstraße zur Verfügung stellen und mindestens 50 Prozent der Baukosten für das neue Gebäude übernehmen.
Tierschutz: Tierheim Süderstraße völlig marode – Geld fehlt
Hintergrund: Das Tierheim an der Süderstraße ist, wie berichtet, extrem marode. „Kein Gebäude unseres Tierheims ist heil – jetzt trifft uns der Sanierungsstau der vergangenen Jahre besonders stark, denn die Kosten für Handwerker und Material sind extrem gestiegen“, sagte die erste Vorsitzende des HTV, Janet Bernhardt, dem Abendblatt erst im Mai. Allein die Sanierung des alten Katzenhauses werde eine siebenstellige Summe kosten.
Wie auf der Hauptversammlung bekannt wurde, hat der Hamburger Tierschutzvereins 2022 ein Defizit von deutlich mehr als einer Million Euro gemacht – und gerät dadurch trotz Rücklagen in finanzielle Schieflage. Als Ursachen nennen die Tierschützer besagte „finanziell herausfordernde Bauprojekte“ im Tierheim Süderstraße sowie steigende Kosten für Futtermittel, Personal und Tiermedizin.
„Erfüllen staatliche Aufgaben mit Spendengeldern“
Die besondere Crux: Der Tierschutzverein ist von der Stadt vertraglich beauftragt, herrenlose Tiere aufzunehmen, bekommt dafür nach eigener Ansicht viel zu wenig Geld. Derzeit sind es jährlich rund zwei Millionen Euro. Das vom Tierschutzverein betriebene Tierheim Süderstraße ist die zentrale Anlaufstelle, wenn in der Stadt Tiere von ihren Haltern nicht mehr versorgt werden können. Vereinschefin Bernhardt nannte den Zustand inakzeptabel: „Wir zahlen drauf und subventionieren die Stadt – mit Spendengeldern, um staatliche Aufgaben zu erfüllen.“
Um den Druck auf die Stadt zu erhöhen, hatte der Tierschutzverein in einem Paukenschlag angekündigt, den Vertrag mit der Stadt Hamburg zum Jahresende zu kündigen – mit Verweis auf das „bisherige krasse Missverhältnis zwischen Leistung des HTV und Gegenleistung der Stadt“.
Einigung zwischen Stadt und Tierschutzverein: mehr Geld
Laut Hamburger Behörde für Justiz und Verbraucherschutz, zuständig für das Tierheim Süderstraße, hat sich die Stadt mit dem Verein inzwischen geeinigt. „Die Verhandlungen über eine Erhöhung der Entgelte sind erfolgreich abgeschlossen“, sagte Behördensprecher Dennis Sulzmann auf Abendblatt-Anfrage. Die Behörde sei gerade dabei, die entsprechende Drucksache zu erstellen, mit der sich dann der Senat befassen werde. Offenbar erhalten die Tierheimbetreiber mehr Geld.
In ihrem Zehn-Punkte-Plan fordern die Tierschützer nun aber auch die Hälfte der Hundesteuer zur Finanzierung des laufenden Betriebs der Einrichtungen. Zudem soll es eine „aktualisierte und realitätsbezogene Ausarbeitung einer Regelung der Kostenübernahme für Fundtiere“ sowie die „Verlängerung der in 20 Jahren ablaufenden Erbpacht der Hamburger Tierheime“ geben. Es müssten Kapazitäten für die Versorgung und Auswilderung von in der Hansestadt aufgefundenen Wildtieren geschaffen und diese realistisch finanziell unterstützt werden.
Tierschützer wollen Hundeführerschein und Kastrationspflicht für Katzen
Zu den Forderungen der Tierschützer gehören auch die Bereitstellung einer Ausgabemöglichkeit für die Hamburger Tiertafel, die Einführung einer Sozialsprechstunde für ältere, finanzschwache Tierhalter. Auch solle die Stadt eine Katzenschutzverordnung einführen mit der Pflicht, Katzen mit Freigang kastrieren zu lassen.
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Die Organisationen verlangen die Einführung eines Hundeführerscheins, der Voraussetzung sein soll, um sich überhaupt einen Hund anzuschaffen. Zudem wollen sie die Rasseliste für Hunde in Hamburg abschaffen und dafür eine Gefahrenhundeverordnung etablieren, „die den Realitäten angepasst greifen kann“.
Tierschutz soll an Hamburgs Schulen unterrichtet werden
Der Onlinehandel mit lebenden Tieren soll verboten und die Strafen für illegalen Handel mit Hunden und Katzen erhöht werden. Sie fordern die Einrichtung einer Stelle für Tierschutzkoordination durch die Stadt sowie von Taubenschlägen in Hamburg. Schließlich soll Tierschutz an Hamburger Schulen in den Unterricht aufgenommen werden.
„So kann es nicht weitergehen. In einer so reichen Stadt wie Hamburg haben wir sonst bald apokalyptische Zustände, und es gibt herrenlose Hunde und Katzen, die nach Futter betteln und Hamburgs Straßen bevölkern“, erklärt Frank Weber, Leiter des Franziskustierheims. „In Hamburg sollte der Senat die Finanzierung der Tierheime übernehmen sowie 50 Prozent aus der Hundesteuer für den Tierschutz aufwenden.“ Damit könne die Not der Tiere etwas gelindert werden.