Hamburg. Traurige Bilanz: Schon vor den Sommerferien kamen 212 Tiere in die Süderstraße. Dabei gehen einige Halter besonders dreist vor.

Fly, Champ, Lars, Gundula und Lucky teilen ein trauriges Schicksal – es sind alles Haustiere, die bereits kurz vor den Sommerferien im Tierheim Hamburg an der Süderstraße als Fundtiere abgegeben oder ausgesetzt worden sind. Es sind damit die ersten Ferienopfer in diesem Jahr – und bereits erschreckend viele. Dabei sind Hamburgs Tierheime laut dem Tierschutzverein schon jetzt am Limit.

In diesem Jahr wurden seit dem 1. Juni schon 212 Tiere in Hamburg mutmaßlich ausgesetzt aufgefunden und ins Tierheim Süderstraße des Hamburger Tierschutzverein von 1841 e. V. (HTV), das schon länger um seine Existenz kämpft, gebracht beziehungsweise vom vereinseigenen Tierrettungsdienst abgeholt.

Tierheim Hamburg: 74 Katzen, 35 Kleinsäuger, 60 Vögel, 14 Schildkröten ausgesetzt

Die Dunkelziffer schätzen die Tierschützerinnen und Tierschützer aber noch wesentlich höher ein. Denn es werden nicht alle Tiere rechtzeitig gefunden, und manche von ihnen sterben im Verborgenen. Unter den mutmaßlichen ausgesetzten Tieren sind derzeit sieben Hunde, 74 Katzen, 35 Kleinsäuger, 60 Vögel, 14 Schildkröten, ein Gecko, eine Python und sogar etwa 20 Fische in einem Aquarium.

Die Erfahrung der vergangenen Jahre zeigt, dass die Zahl ausgesetzter Tiere während der großen Ferien weiter ansteigen und Spitzenwerte von mehr als 50 Fällen pro Woche erreichen können, heißt es aus dem Tierheim Süderstraße.

Unterkunft für Katzen quillt bereits über – es droht ein Aufnahmestopp

„Wie in jedem Jahr machen wir uns auf mehr Tieraussetzungen während der Hamburger Sommerferien gefasst. Derzeit quellen vor allem unsere Katzenunterkünfte über, und wir hoffen, dass wir ohne Katzenseuche oder ähnlich schlimme Krankheiten durch den Sommer kommen – schlimmstenfalls müssen wir einen Aufnahmestopp verhängen“, sagt die Erste Vorsitzende des HTV, Janet Bernhardt. Gerade das Katzenhaus, aber auch viele andere Gehege sind in einem maroden Zustand.

Die junge Spitz-Mischlingshündin Fly wurde am 24. Juni in Hamburg-Wilhelmsburg gefunden. Die Polizei brachte sie ins Tierheim Hamburg an der Süderstraße.
Die junge Spitz-Mischlingshündin Fly wurde am 24. Juni in Hamburg-Wilhelmsburg gefunden. Die Polizei brachte sie ins Tierheim Hamburg an der Süderstraße. © HTV

Zu den Ferienopfern, die vermutlich vor dem Sommerurlaub lästig und deshalb ausgesetzt wurden, gehört beispielsweise die junge Spitz-Mischlingshündin Fly, die am 24. Juni am Niedergeorgswerder Deich in Hamburg-Wilhelmsburg gefunden wurde. Die Polizei brachte sie ins Tierheim. Fly ist vermutlich Ende 2022 geboren. Da kein Chip zu finden war, ist ihre Herkunft nur schwer zu ermitteln.

Katze dreist ausgesetzt – Tierheim Hamburg bittet um Hinweise

Oder Champ: Der Spitz-Mischling wurde Ende Juni in Hamburg-Hamm in einem Kleingarten gefunden. Sein Chip nützt dem etwa vierjährigen Rüden nichts, denn die Nummer wurde nicht registriert. Da Champ am Fundort ein Geschirr trug und bisher niemand den Kleinen vermisst, liegt die Vermutung nahe, dass er nicht mehr gewollt war und deshalb ausgesetzt wurde.

Der Spitz-Mischling Champ wurde Ende Juni in Hamburg-Hamm in einem Kleingarten gefunden. Da der Rüde am Fundort ein Geschirr trug und bisher niemand den Kleinen vermisst, liegt die Vermutung nahe, dass er nicht mehr gewollt war und deshalb ausgesetzt wurde.
Der Spitz-Mischling Champ wurde Ende Juni in Hamburg-Hamm in einem Kleingarten gefunden. Da der Rüde am Fundort ein Geschirr trug und bisher niemand den Kleinen vermisst, liegt die Vermutung nahe, dass er nicht mehr gewollt war und deshalb ausgesetzt wurde. © HTV

Besonders dreist wurde ein etwa zweijähriger, weißer Langhaarkater allein gelassen: Am 26. Juni wurde Lars – wie er bekommen alle Fundtiere von Tierheimmitarbeitern einen Namen – in einer Transportbox im Eingangsbereich des Tierheims abgestellt.

Die Person war schlecht zu erkennen, die Tierheimmitarbeiter ermitteln noch und sind für Hinweise dankbar. Ein Chip war beim Kater nicht zu finden. Neben der Box stand noch eine Tasche mit Katzenzubehör – es ist also offensichtlich, dass Lars in seiner Familie nicht mehr erwünscht war.

Ausgesetzte Tiere sind zum Teil schlecht gepflegt und haben verfilztes Fell

Ein ähnliches Schicksal teilt Gundula, eine graue, weibliche Katze mit weißen Stichelhaaren an der Brust. Sie wurde am 8. Juli vor der Tür des Tierheims in einer Box abgestellt. Sie ist adipös und hat verfilztes Fell. Gundula wurde etwa 2016 geboren, ein Chip war bei ihr nicht zu finden.

Der graue Maine-Coon-Kater Lucky wurde am 6. Juli am U-Bahnhof Steinfurther Allee in Hamburg-Billstedt gefunden. Er wurde in einer Box mit Futter und Katzenspielzeug ausgesetzt. Der etwa 2019 geborene, kastrierte Kater wurde schlecht gepflegt – er hat stark verfilztes Fell. Ein Chip war nicht vorhanden.

Ausgesetzt vor den Ferien – für 39 Tiere kam jede tierärztliche Hilfe zu spät

Der graue Maine-Coon-Kater Lucky wurde am 6. Juli am U-Bahnhof Steinfurther Allee in Hamburg-Billstedt gefunden. Er wurde in einer Box ausgesetzt.
Der graue Maine-Coon-Kater Lucky wurde am 6. Juli am U-Bahnhof Steinfurther Allee in Hamburg-Billstedt gefunden. Er wurde in einer Box ausgesetzt. © HTV

Für 39 Tiere (acht Katzen, zehn Kleinsäuger, 20 Vögel und eine Schildkröte) kam jede Hilfe zu spät: Sie verstarben noch auf dem Weg zur tierärztlichen Versorgung, starben trotz einer Behandlung oder mussten eingeschläfert werden.

Wer Angaben zu diesen oder weiteren Tieraussetzungen machen kann, wendet sich bitte telefonisch an die Tierschutzberatung des HTV: (040) 211 10 6-24/-12 oder per E-Mail an tierschutzberatung@hamburger-tierschutzverein.de.

Tierheim Hamburg: Wer sein Tier aussetzt, nimmt dessen Tod in Kauf

Die Hinweise werden vertraulich behandelt. Janet Bernhardt: „Wer sein Tier aussetzt, nimmt dessen Leid oder sogar Tod in Kauf. Wer sein Tier nicht mehr versorgen kann oder möchte, sollte ein Mindestmaß an Verantwortung übernehmen und seinem Tier ein neues Zuhause suchen – notfalls ein vorübergehendes wie unser Tierheim.“