Hamburg. Weil es im Streit um Geld keine Einigung mit der Stadt gibt, wollen die Tierschützer ihren Vertrag nun kündigen.

  • Im Tierheim an der Süderstraße werden auch Tiere versorgt, die von Amts wegen ihren Besitzern weggenommen wurden
  • Doch für diese Leistungen bekomme der Tierschutzverein viel zu wenig Geld, so die Tierschützer
  • Es stehen viel dringende und teure Arbeiten an, zudem stünden Leistung Bezahlung in "krassem Missverhältnis"

Es geht ums Tiere in Not und einen Poker um Geld: Der Hamburger Tierschutzverein von 1841 e.V. (HTV), der das Tierheim an der Süderstraße betreibt, will den Vertrag mit der Stadt Hamburg über die Aufnahme und Versorgung von Fund- , Verwahr- und Beobachtungstieren zum Ende des Jahres kündigen. Grund sei das „bisherige krasse Missverhältnis zwischen Leistung des HTV und Gegenleistung der Stadt.“ Der HTV widerspricht nun einer Behördenäußerung, wonach die Verhandlungen noch liefen. "Wir haben mehr als ein Jahr ergebnislos verhandelt", so Dr. Gabriele Waniorek-Goerke, 2. Vorsitzende des HTV.

Tierheim Süderstraße: Seit Jahrzehnten landen dort Fundtiere

Seit vielen Jahrzehnten ist das Tierheim an der Süderstraße die zentrale Anlaufstelle, wenn in der Stadt Tiere von ihren Haltern nicht mehr versorgt werden können. Diese sogenannten Abgabetiere kommen dann in die Süderstraße. Dort werden sie aufgenommen und in ein neues Zuhause vermittelt.

Zum anderen versorgen die Mitarbeiter dort als Dienstleister auf vertraglicher Grundlage im Auftrag der Stadt Tiere, die aufgrund gesetzlicher Verpflichtung oder behördlicher Entscheidung in staatliche Obhut genommen werden müssen (Fund-, Verwahr- und Beobachtungstiere).

Dr. Urte Inkmann, tierärztliche Leitung, zeigt, wie baufällig das Hundehaus ist.
Dr. Urte Inkmann, tierärztliche Leitung, zeigt, wie baufällig das Hundehaus ist. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

Doch damit soll nun Schluss sein. Weil die Gebäude des Tierheims, das in den 1960er-Jahren auf einer ehemaligen Mülldeponie gebaut wurde, marode seien und es daher zu Kapazitätsengpässen komme, fehle es an Platz.

„Darauf weisen wir die Behörden seit vielen Jahren hin. Diese Zustände treffen jetzt auf einen durch den Ukrainekrieg, Corona und einen wirtschaftlichen Abstieg breiter Bevölkerungskreise erhöhten Unterbringungsbedarf von Haustieren“, heißt es in einer Mitteilung des HTV. Die Folge waren immer wieder Aufnahmestopps, Tiere mussten an andere Tierheime weitergeleitet werden.

Tierheim muss Kapazitäten für Fund-, Verwahr- und Beobachtungstiere bereithalten

Weil das Tierheim mit der Stadt einen Vertrag über die Aufnahme von Fund-, Verwahr- und Beobachtungstieren eingegangen sei, müsse der HTV mindestens 80 Prozent und mehr der Tierheimkapazitäten für eben diese Tiere bereithalten.

„Der Vertrag lässt uns kaum eigenen Handlungsspielraum“, heißt es weiter. Abgabetiere von Bürgerinnen und Bürgern konnten so nur noch ausnahmsweise in tierschutzrelevanten Fällen aufgenommen werden. „Wir arbeiten derzeit für die Stadt nicht annähernd kostendeckend, da wir jedes Jahr ungefähr sechs Millionen Euro für den Tierheimbetrieb ausgeben, aber nur rund zwei Millionen Euro dafür als vertragliche Gegenleistung von der Stadt erhalten.“

Die Stadt Hamburg, so weiter, profitiere davon, dass der HTV mit Hilfe von Spendengeldern den Tierheimbetrieb aufrechterhalte.

Tierschutzverein droht Behörde mit Vertragskündigung

Verhandlungen mit der zuständigen Behörde für Verbraucherschutz um eine Vertragsanpassung hätten nichts gebracht. „Ein konkretes Angebot zur Vertragsanpassung haben wir bislang nicht erhalten.“ Daher der Entschluss, den Vertrag mit der Stadt Hamburg fristgerecht zum Ende des Jahres 2023 zu kündigen.

„Uns blieb keine andere Wahl, da wir nicht auch noch über das Jahr 2023 hinaus an diesem für uns extrem defizitären Vertrag festgehalten werden wollen.“ Eine kleine Tür lässt sich der HTV aber noch offen und bietet der Stadt an, weiterhin über einen fairen Vertrag verhandeln zu wollen.

Behörde: Derzeit werden Vertragsverhandlungen geführt

Der Sprecher der zuständigen Behörde für Verbraucherschutz zeigt sich überrascht von der Kündigung, da die Stadt derzeit mit dem HTV noch verhandele: "Wir wissen, dass der HTV den Vertrag ändern möchte. Einzig der Zeitpunkt dieser Kündigung ist überraschend: Wir befinden uns schon längst in Vertragsverhandlungen mit dem Verein", so Dennis Sulzmann.

Bei diesen Verhandlungen gehe es unter anderem auch um die Höhe der Erstattung für Leistungen, die der HTV für die Stadt erbringt. Sulzmann: "Das nächste Gespräch ist für Mitte März geplant. Ein neuer Vertrag würde ab 2024 gelten, bis dahin ändert sich nichts. Also alle Tiere verbleiben dort." Die geplante Aufstellung von Containern zur Kapazitätserweiterung sei nicht Inhalt dieses Vertrags und werde weiterhin verfolgt.

Tierschutzverein: Verhandlungen mit Behörde aber ergebnislos

Die Tierschützer sind wiederum verwundert über diese Darstellung der Behörde. Denn aufgrund der Kündigungsfristen sei eine Vertragsauflösung nur jetzt möglich: „Wir haben mehr als ein Jahr ergebnislos verhandelt. Es ist Bestandteil des Vertrages, dass wir nur einmal im Jahr zum Ende des Jahres kündigen können. Die Kündigungsfrist beträgt acht Monate. Der letzte Termin zur Kündigung mit Wirkung zum Ende des Jahres 2023 ist also der 31. März 2023", sagt Dr. Gabriele Waniorek-Goerke, 2. Vorsitzende des HTV.

Bei dem letzten Gespräch Anfang Februar 2023 erhielte der Hamburger Tierschutzverein die Information, dass über die finanziellen Mehrbedarfe des HTV frühestens im Mai/Juni 2023 – also deutlich nach dem letzten Termin zur Kündigung – eine Entscheidung erfolgen könne.

CDU: Tierschützer sind keine Bittsteller

Dazu Sandro Kappe, tierschutzpolitischer Sprecher der CDU-Bürgerschaftsfraktion: Der HTV sei kein Bittsteller, sondern ein Partner der Stadt. Denn: "Ohne den HTV kann der Senat seiner Aufgabe, die aufgegriffenen Tiere artgerecht unterzubringen, nicht nachkommen. Wer Vertragspartner derart im Stich lässt, braucht sich über entsprechende Konsequenzen nicht zu wundern."

Stephan Jersch, tierschutzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKEN in der Hamburgischen Bürgerschaft hält die Entscheidung des HTV für richtig. "Die durch das Nichthandeln des Senats zur Finanzierung der gesetzlich vorgeschriebenen Tierschutzaufgaben entstandene Notlage ist prekär, und der Bezirk Mitte hat die Bau- und Ersatzplanungen für ein saniertes oder verlagertes Tierheim über Jahre verzögert. Aber noch ist Zeit, den Vertrag mit guten Konditionen und einer Priorisierung der Sanierungs- oder Verlagerungspläne neu abzuschließen."