Hamburg. Über Teilen Hamburgs ging heftiger Regen nieder. Das kann die Lage noch verschärfen. Umweltbehörde überrascht mit Appell.
Nach wochenlanger Trockenheit wächst die Sorge um Hamburgs Natur. Der Starkregen der vergangenen Tage dürfte da kaum helfen, um der Dürre Herr zu werden. Im neuen Meldeportal der Umweltbehörde berichten Bürgerinnen und Bürger bereits über eine größere Zahl trockengelaufener Bäche in Hamburg – insbesondere im Norden und Osten der Stadt.
Die Hamburger Umweltbehörde fürchtet Blaualgenblüten besonders in stehenden und langsam fließenden Gewässern. Auch Rasenflächen, Grünanlagen und Bäume leiden unter dem ausbleibenden Niederschlag. Doch die Umweltbehörde überrascht mit einem auf den ersten Blick unerwarteten Appell an die Bürger: Straßenbäume bitte nicht gießen!
Wetter Hamburg: Umweltbehörde warnt davor, ältere Bäume zu wässern
„Größere Bäume und ältere Bestandsbäume können und sollten nicht regelhaft gewässert werden“, sagt David Kappenberg, stellvertretender Sprecher der Hamburger Umweltbehörde, auf Anfrage des Abendblatts als Empfehlung an die Hamburgerinnen und Hamburger: Die größeren und älteren Bäume müssten sich selbst mit Wasser aus den tieferen Bodenbereichen versorgen, indem sie darin wurzeln.
„Oberflächliche Wassergaben würden die Wurzeln nicht erreichen und zum größten Teil unwirksam abfließen oder verdunsten, oder sie regen den Baum zur Neubildung von oberflächennahen Feinwurzeln an – die dann gegebenenfalls eintrocknen, wenn nicht stetig gegossen wird“, so Kappenberg. „Das wäre kontraproduktiv für den Baum.“ Eine Auffüllung solcher tieferen Bodenwasservorräte durch künstliche Bewässerung von oben sei praktisch nicht möglich.
Wetter: So gießt man Jungbäume bei Hitze richtig
Aber: Wenn die Hitze- und Trockenphasen sehr lange anhalten und die Bäume vielfach Trockenstresssymptome zeigen, werden auch die Hamburgerinnen und Hamburger aufgerufen – ihre Jungbäume vor der Tür zu gießen: „Es kann durchaus sinnvoll sein, den Jungbäumen vor der Tür ein paar Eimer Wasser zu spendieren, wenn diese welke, hängende Blätter zeigen“, so Kappenberg.
Hier gelte die Regel: Lieber mehr auf einmal als öfter kleine Mengen (ca. 8 bis 10 Eimer voll in die Bewässerungsmulde, dies circa einmal in der Woche, morgens oder abends, möglichst kein Aufhaken der Erde in der Baumscheibe). Optimal sei es, wenn zum Gießen Brauch- und Brunnenwasser verwendet werde, um Trinkwasser zu sparen.
Trockenheit – wie sich die Bäume selbst schützen
Generell gehe es den mehr als 226.000 Straßenbäumen in der Stadt nicht schlecht – auch wenn es keine direkte Erhebung gibt. „Es sind aktuell relativ wenige Reaktionen zu erkennen, dass die Straßenbäume mit der Hitze und der längeren Trockenheit sehr zu kämpfen haben“, so Kappenberg. Der Winter und das Frühjahr waren in Hamburg relativ regenreich, in den Nächten kühle es noch relativ gut ab, was gut für die Bäume sei.
Ihnen stünden zudem verschiedene biologische Strategien zur Verfügung, um mit solchen Phasen umzugehen (z. B. Senkung der Verdunstung durch Schließen der Spaltöffnungen, Einrollen der Blätter, drehen von behaarten Blattunterseite nach oben, Teilabwurf Laub ... usw.) und die Verdunstung und ihren Wasserbedarf zu senken.
Diese Bäche und Gewässer in Hamburg sind bereits ausgetrocknet
Anders sieht es bei Bächen und Gewässern aus: In dem neuen Meldeportal, das die Umweltbehörde erst vor Kurzem etabliert hat, haben Bürgerinnen und Bürger bereits eine größere Zahl von sehr trockenen oder sogar ausgetrockneten Bächen eingestellt. So führe der Oberlauf der Mellingbek nördlich des Eichelhäherkamps kein Wasser mehr, schreibt ein Hamburger am Dienstag. Auch die Kollau sei oberhalb der Wendlohstraße trocken, schreibt ein anderer.
Am Saseler Weg in Volksdorf sei ein Waldteich ausgetrocknet. Die Wandse führe auf der Höhe Ahrensburger Weg (Höltigbaum/Stapelfeld) keinerlei Wasser mehr, das sei in den vergangenen sieben Jahren noch nie der Fall gewesen, schreibt ein Bürger, der dort häufig mit dem Hund spazieren geht. Die Düpenau nahe Osdorfer Born sei trocken, melden gleich zwei Hamburger. Alle Einträge müssen von der Behörde verifiziert werden. Sie bestätigt: „In vielen Bächen, kleineren Flussläufen sowie Seen und Teichen sinken die Wasserstände – auch ein Trockenfallen ist möglich.“
Warum Starkregen nichts nützt und sogar kontraproduktiv ist
Der Starkregen, der am Wochenende und Mittwochmorgen über Teilen der Stadt niedergegangen war und die Fahrbahn der Autobahn 7 teils unterspült hatte, hilft nicht – im Gegenteil: „Damit sich die Situation für die Gewässer wieder entspannt, sind Regenereignisse notwendig, die in den ausgetrockneten und harten Boden einsickern können und nicht den Boden abschwemmen beziehungsweise mit den Regenwassersielen schwallartig in die Gewässer eingeleitet werden, zum Beispiel ein sanfter länger anhaltender Landregen“, sagt Behördensprecher David Kappenberg.
Der Starkregen am Wochenende ging zudem nur sehr punktuell herunter. Während es in Altona nur so herunterprasselte, meldete die Wetterstation in Fuhlsbüttel zur selben Zeit so gut wie keinen Niederschlag, wie der Deutsche Wetterdienst (DWD) auf Anfrage mitteilte.
Blaualgen – Badeverbot für erstes Gewässer in Hamburg
Hoffnung auf eine durchgreifende Änderung der Lage hat Jonas Voß, Sprecher des Naturschutzbunds Deutschland (Nabu) in Hamburg, nicht – auch wenn die Meteorologen des DWD in den kommenden Tagen Schauer und Gewitter im Norden voraussagen. „Die angekündigten Mengen sind relativ gering und werden in kurzen Zeiträumen fallen“, sagt Voß. „Bei den Temperaturen wird ein relativ hoher Anteil wieder verdunsten, und nur die obere Bodenschicht wird dadurch überhaupt angefeuchtet. Kurzfristig hilft das den Pflanzen, die Wasser nah an der Oberfläche aufnehmen, ein klein wenig.“
Die Trockenheit wirkt sich auch auf die Wasserqualität von Bächen und Seen aus – und Starkregen würde die Lage sogar noch verschärfen. „Der Sauerstoffgehalt befindet sich in vielen Gewässern auf einem niedrigen Niveau“, sagt Kappenberg. „Blaualgenblüten sind besonders im Bereich stehender oder langsam fließender Gewässer wahrscheinlich, mit dem Eichbaumsee wurde bereits für ein erstes Gewässer ein Badeverbot ausgesprochen.“
Insbesondere Kinder, Schwangere, Immungeschwächte, aber auch Hunde sollten von Blaualgenansammlungen – auch im Uferbereich – ferngehalten werden, mahnt die Behörde. Bei Wassertemperaturen ab 20 Grad könnten auch Zerkarien, die einen juckenden, aber in der Regel ungefährlichen Ausschlag verursachen, auftreten.
Gefahr für Tarpenbek, Wandse, Schleemer Bach – und auch die Elbe
Die aufgeheizten Wassertemperaturen könnten in Verbindung mit zu hohen Nährstoffgehalten und der Niedrigwassersituation besonders in den kleineren Hamburger Stadtgewässern wie beispielsweise Tarpenbek, Wandse und Schleemer Bach, aber auch in der Elbe „zu angespannten Sauerstoffsituationen“ führen, „die kritisch für Fische sind“. Schon jetzt sei der Sauerstoffgehalt auf einem niedrigen Niveau. „Lokale Starkregen verstärken diese Entwicklung.“
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Komme es dann zu heftigen lokalen Niederschlagseinträgen in die Gewässer, führt der biologische Abbau des durch den heftigen Niederschlag zusätzlich eingetragenen organischen Materials (u. a. Pollen, Staub, Erde oder auch Schadstoffe von den Straßenoberflächen) zu einer weiteren Sauerstoffzehrung. „Fischsterben kann die Folge sein“, so Kappenberg. Die Behörde appelliert, keine Wasservögel zu füttern. Die Tiere vertrügen Brot schlecht, und die Gewässer würden durch das übermäßige Nährschutzangebot stark belastet.
Mindestwert in der Elbe erstmals unterschritten
Auch die Elbe ist belastet. Die Sauerstoffgehalte in der hamburgischen Tideelbe liegen aktuell zwischen 3,56 mg/l (Messstation Seemannshöft) und knapp 7 mg/l (Messstation Bunthaus), wie die Hamburger Umweltbehörde auf Anfrage mitteilt. Anfang der Woche seien zum ersten Mal in diesem Jahr der Mindestwert von 4 mg/l zeitweilig unterschritten worden. Die Wassertemperatur der Elbe liege zurzeit mit 21 bis 23 Grad im normalen sommerlichen Bereich.
In der Mittelelbe ist die Algenkonzentration in den vergangenen zwei Wochen deutlich zurückgegangen. Damit sei auch die biogene Sauerstoffproduktion im Gewässer entsprechend abgefallen. Somit werde zurzeit weniger gelöster Sauerstoff über das Wehr in die Tideelbe transportiert. Allerdings steige aktuell die O-Konzentration bei Geesthacht langsam wieder an. Vorhersagen seien schwierig. „Dennoch muss auch in den nächsten Tagen mit fischkritischen Sauerstoffgehalten gerechnet werden“, so der Sprecher der Umweltbehörde.
Wetter in Hamburg: Fischsterben in der Elbe befürchtet
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF befürchten erneut ein Fischsterben in der Elbe, wie sie bereits am Wochenende warnten. „Es ist mit Blick auf die Wettervorhersage und bei den bereits jetzt besorgniserregend niedrigen Sauerstoffwerten zu befürchten, dass sich die ungewöhnlich große Ausdehnung des Sauerstofflochs aus dem vergangenen Jahr wiederholen wird“, sagte Linda Kahl, Gewässerreferentin beim BUND Hamburg.
Schon deutlich früher als in den vergangenen Jahren seien die Sauerstoffwerte in der Elbe bedenklich niedrig. Auch Nabu-Mann Voß fürchtet „ein Fischsterben wie Ende Juni 2022“. Die Umweltbehörde rät: Beim Auftreten von Fischsterben die Rufnummer 040/428 40-2300 nutzen. Es wird dann das Abfischen der Kadaver veranlasst.