Hamburg. Rot-Grün beschließt attraktivere Konditionen für Erbbaurecht. Die Wohnungswirtschaft lobt – will aber nicht in Hamburg bauen.
Fast eine Dekade lang war Wohnungsbau in Hamburg eine Erfolgsstory. Jahr für Jahr konnte der SPD-geführte Senat stolz verkünden, dass er seine Ziele, erst 6000 und später sogar 10.000 neue Wohnungen im Jahr zu schaffen, erreicht hatte. Doch seit ein bis zwei Jahren stottert dieser Motor. Gestörte Lieferketten, Materialengpässe, steigende Baukosten und Zinsen, dazu die Verunsicherung über das neue Heizungsgesetz – das alles hat dazu geführt, dass in Hamburg im ersten Quartal 2023 nur noch gut 1300 Wohnungen genehmigt wurden.
Hinzu kommt ein spezielles Hamburger Problem: Seit einigen Jahren verkauft der Senat kaum noch Grundstücke, sondern vergibt sie vorrangig in Erbpacht – verpachtet sie also langfristig. Die Einigung mit einer Volksinitiative zwingt ihn mittlerweile dazu, große Stadtentwicklungsprojekte ausgenommen. Doch gegen diesen Kurs lief die Wohnungswirtschaft von Anfang an Sturm.
Wohnung Hamburg: Senat setzt auf bessere Erbpacht-Konditionen
Auf einer Podiumsdiskussion in der Handelskammer bekam Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) im Februar den Unmut der Branche zu spüren. Damals räumte er ein, dass der Wohnungsbau-Motor wegen der schwierigen Rahmenbedingungen nicht mehr ganz so hochtourig laufe, daher versprach er: „Aber wir werden alles dafür tun, dass am Ende nicht das Erbbaurecht der Grund dafür ist.“
Nun hat der Senat geliefert und umfangreiche Änderungen an den Konditionen beschlossen. „Das Erbbaurecht soll noch attraktiver gestaltet werden, um insbesondere die Akzeptanz in der Wohnungs- und Finanzwirtschaft zu erhöhen“, heißt es in der Drucksache, die dem Abendblatt exklusiv vorliegt.
Erbpacht-Zins sinkt dauerhaft auf 1,3 Prozent, Laufzeit steigt auf 100 Jahre
Das sehen die neuen Rahmenbedingungen vor: Wie von Dressel seinerzeit schon angekündigt, wurde der Erbbauzins für Wohnprojekte von 1,5 auf 1,3 Prozent des Bodenwertes pro Jahr und für Gewerbe von 1,8 auf 1,6 Prozent abgesenkt. Diese Sätze sollen bis mindestens Ende 2025 beibehalten werden.
Zweitens haben die Erbpachtnehmer, die Wohnungen mit „preisgedämpfter Miete“ anbieten – also etwa Sozialwohnungen – künftig die Wahl, ob der Erbbauzins im laufenden Vertragsverhältnis alle drei Jahre an den Verbraucherpreisindex angepasst werden soll oder an die durchschnittliche Nettokaltmiete, die mit dem Grundstück erzielt wird. So soll „die Beibehaltung eines günstigen Mietniveaus“ mit einem anhaltend niedrigen Erbpachtzins honoriert werden.
Verlängerungen der Erbpacht um 40 Jahre ist mehrfach möglich
Drittens wird die Regellaufzeit von Erbbaurechten für den Mietgeschosswohnungsbau von 75 auf 100 Jahre erhöht. Zudem steht den Erbpachtnehmern eine wiederkehrende Option zur Verlängerung um jeweils 40 Jahre zu. Das wird nur ausgehebelt, falls die Stadt einer Verlängerung nicht spätestens 20 Jahre vor Ablauf des Erbbaurechtsvertrages widerspricht.
Für den Mietgeschosswohnungsbau ist es unter bestimmten Bedingungen künftig auch möglich, ein auslaufendes Erbbaurecht völlig zu bestellen, also über 100 Jahre „bei voller Gebäudeentschädigung am Ende der Laufzeit“, wie es heißt. Im Klartext: Verlängert die Stadt ein Erbbaurecht nicht, kauft sie die auf dem Grundstück errichteten Gebäude zum aktuellen Wert an.
Andreas Dressel: „Faktisch wird das Erbbaurecht damit ein Ewigkeitsrecht“
Diese Neuregelungen werden am Dienstag im Haushaltsausschuss der Bürgerschaft beraten. Am Ende muss auch das Parlament zustimmen. Finanzsenator Dressel ist guter Dinge, dass es dazu kommen wird: „Wir haben jetzt für die Neubestellung und Verlängerung von Erbbaurechten bei Wohngrundstücken gute Lösungen gefunden“, sagte er dem Abendblatt.
„Wir senken den Erbbauzins auf 1,3 Prozent und garantieren das bis mindestens Ende 2025 – in Zeiten, in denen die Bauzinsen auf Richtung vier Prozent gehen, ist das echt ein Wort“, so Dressel. „Gleichzeitig verlängern wir die Laufzeit einheitlich im Bereich Wohnen auf 100 Jahre plus wiederkehrender Verlängerungsoption – faktisch wird das Erbbaurecht damit ein Ewigkeitsrecht. Zusammen mit einer hundertprozentigen Entschädigung für die Erbbaurechtsnehmer bei Rückgabe und Auslaufen wird damit das Erbbaurecht in Hamburg sehr eigentumsähnlich.“
VNW-Chef Andreas Breitner lobt: Senat hat geliefert, was er versprochen hat
Der Blick in andere Länder wie England, Niederlande, USA und Israel zeige: „Bei entsprechender Ausgestaltung ist Bauen auf fremdem Grund kein Investitionshemmnis“, ist der Finanzsenator überzeugt, der zudem darauf verweist, dass die städtische Förderbank IFB Wohnungsbaukredite für 1,0 Prozent anbietet. Beides zusammen sei „ein wirklich gutes Paket für unsere Wohnungswirtschaft, um auch in schwierigen Zeiten bauen zu können“, findet Dressel.
Beim Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) sieht man das durchaus auch so. „Hamburgs Bausenatorin Karen Pein und Finanzsenator Andreas Dressel haben geliefert, was sie versprochen haben und den Unternehmen mit bereits bestehenden Erbbaurechten verschiedene Optionen eröffnet, die eine Verlängerung bei sozial verträglichen Mieten ermöglicht“, sagte Verbandsdirektor Andreas Breitner dem Abendblatt. „Hamburg hat erkannt, dass man Wohnungsbaupolitik nicht gegen die Wohnungswirtschaft machen kann.“
Wohnungswirtschaft bleibt bei grundsätzlicher Ablehnung des Erbbaurechts
Für das Lob kann sich der Senat aber wenig kaufen. Denn der VNW-Chef bekräftigte gleichzeitig seine mehrfach geäußerte „grundlegende Ablehnung“ der Entscheidung, öffentliche Grundstücke überwiegend im Wege des Erbbaurechts zu vergeben und nicht mal an soziale Vermieter zu verkaufen.
Er gehe davon aus, dass die Wohnungsunternehmen künftig vorrangig versuchen werden, neue Gebäude auf ihren eigenen Grundstücken zu errichten, so Breitner. Sollte das nicht möglich sein, werde man sich nach privaten Grundstücken außerhalb der Hamburger Landesgrenze umschauen. Erst als dritte Variante komme für die meisten Unternehmen wohl in Betracht, auf einem Erbbaugrundstück der Stadt zu bauen.
München verkauft noch Grundstücke an soziale Vermieter
Breitner empfahl daher einen Blick ins sozialdemokratisch regierte München: „Dort werden öffentliche Grundstücke an soziale Vermieter verkauft, wenn diese sich verpflichten, ihre Wohnungen über mehrere Jahrzehnte zu bezahlbaren Preisen zu vermieten. So eine Regelung wünsche ich mir auch für Hamburg.“
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Indes: Der hiesige Senat verfolgt einen anderen Kurs, wie er in seiner Drucksache erneut betont. „Der wesentliche bodenpolitische Vorteil des Erbbaurechts gegenüber dem Verkauf“ sei, dass die Stadt „über Generationen die Steuerungsmöglichkeiten über ihren Grund und Boden behält“. Ziel sei es, „das städtische Grundeigentum zu vergrößern, um so zukünftigen Generationen mehr städtebauliche Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen“.
Hamburg gehört rund die Hälfte der Stadtfläche – Tendenz steigend
Da dieser Weg schon einige Jahre beschritten wird, sei der städtische Flächenanteil an der Gesamtfläche Hamburgs von 2020 (29.341 Hektar) zu 2021 (29.345) bereits leicht gewachsen. In dieser Zahl ist allerdings der erhebliche Grundbesitz öffentlicher Unternehmen nicht enthalten, diese Daten sollen erst noch erhoben werden. Grob gesagt, gehört der Stadt rund die Hälfte ihrer Fläche – Tendenz steigend.
Am Ende dürfte sich die Hamburger Wohnungsbau-Bilanz aber nicht an der Frage entscheiden, wem ein Grundstück gehört. Dass zurzeit reihenweise Bauprojekte zurückgestellt oder gar nicht erst begonnen werden, habe viel mehr mit den Rahmenbedingungen – unsichere politische Lage, hohe Baukosten und Zinsen bei gleichzeitig sinkenden Immobilienpreisen – zu tun, heißt es aus der Branche. So gesehen war der Finanzsenator auf der richtigen Spur: Der Wohnungsbaumotor stottert mehr denn je, aber es liegt nicht am Vorrang für das Erbbaurecht.