Hamburg. Eine neue Studie hinterfragt die Eigentümerstruktur kritisch. Linkspartei unterstützt Initiative „Hamburg enteignet“. Kommt es zu Verhandlungen?
Rund 200.000 Wohnungen in Hamburg – das ist etwa ein Fünftel des Bestandes – gehören Milliardären oder Multimillionären. Das geht aus einer Studie im Auftrag der Rosa-Luxemburg-Stiftung hervor, die die Fraktion der Linkspartei in der Bürgerschaft am Donnerstag präsentiert hat.
Die Partei sieht diese Besitzverhältnisse als großes gesellschaftliches Problem und unterstützt daher die Volksinitiative „Hamburg enteignet“, die das Ziel verfolgt, alle großen, profitorientierten Wohnungsunternehmen mit mehr als 500 Wohnungen zu vergesellschaften.
Studie: 200.000 Wohnungen gehören Millionären oder Milliardären
Die Initiative, die bei der Vorstellung der Studie dabei war, hat kürzlich mehr als 18.000 Unterschriften im Rathaus übergeben und gilt damit als zustande gekommen. Die Politik muss nun entscheiden, ob sie in Verhandlungen mit der Initiative tritt oder es auf einen Volksentscheid ankommen lässt.
Die Autoren der aktuellen Studie „Wem gehört die Stadt? Teil 2“, Christoph Trautvetter und Sarah Knechtel, haben den Immobilienbestand in sechs deutschen Großstädten untersucht, darunter Hamburg. Abgeleitet von den Immobilienwerten in der Hansestadt, stufen sie jeden Menschen, der sieben Wohnungen oder mehr besitzt, als „Multimillionär“ ein – wohlwissend, dass das auch Personen sein können, die in Wahrheit kein Vermögen besitzen. Das sei in der Realität aber selten.
Autoren: Wenn 16 Menschen 6000 Wohnungen besitzen, ist das ein Problem
Diese Gruppe der vermögenden Immobilienbesitzer umfasse in Hamburg ungefähr 10.000 Personen, sagte Trautvetter, der hauptberuflich beim „Netzwerk Steuergerechtigkeit“ tätig ist. Doch lediglich 16 Personen, die Eigentümer von vier großen, privaten Wohnungsunternehmen sind, konnten im Rahmen der Studie identifiziert werden. Diesen sollen rund 6000 Wohnungen gehören.
Allein mit Blick auf das politische Ziel, wonach die Bürgerinnen und Bürger möglichst Wohneigentum bilden sollten, sei das kritisch zu sehen, sagte Trautvetter: „Wenn 16 Menschen 6000 Wohnungen besitzen, können im Umkehrschluss Tausende Menschen kein Wohneigentum bilden. Es ist ein Problem für die soziale Gerechtigkeit, wenn Vermögen so ungleich verteilt ist.“
In Deutschland werden Eigentümer-Daten unter Verschluss gehalten
Allerdings konnten die Autoren der Studie selbst bei diesen vier Unternehmen nicht exakt herausfinden, wie viele Wohnungen in Hamburg diesen nun konkret gehören. Lediglich bei der Robert Vogel GmbH & Co war das unproblematisch: Sie nennt auf ihrer Homepage und in Unternehmensberichten offen, dass sie in der Hansestadt „rund 1900 Mietwohnungen und knapp 100.000 m² Gewerbeflächen“ im Bestand habe, was auch den Recherchen der Autoren entspricht.
So viel Transparenz wünschen sich Trautvetter und seine Mitstreiter auch an anderer Stelle. Deutschland sei bei der Herausgabe von Eigentümer-Daten so restriktiv wie kaum ein anderes Land in Europa, lediglich Griechenland könne da in negativer Hinsicht noch mithalten. In Frankreich seien Angaben über Immobilieneigentümer hingegen öffentlich zugänglich, und auch innerhalb Deutschlands gingen einige Länder wie Thüringen oder das Saarland damit etwas offener um. Die Regel sei jedoch, dass alle Anfragen abgebügelt würden.
Heike Sudmann: Hamburg sollte große Wohnungsbesitzer ermitteln
„Auch Hamburg hat sich bisher dagegen gewehrt, diese Daten zur Verfügung zu stellen“, sagte Trautvetter. Daher habe man sich anhand von Daten der Gebäude- und Wohnungszählung aus 2011, von Unternehmensberichten und von Berichten der Statistikämtern annähern müssen. Ein Problem der offiziellen Statistik sei zum Beispiel, dass sie bei Immobilieneigentümern nur die Einstufung „privat“ kenne, aber nicht weiter differenziere. „Wir wissen nicht, ob das der kleine Bäcker ist, der noch ein oder zwei Wohnungen vermietet, oder aber ein Multimillionär, der Tausende Wohnungen vermietet.“
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Trautvetter und Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, forderten die Stadt daher auf, für mehr Transparenz zu sorgen und wenigstens zu ermitteln und zu veröffentlichen, wem mehr als 100 Wohnungen gehören. „Für unsere politische Debatte ist es wichtig, die Eigentümer-Struktur zu kennen“, sagte Sudmann.
„Milliardäre und Multimillionäre sind eine völlig unterbelichtete Eigentümergruppe“
Ein Schluss liegt für Trautvetter aber bereits nahe: „Milliardäre und Multimillionäre sind eine völlig unterbelichtete Eigentümergruppe.“ Dass es sich um rund 10.000 Personen mit 200.000 Wohnungen handeln muss, haben er und Sarah Knechtel im Prinzip im Ausschlussverfahren ermittelt – indem sie von den knapp eine Million Wohnungen in Hamburg alle abgezogen haben, deren Eigentümer zumindest im Grundsatz bekannt sind.
Demnach sind 14 Prozent der Wohnungen staatlich, 15 Prozent gehören Genossenschaften oder gemeinnützigen Einrichtungen, 24 Prozent sind selbst genutzt (etwa Einfamilienhäuser oder und Eigentumswohnungen), 23 Prozent gehören kleinen Privateigentümern und vier Prozent börsennotierten Unternehmen wie Vonovia oder großen Finanzmarkt-Akteuren – bleiben 20 Prozent „große“ Eigentümer.
Kritik an Millionen-Gewinnen mit Wohnraum: Hauptproblem ist die Renditeerwartung
Inwiefern das überhaupt ein Problem für deren Mieter ist, kann die Studie nicht belegen. Es gebe auch „grausame Kleinvermieter“, räumte Trautvetter ein. Wenn große Unternehmen Wohnungen in gutem Zustand zu vernünftigen Preisen vermieten würden, sei das natürlich in Ordnung. Oft genug sei das aber nicht der Fall.
Das Hauptproblem sei dabei die Renditeerwartung. So habe ein Privat-Unternehmen in Hamburg mit maximal 3000 Wohnungen 4,3 Millionen Euro Gewinn im Jahr erzielt. „Das ist ein Zeichen dafür, dass deutlich mehr Miete verlangt wird als nötig wäre“, so Trautvetter. Das Geld fließe dann oft an die Eigentümer ab. Staatliche Vermieter oder Genossenschaften würden ihre Überschüsse hingegen in den Wohnungsbestand investieren.
Hamburg hat weniger staatliche Wohnungen als Berlin
Weitere Erkenntnisse der Studie: Hamburg hat mit der städtischen Saga zwar den bundesweit größten, kommunalen Wohnungsbaukonzern (mehr als 136.000 Wohnungen). Dennoch ist der Anteil staatlicher Mietwohnungen, anders als oft dargestellt, in der Hansestadt mit 14 Prozent kleiner als in Berlin (rund 18 Prozent ) oder Frankfurt (20) – weil es neben der Saga kaum weitere staatliche Eigentümer gibt. Zum Vergleich: In München (neun Prozent) oder Düsseldorf (zwei Prozent) ist der Anteil erheblich geringer. Auffallend gering ist in Hamburg mit vier Prozent der Anteil an Wohnungen, die großen Unternehmen gehört – in Frankfurt sind es sechs und in Leipzig sogar neun Prozent.