Hamburg. Erpressungsvorwurf und ein polemischer Konter: Immobilientreff diskutiert die Einigung mit den Volksinitiativen äußerst kritisch.

Die Einigung der rot-grünen Bürgerschaftsmehrheit mit zwei Volksinitiativen zum Wohnen stößt in der Wirtschaft auf starke Vorbehalte und zum Teil sogar auf offene Ablehnung. Das wurde auf dem „33. Hamburger Immobilientreff“ in der Handelskammer deutlich.

Vor rund 300 Gästen, darunter viele aus der Hamburger Wohnungswirtschaft, verwies Kammer-Vizepräses Nils Pirck zur Begrüßung darauf, dass es Hamburg mit seinem kooperativen „Bündnis für das Wohnen“ besser als anderen Großstädten gelungen sei, die Mieten zu begrenzen. Es stoße daher in der Immobilienwirtschaft – die Teil des Bündnisses ist – „gelinde gesagt auf große Skepsis“, dass dieser Weg nun in Frage gestellt werde.

Wohnungswirtschaft kritisiert Ini-Einigung scharf

Wie berichtet, hatten zwei Volksinitiativen unter dem Motto „Keine Profite mit Boden und Miete“ gefordert, dass die Stadt überhaupt keine Grundstücke mehr verkaufen darf und auf ihrem Grund nur noch Sozialwohnungen gebaut werden dürfen. Nachdem dafür knapp 15.000 Unterschriften vorgelegt worden waren, hatten SPD und Grüne in der Bürgerschaft Verhandlungen mit den Initiativen aufgenommen, die nach zwei Jahren in einem Kompromiss mündete.

Die Stadt darf Grundstücke nur noch in Erbpacht vergeben, wobei aber Ausnahmen möglich sind – so kann etwa in großen Stadtentwicklungsgebieten auch weiterhin der bewährte Drittelmix aus Sozial-, Eigentums- und frei finanzierten Wohnungen zum Tragen kommen.

Genossenschaften beklagen mangelndes Vertrauen

Die Forderung, nur noch Sozialwohnungen zu bauen, konnte Rot-Grün abwenden: Stattdessen bleibt es das Ziel, auf einem Drittel der Flächen geförderte Wohnungen zu bauen. Hinzu kommt aber die Vorgabe, pro Jahr 1000 Sozialwohnungen mit 100-jähriger Mietpreisbindung zu errichten.

In der lebhaften Podiumsdiskussion ging es vor allem um den Vorrang für das Erbbaurecht. „Unsere Mitglieds-Genossenschaften wollen das nicht, sie wollen Grundstücke kaufen, nicht pachten“, stellte Andreas Breitner, Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW) , klar. Viele alteingesessene Genossenschaften hätten Hamburg nach dem Krieg wieder mit aufgebaut und böten seitdem günstigen Wohnraum an. Sie verständen nicht, warum ihnen die Stadt nun keine Grundstücke mehr anvertrauen wolle, zumal die Finanzierungskonditionen bei Erbpacht deutlich schlechter seien.

Baunternehmer: Erbpacht erhöht Mieten

Das bestätigte Stefan Wulff, Geschäftsführer des Bauunternehmens Otto Wulff: Wenn er 100 Jahre Pacht für ein Grundstück zahlen müssen, koste es ihn am Ende dreimal so viel als wenn er es kaufe – das schlage sich in den Mieten nieder. Sein Unternehmen werde zwar auch weiterhin Wohnungen bauen, sich aber stärker auf private Grundstücke konzentrieren. Diese machen rund die Hälfte der Fläche Hamburgs aus und sind von der Einigung nicht betroffen.

Diese habe die Wohnungswirtschaft „kalt erwischt“, sagte Stefan Wulff und kritisierte, dass das Bündnis für das Wohnen nach zehn erfolgreichen Jahren erstmals in Frage gestellt werde, weil sich Rot-Grün von 15.000 Bürgern habe „erpressen“ lassen.

SPD und Grüne: Standen unter Handlungsdruck

Handelskammer-Bereichsleiter Jan-Oliver Siebrand kritisierte, dass die Wirtschaft nicht an den Verhandlungen beteiligt oder auch nur dazu gefragt worden sei. Dann hätte man auf eine Abschätzung der Folgen gedrängt. So werde es zum Beispiel schwerer, gut ausgebildete Fachkräfte zu gewinnen, wenn diese in Hamburg kaum noch Wohneigentum erwerben könnten.

Die Fraktionsvorsitzenden von SPD, Dirk Kienscherf, und Grünen, Dominik Lorenzen, zeigten zwar einerseits Verständnis für die Kritik, warben aber für ihre Position: Rot-Grün habe die Ziele der Volksinitiativen nicht geteilt, aber die Gefahr gesehen, dass diese erfolgreich sein könnten. Man habe unter „Handlungsdruck“ gestanden, so Lorenzen, und sich daher auf einen Kompromiss einlassen müssen.

Mietervereins-Chef verärgert über Erpressungsvorwurf

Kienscherf betonte mehrfach, dass das Erbbaurecht doch gar nicht das wahre Problem der Wohnungswirtschaft sei, sondern diese leide vielmehr unter sinkenden Immobilienwerten bei gleichzeitig rasant steigenden Zinsen und Baukosten.

Mitunter wurde es auf dem Podium sogar polemisch. „Ich bin der Erpresser“, sagte Rolf Bosse, Vorsitzender des Mietervereins zu Hamburg, der hinter den Volksinitiativen stand, sichtlich verärgert über die Worte von Stefan Wulff. Hamburg habe zwar jahrelang viel gebaut, aber zu wenig günstigen Wohnraum. Daher sei die Zahl der Sozialwohnungen sogar von 100.000 auf 70.000 gesunken, was zur Gründung der Volksinitiativen geführt habe. Und nun gebe es schlicht „veränderte Rahmenbedingungen“, so Bosse. Die solle die Wirtschaft doch lieber als Chance sehen statt darüber zu lamentieren.

Auch Dirk Kienscherf wies Kritik von Wulff, Hamburg tue zu wenig für normal- bis gut verdienende Bürger und treibe diese ins Umland, weil sie hier kaum noch Wohneigentum erwerben könnten, deftig zurück: „Dann starten Sie doch eine Volksinitiative für Einfamilienhäuser.“ Dann werde man ja sehen, ob sich dafür eine Mehrheit finde.

Dressel wirbt mit Absenkung des Erbpachtzinses

Doch es gab auch versöhnliche Gesten: Finanzsenator Andreas Dressel (SPD) betonte in einem Impulsreferat, dass dem Senat das Bündnis für das Wohnen „sehr am Herzen“ liege. Die neuen Regeln seien nur eine „Evolution und keine Revolution“, da der Senat schon seit 2019 vorrangig auf Erbpacht setze. Hamburg habe zwar schon bisher den niedrigsten Erbpachtzins in Deutschland, werde diesen aber noch einmal von 1,5 auf 1,3 Prozent absenken. Bei einer freien Baufinanzierung zahle man dagegen aktuell knapp vier Prozent.

Nach Angaben von Finanzsenator Andreas Dressel (r., SPD/Archiv) wird Hamburg den Erbpachtzins noch einmal auf ein Rekordtief senken.
Nach Angaben von Finanzsenator Andreas Dressel (r., SPD/Archiv) wird Hamburg den Erbpachtzins noch einmal auf ein Rekordtief senken. © Picture Alliance

Der Wohnungsbau-Motor werde wegen der schwierigen Rahmenbedingungen vielleicht nicht mehr ganz so hochtourig laufen wie in den vergangenen Jahren, so Dressel. „Aber wir werden alles dafür tun, dass am Ende nicht das Erbbaurecht der Grund dafür ist.“