Hamburg. 2022 wurden mehr als 9000 neue Wohnungen fertiggestellt. Warum eine Entspannung am Wohnungsmarkt trotzdem nicht in Sicht ist.

Diese Zahl macht auf den ersten Blick Hoffnung. In Hamburg wurden im vergangenen Jahr 9234 neue Wohnungen fertiggestellt – das waren knapp 1400 oder 17,8 Prozent mehr als im Vorjahr, wie das Statistikamt Nord am Dienstag mitteilte.

Damals waren nur 7836 Wohnungen fertiggestellt worden, was einem Rückgang von mehr als 3800 Wohneinheiten oder 33,8 Prozent entsprochen und für entsprechende Schockwellen in der Wohnungswirtschaft und in der Politik gesorgt hatte.

17,8 Prozent mehr neue Wohnungen in Hamburg – das freut die Bausenatorin

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) zeigte sich angesichts der Erholung im vergangenen Jahr daher erfreut: „Die Fertigstellung von 9234 neuen Wohnungen ist ein sehr erfreuliches Ergebnis für alle, die in unserer Stadt eine Wohnung suchen“, sagte sie. „Ich bin froh, dass wir trotz der erschwerten Rahmenbedingungen diese Zahl erreichen konnten. Dafür danke ich allen Beteiligten am Bündnis für das Wohnen sehr.“

Wie das Statistikamt mitteilte, sind in den gut 9200 neuen Wohnungen 770.100 Quadratmeter Wohnfläche entstanden, das seien gut 178.000 Quadratmeter mehr als im Vorjahr. Hier liegt das Plus sogar bei 30,1 Prozent, was darauf hindeutet, dass vermehrt größere Wohnungen gebaut wurden. Tatsächlich stieg die durchschnittliche Größe der neuen Wohnungen auf 81,7 Quadratmeter (Vorjahr: 74,9).

Mehr Eigentumswohnungen – aber „Drittelmix“ wird nicht erreicht

Fast verdoppelt hat sich die Zahl der Eigentumswohnungen: 2562 wurden im Jahr 2022 fertig, gegenüber 1346 im Vorjahr, so das Statistikamt Nord. Ihr Anteil an den Fertigstellungen stieg von 17,2 auf 27,7 Prozent und lag damit nahe an dem vom Senat angestrebten Wert, wonach jeweils je ein Drittel Sozial-, Eigentums- und frei finanzierte Wohnungen entstehen sollen („Drittelmix“).

Wie die Stadtentwicklungsbehörde mitteilte, seien unter den neuen Wohneinheiten auch 2430 geförderte Wohnungen mit sozialer Mietpreis- und Belegungsbindung. Das entspreche einem Anteil von 26,3 Prozent. Bezogen auf die 7406 neuen Wohnungen im Geschosswohnungsbau seien es sogar rund 33 Prozent – also das im Bündnis für das Wohnen angestrebte Drittel.

Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linkspartei, sprach von einem „billigen Trick des Senats“, alle geförderten Wohnungen jetzt „Sozialwohnungen“ zu nennen und ihren Neubauanteil auf die Geschosswohnungen zu berechnen: In Wahrheit hätten nicht mal 2000 der neuen Wohnungen eine Kaltmiete weniger als sieben Euro pro Quadratmeter. Seit 2011 sei der angepeilte Drittelmix nie erreicht worden, kritisierte Sudmann. „Der Senat muss aus seinem Scheitern endlich die richtigen Konsequenzen ziehen und SAGA und Fördern und Wohnen für den Bau von mehr günstigen Wohnungen nutzen.“

Allein 1147 Wohneinheiten entstanden in Ein- und Zweifamilienhäusern

8672 der neuen Wohnungen entstanden in neu gebauten Gebäuden, weitere 562 Wohnungen wurden durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden geschaffen – also etwa durch Aufstockungen oder Dachausbauten. Von den Wohnungen in neuen Gebäuden entstand wiederum der Großteil (7406 Wohnungen oder 85,4 Prozent) im Geschosswohnungsbau (Gebäude mit drei und mehr Wohnungen).

Bemerkenswert: Obwohl einige Bezirke wie Hamburg-Nord keine neuen Einfamilienhausgebiete mehr ausweisen wollen, entstanden hamburgweit auch 1147 Wohneinheiten (13,2 Prozent) in Ein- und Zweifamilienhäusern. Darüber hinaus wurden 103 Wohnungen (1,2 Prozent) in Wohnheimen und 16 Wohnungen in Nichtwohngebäuden (zum Beispiel Büro- und Betriebsgebäude; 0,2 Prozent) fertiggestellt.

Keine Entspannung am Wohnungsmarkt – Baugenehmigungen brechen ein

Wer angesichts der ermunternden Zahlen auf eine Entspannung am Hamburger Wohnungsmarkt hofft, dürfte allerdings enttäuscht werden. Denn die aktuellen Fertigstellungszahlen spiegeln mit einiger Verzögerung nur die hohen Genehmigungszahlen der vergangenen Jahre wieder, als der Senat sein Ziel, pro Jahr mindestens 10.000 neue Wohnungen zu genehmigen, stets klar erreicht hatte.

Im vergangenen Jahr wurden dem Statistikamt zufolge dagegen nur Baugenehmigungen für 9199 Wohnungen erfasst. Das seien 6,6 Prozent weniger als im Vorjahr. Der Senat selbst hatte dagegen Anfang des Jahres vermeldet, dass 10.377 Genehmigungen erteilt worden seien.

Senatorin Pein: Wohnungsbau in Hamburg wird „deutlich schwerer“

Und wie berichtet, sind die Zahlen 2023 weiter eingebrochen. Im ersten Quartal waren nur gut 1300 neue Wohnungen genehmigt worden. Vergleicht man für alle Jahre seit 2012 die Genehmigungszahlen aus dem ersten Quartal mit dem Ergebnis für zwölf Monate, kam am Ende immer das Drei- bis Sechsfache heraus. Hochgerechnet dürften in 2023 also nur 4000 bis 8000 Wohnungen auf den Weg gebracht werden – was der niedrigste Wert seit 2012 wäre (8731 Genehmigungen).

Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) am Stadtmodell im Foyer der Behörde für Stadtentwicklung in Wilhelmsburg.
Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) am Stadtmodell im Foyer der Behörde für Stadtentwicklung in Wilhelmsburg. © FUNKE Foto Services | Roland Magunia

„Wir müssen davon ausgehen, dass der Bau neuer Wohnungen in diesem und in den kommenden Jahren deutlich schwerer wird“, räumte auch Stadtentwicklungssenatorin Pein ein. „Umso mehr wird sich der Senat mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln auch weiterhin dafür einsetzen, attraktive Bedingungen für den Wohnungsbau zu erhalten. Es bleibt unser Ziel, den angespannten Wohnungsmarkt zu entlasten und weiterhin viele attraktive und bezahlbare Wohnungen bereitzustellen.“

Was Hoffnung macht: 25.000 genehmigte Wohnungen sind noch nicht gebaut

Immerhin: Zum Stichtag 31. Dezember 2022 befanden sich laut Statistikamt noch 25.319 Wohnungen in 4637 Gebäuden im sogenannten Bauüberhang: Das bedeutet, dass sie zwar genehmigt, aber ihr Bau noch nicht begonnen wurde (betrifft 10.202 Wohnungen), dass ihr Bau bereits begonnen, aber jedoch noch nicht „unter Dach“ war (betrifft 8914 Wohnungen) oder dass der Bau bereits „unter Dach“, also fast fertig war (4586 Wohnungen). Leider sind auch Baugenehmigungen für 1185 Wohnungen erloschen – hier haben die Investoren das Interesse an dem Bau verloren oder können ihn finanziell nicht mehr stemmen.

Anke Frieling, stadtentwicklungspolitische Sprecherin der CDU-Fraktion, nannte die Zahlen „letzte Signale aus einer untergehenden Zeit. Es wird fertiggebaut, was im letzten und vorletzten Jahr begonnen wurde. Die Zahl der Baugenehmigungen in Hamburg brechen dramatisch ein, viel Neubau ist demnach in den nächsten Jahren leider nicht zu erwarten.“ Dass nur 562 Wohneinheiten durch Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden geschaffen wurde, sei „alarmierend“, so Frieling. „Dabei soll weniger Versiegelung, mehr Umnutzung und Umbau von Altbestand doch die Zukunft sein.“

Die stellvertretende FDP-Landesvorsitzende Katarina Blume befand: „Der Senat bleibt erneut unter dem selbst gesteckten Ziel, 10.000 neue Wohnungen pro Jahr fertig zu stellen. Das ist eine schlechte Nachricht für alle, die in Hamburg bezahlbaren Wohnraum suchen, ob nun als Mieter oder Eigentümer.“

Hamburg baut mehr Wohnungen – Lage bleibt aber angespannt

Für die Wohnungswirtschaft, vertreten durch den Grundeigentümer-Verband, den Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BfW), den Immobilienverband Deutschland IVD Nord und den Verband norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW), belegen die Zahlen hingegen, „dass das ‚Bündnis für das Wohnen‘ in Hamburg funktioniert. Deutlich mehr als 9000 fertiggestellte Wohnungen bedeutet, dass über 25.000 Menschen ihre eigenen vier Wände beziehen konnten“, hieß es in einer gemeinsamen Mitteilung der Verbände. „Das ist ohne Wenn und Aber ein großer Erfolg.“

Allerdings würden derzeit noch „die Früchte einer guten und erfolgreichen Wohnungspolitik vergangener Jahre“ geerntet. Der dramatische Rückgang an Baugenehmigungen für Wohnraum zeige hingegen, wie hart das Geschäft nun werde: „Der Bau von Wohnungen in den kommenden Jahren ist ernsthaft bedroht.“