Bethlehem/Hamburg. Die Bilanz der Israel-Reise des Bürgermeisters kann sich sehen lassen. Wie die intensivierte Partnerschaft Hamburg verändern könnte.

Am letzten Tag seiner Israel-Reise als Bundesratspräsident beweist Peter Tschentscher Sinn für Symbolik. Er besucht die Geburtskirche in Bethlehem, die über jenem Ort errichtet wurde, an dem vermutlich Jesus Christus zur Welt kam. Sehr beliebt bei Pilgern und Touristen aus aller Welt, ein Ort der Hoffnung, dessen goldene Wandmosaiken nach einer Restaurierung wieder glänzen.

Mit gebeugtem Kopf geht Tschentscher durch das „Demutstor“ hinein, vorbei an betenden und singenden Gläubigen. Dann steigt er über schmale Treppen hinunter zur Geburtsgrotte, die im Kerzenlicht leuchtet. Eindrucksvoll sei das für ihn, sagt Tschentscher, an diesen Platz zu kommen, von dem er schon im Konfirmanden-Unterricht hörte.

Peter Tschentscher ist beeindruckt von Geburtskirche in Bethlehem

Zuvor war Tschentscher am Freitagmorgen zu Bethlehems Bürgermeister Hanna Hanania gefahren, eskortiert von der Garde des Palästinenserpräsidenten Mahmud Abbas und von Spezialkräften – aus Respekt vor dem Gast aus Deutschland, nicht weil es in diesem Teil der palästinensischen Autonomiegebiete besonders gefährlich sein könnte. Für „sehr wertvoll“ hält Tschentscher alle Eindrücke, die er seit Montag in Tel Aviv, Jerusalem, Ramallah und Jerusalem sammelte.

Er kann die Reise als vollen Erfolg verbuchen, profitiert auch als Hamburger Bürgermeister davon. Ihn haben die wichtigsten Vertreter der israelischen Politik empfangen: Premierminister Benjamin Netanjahu nahm sich statt der angesetzten 45 Minuten anderthalb Stunden Zeit für den Bundesratspräsidenten; auch der Parlamentsvorsitzende Benny Gantz und der Oppositionsführer Jair Lapid trafen sich mit Tschentscher, der schließlich sogar noch eine Audienz bei Staatspräsident Jitzchak Herzog bekam. Herzog lobte anschließend öffentlichkeitswirksam bei Twitter, dass Hamburg den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel unterstützt, die 1938 von den Nazis in Brand gesetzt und später zerstört worden war.

Israel feiert 75 Jahre Unabhängigkeit – aber seine Feinde stehen an mehreren Fronten

Anlass für Tschentschers Reise ist das 75. Jubiläum der israelischen Unabhängigkeit. Er ist durch ein Land gefahren, das prosperiert, als Start-up- und Hightech-Nation gilt, das sich aber immer noch seiner Feinde an mehreren Fronten erwehren muss, für dessen Bewohner die Bedrohung durch Raketen vor allem aus dem Gazastreifen zum Alltag gehört – und das zugleich etwa der Kritik ausgesetzt ist, es reagiere mit zu harten Gegenschlägen auf Angriffe, kümmere sich nicht hinreichend um die besetzten Gebiete im Westjordanland.

Tschentscher vertritt auf seiner Reise souverän die deutsche Linie. „Die Existenz und Sicherheit des Staates Israel waren von Anfang an Eckpfeiler der deutschen Außenpolitik. Sie sind nicht verhandelbar und werden es auch nie sein“, sagt er auf einem Empfang in der Residenz der deutschen Botschaft in Tel Aviv, zu dem Prominente wie die Chemienobelpreisträgerin Ada Yonath gekommen sind.

In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem legt der Bundesratspräsident einen Kranz nieder. Er schreibt in das Gästebuch: „Wir werden die Opfer der Shoa nicht vergessen. Das Gedenken an ihr Schicksal ist zugleich eine Mahnung für uns heute, entschieden gegen jede Form des Antisemitismus vorzugehen und das jüdische Leben in Deutschland zu fördern.“

Palästina: Tschentscher attestiert Menschen hier ein „sehr schweres Leben“

Mit Blick auf den Nah-Ost-Konflikt macht Tschentscher im Sinne der deutschen Linie klar, dass er auch an die Palästinenser denkt. „Wir sehen und hören beide Seiten des Miteinanders der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung“, sagt er bei einem Rundgang durch Ost-Jerusalem, das wie die gesamte Stadt unter israelischer Verwaltung steht – aber nach deutscher und überwiegender internationaler Rechtsauffassung als besetztes Gebiet gilt.

Dann fährt Tschentscher in die palästinensischen Autonomiegebiete und nach Ramallah, begleitet von einer Polizeieskorte – und trifft Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, spricht mit dem 87-Jährigen über eine denkbare zusätzliche deutsche Unterstützung für palästinensische Städte, will sich dafür starkmachen, dass fortschrittliche palästinensische Firmen mit deutschen Partnern zusammenkommen.

Die Menschen in den Autonomiegebieten hätten ein „sehr schweres Leben“, sagt Tschentscher. Sie wünschten sich, dass sie selbstständiger werden können, dass sie Sicherheit bekommen – im militärischen Sinne, aber auch bei der Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Energie. „Das ist ja die Grundlage für eine positive Entwicklung – eine wirtschaftliche Basis, gute Jobs und Bildung.“

Israel: Was Hamburger Forscher von der Reise mitbringen

Von Tschentschers Delegationsreise als Bundesratspräsident hat auch Hamburg etwas – in wissenschaftlicher und wirtschaftlicher Hinsicht. Der mitreisende UKE-Chef Christian Gerloff vereinbart in Tel Aviv eine neue Kooperation der Hamburger Uniklinik mit dem Ichilov-Krankenhaus, der wohl modernsten Klinik Israels, die in der Notaufnahme zur Unterstützung der Pflegekräfte auf Roboter setzt und ein eigenes Forschungszentrum für künstliche Intelligenz in der Medizin betreibt. Geplant sind nun gemeinsame Forschungsprojekte und ein Austausch von Wissenschaftlern und Studierenden zwischen Tel Aviv und Hamburg.

Begleitet von Kim Wünschmann, Direktorin des Instituts für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg, übergibt Tschentscher historische Dokumente zur Bornplatzsynagoge an das Zentralarchiv zur Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem – dieses wird künftig noch enger mit Hamburger Forschenden zusammenarbeiten.

Der ebenfalls mitreisende Handelskammer-Vize Willem van der Schalk lässt sich von der Gründerkultur Israels inspirieren. Erst im Februar hatte die Handelskammer eine neue „Innovationspartnerschaft“ mit Israel geschlossen: Im vergangenen Jahr gab es mehr als 7000 junge Firmen in dem Land, die mit 15,5 Milliarden Dollar gefördert wurden.

Hamburg kann viel lernen von der Innovationskraft Israels

Israel ist so stolz auf seine Erfinder, dass es herausragende eigene Technologien etwa zur Cybersicherheit und besondere Unternehmen in einem Innovationszentrum präsentiert. Von der Energie und Risikobereitschaft israelischer Unternehmer könnte sich Hamburg womöglich eine Scheibe abschneiden.