Jerusalem/Ramallah. Hamburgs Bürgermeister spricht erst mit Israels Staatspräsident – und trifft dann Palästinenserpräsident Mahmud Abbas.
Israelische Grenzsoldaten mit M16-Sturmgewehren stehen neben Verkaufsständen mit T-Shirts, süßem Gebäck und palästinensischen Frauen, die Weinblätter verkaufen in den schmalen Gassen von Ost-Jerusalem, durch die Peter Tschentscher an diesem Donnerstagmorgen streift. Es ist 30 Grad warm, der Bundesratspräsident und die ihn begleitende Delegation schwitzen bei dem auf und ab über die vielen Stufen in der Altstadt, die Israel im Sechstagekrieg von 1967 eroberte und 1980 annektierte.
Für Tschentscher, der zuletzt mit Israels Premier Benjamin Netanjahu und Oppositionsführer Jair Lapid gesprochen hatte, ist es ein anspruchsvoller Tag. Er muss bei mehreren Terminen den richtigen Ton treffen, um Verstimmungen oder gar einen Eklat zu vermeiden.
Bürgermeister Peter Tschentscher zu Besuch in Jerusalem
Jerusalem ist Juden, Muslimen und Christen heilig. Israel begründet seinen Anspruch auf das Gebiet mit 3000 Jahren jüdischer Geschichte; der Ost-Teil steht wie die gesamte Stadt unter israelischer Verwaltung, dort gilt israelisches Zivilrecht. Aus palästinensischer Sicht hingegen ist Ost-Jerusalem, wo etwa 300.000 Palästinenser leben, die Hauptstadt eines künftigen Palästinenserstaates. Nach deutscher und überwiegender internationaler Rechtsauffassung gilt dieser Teil der Stadt als besetztes Gebiet.
Deutschland trägt bedingt durch seine Geschichte eine besondere Verantwortung für die Sicherheit Israels, erkennt zugleich aber das Streben der Palästinenser nach einem eigenen Staat an – so formuliert es das Auswärtige Amt. Nur eine für beide Seiten akzeptable, verhandelte Zwei-Staaten-Lösung könne zu einem dauerhaften Frieden führen. Für Jerusalem sollte, so die deutsche Position, eine Lösung als künftige „Hauptstadt von zwei Staaten gefunden werden, die den Ansprüchen beider Seiten gerecht wird“.
Bürgermeister Tschentscher trifft Staatspräsident Herzog
Bei seinem Rundgang hat Tschentscher einen Vorsprung erreicht, von dem aus die goldene Kuppel des muslimischen Felsendoms und die Al-Aqsa-Moschee auf dem Tempelberg zu sehen sind. Auch dieser Ort ist umstritten: Juden dürfen den Berg zwar betreten, aber auf dem Gelände nicht beten, weil die israelische Regierung angesichts der ohnehin angespannten Beziehungen zu den Muslimen eine Eskalation verhindern will.
Tschentscher hat auf seiner Reise sehr deutlich gemacht, dass Deutschland Israel unterstützt. Aber: „Wir sehen und hören beide Seiten des Miteinanders der israelischen und der palästinensischen Bevölkerung“, sagt er. Die Lage sei „sehr spannungsreich und komplex“. Er findet es beklemmend, dass in Ost-Jerusalem Überwachungskameras hängen und schwer bewaffnete israelische Sicherheitskräfte patrouillieren. „Man spürt hier, dass das Nebeneinander der Religionen nicht konfliktfrei ist“, sagt der Bundesratspräsident. „Das gibt schon einen gemischten Eindruck.“
Lob für den geplanten Aufbau der Bornplatzsynagoge
Nach dem Rundgang kommt es für Tschentscher zu dem zweiten sehr hochrangigen politischen Gespräch auf seiner Reise: Er trifft Staatspräsident Jitzchak Herzog. Medien dürfen nicht dabei sein. Ohne auf eine Zwei-Staaten-Lösung einzugehen, habe Herzog gesagt, es gebe keine Alternative zu Frieden mit den Palästinensern, berichtet Tschentscher danach.
Wie ein Frieden konkret zu machen sein könnte, hat Herzog nicht gesagt. Via Twitter lobt der Staatspräsident später, dass Hamburg einen Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel plant – diese war 1938 von den Nationalsozialisten in Brand gesetzt und später zerstört worden.
Was Tschentscher nach dem Treffen mit Herzog tut, sieht die israelische Regierung nicht gern, aber sie kritisiere es nicht, heißt es: Der Bundesratspräsident fährt in die palästinensischen Autonomiegebiete im Westjordanland. Vom Checkpoint Al-Jib an geht es begleitet von einer Polizeieskorte durch ein teils prekäre Lebenswelt mit palästinensischen Wanderarbeitern, die aus Israel zurückkommen, und kaputten oder halb fertigen Häusern an vielen Stellen, zwischen denen Schutt und Müll liegt.
Peter Tschentscher trifft Palästinenser-Präsident Abbas
In Ramallah wird Tschentscher erwartet von Mahmud Abbas, Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde, Premierminister Mohammad Shtayyeh und Außenminister Riyad al-Maliki – wieder dürfen Medien nicht dabei sein.
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Auf Nachfrage, was er zu hören bekam, spricht Tschentscher anschließend von Enttäuschungen und Wut, die in Jahrzehnten zwischen Israelis und Palästinensern entstanden seien, ohne sich dabei auf Personen zu beziehen – und dass es nun darauf ankomme, nach vorne zu blicken. Insbesondere Mahmud Abbas habe betont, er sei gegen jede Gewalt.
„Palästina wünscht einen Friedensprozess und fordert ihn von der internationalen Staatengemeinschaft ein“, sagt Tschentscher. Auch Europa und Deutschland sollten helfen, dies voranzubringen, hätten Präsident, Premier und Außenminister gefordert. Vereinbart worden sei, dass Deutschland prüfe, ob weitere wirtschaftliche Kooperationen mit palästinensischen Städten und Firmen möglich seien.
Israels Staatspräsidenten will nach Hamburg kommen
Bis hierhin ist Tschentscher auf seiner Israel-Reise hauptsächlich als Bundesratspräsident unterwegs. Am Donnerstagabend allerdings wechselt er kurz in seine Rolle als Hamburgs Bürgermeister und besucht das Zentralarchiv zur Geschichte des jüdischen Volkes in Jerusalem – dieses arbeitet bei der Digitalisierung der historischen Bestände der Jüdischen Gemeinde in Hamburg mit dem Hamburger Staatsarchiv zusammen.
Tschentscher schaut sich Dokumente zur Bornplatzsynagoge an, die in dem Archiv lagern – und übergibt zur Freude der Gastgeber Fotos aus dem Hamburger Staatsarchiv und die Hamburger Machbarkeitsstudie zum Wiederaufbau der Synagoge. Am Ende hat der Bürgermeister noch eine Nachricht, die auch bei der Hamburger Delegation für Freude sorgt: Israels Staatspräsident habe angekündigt, er wolle die Hansestadt besuchen – zur Eröffnung der Synagoge.