Tel Aviv. Direktor Christian Gerloff vereinbart Kooperation mit modernstem Krankenhaus Israels. Kommt der digitale Check-in nach Hamburg?

Der Pförtner am Eingang der Notaufnahme ist etwa einen Meter groß, besteht aus Kunststoff, rollt Patienten entgegen und zeigt ein Lächeln – auf seinem Bildschirm: Im Ichilov-Krankenhaus in Tel Aviv unterstützen Roboter die Ärzteschaft und Pflegekräfte. Die künstlichen Assistenten empfangen Hilfe suchende Menschen, die zu Fuß kommen und keine schweren Verletzungen haben.

Hinter dem Roboter steht der Prototyp für eine digitale Registrierung ohne Personal: Hier können Patienten ihren Ausweis scannen und ihre Identität überprüfen lassen. Anschließend bekommen sie eine Nachricht auf ihr Handy, wo sie hingehen sollen. Auf Wunsch können sie sich von einem Roboter zu automatisierten Untersuchungsstationen führen lassen.

Managen Roboter bald die Notaufnahmen? Das sagt der UKE-Chef

Dort messen die Patienten mithilfe von Videos selbstständig den Sauerstoffgehalt in ihrem Blut, außerdem Pulsfrequenz, Temperatur und Blutdruck. Alle diese Parameter fließen in das Computersystem der Klinik und in eine digitale Patientenakte.

Am Dienstagvormittag besuchte Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher in seiner Rolle als Bundesratspräsident das Tel Aviv Sourasky Medical Centers, wie Israels meistgenutztes und wohl modernstes Krankenhaus offiziell heißt. Die Ichilov-Klinikleitung um Direktor Ronni Gamzu will mithilfe der Roboter und Automatisierung die Krankenpflegenden und Ärzte von Bürokratie und technischen Arbeiten entlasten. Dadurch soll das Personal mehr Zeit für die Pflege und Behandlung von Patienten gewinnen.

20 Prozent der Patienten nutzen den digitalen Check-in

Von dem digitalen Check-in machten 20 Prozent der Patienten derzeit Gebrauch; den Roboter nutzten vor allem junge Menschen, hieß es am Dienstag. Um digital gesteuerte Prozesse überall in der Klinik voranzutreiben, betreibt das Universitätskrankenhaus eine Forschungsabteilung für künstliche Intelligenz auf 600 Quadratmetern.

Christian Gerloff, neuer Chef des Universitätsklinikums Eppendorf (UKE), hält das Konzept der Ichilov-Klinik, auf computergesteuerte Assistenzsysteme und künstliche Intelligenz zu setzen, für zukunftsweisend. In einer Notaufnahme sei es für Patienten besonders schwer auszuhalten, wenn sie lange warten müssten, sagt Gerloff. „Wenn mithilfe etwa von Robotern die Aufnahme teilautomatisiert beginnen kann und Patienten, die dazu in der Lage sind, einfache Fragen etwa zu ihren Beschwerden und Vorerkrankungen selbst beantworten, kann dies Zeit sparen.“

Hamburger UKE zeigt sich offen für neue Technologien

Die Notaufnahme des Hamburger Universitätsklinikums sei derzeit zwar personell sehr gut ausgestattet. Pflegende zu entlasten, indem Roboter einen Teil der klinisch-praktischen Arbeit übernehmen, hält Gerloff deshalb aktuell nicht für nötig. Aber: „Ich bin sehr offen dafür, solche Ansätze auszuprobieren“, sagt der UKE-Chef. Er kann es sich vorstellen, mittelfristig den Einsatz von Robotern in der UKE-Notaufnahme in einem kleinen, kontrollierten Rahmen zu testen.

Gerloff gehört zu der 13-köpfigen Wissenschafts- und Wirtschaftsdelegation, die Hamburgs Bürgermeister auf dessen Israel-Reise begleitet. Bei dem Besuch des Krankenhauses in Tel Aviv am Dienstag unterzeichnete der UKE-Chef mit Ichilov-Direktor Ronni Gamzi eine Absichtserklärung (Memorandum of Understanding), wonach die beiden Kliniken in den kommenden fünf Jahren intensiv zusammenarbeiten wollen, insbesondere bei Ausbildungs- und Forschungsprojekten und beim Austausch von Studierenden und Wissenschaftlern.

Bürgermeister Peter Tschentscher in Israel

Die Absichtserklärung kam auf Initiative des früheren CDU-Bürgerschaftsabgeordneten Carsten Ovens zustande. Er ist inzwischen Geschäftsführer der Denkfabrik Elnet, die sich mit den europäisch-israelischen Beziehungen beschäftigt. Die Ichilov-Klinik in Tel Aviv kooperiert bereits mit der Berliner Charité – nun kommt das UKE als weiterer Partner hinzu.

Die Digitalisierung der Medizin sei für das Uniklinikum Eppendorf ein sehr wichtiges Thema, sagt Christian Gerloff. Nicht nur in der Notaufnahme, auch bei der akuten Behandlung und bei Therapien könnten automatisierte Prozesse und Assistenzsysteme mit künstlicher Intelligenz ein Gewinn sein – für Patienten und für die behandelnden Pflegekräfte und die Ärzteschaft. Israel mache das vor. „Was von der Digitalisierung getriebene Neuerungen in der Medizin angeht, müssen wir in Deutschland viel schneller werden“, sagt Gerloff.

Bei allem Fortschritt durch Digitalisierung: Cybersicherheit hat Priorität

Natürlich müssten Patientendaten etwa zur Behandlung im Krankenhaus und zum Verlauf einer Therapie sehr gut vor unberechtigten Zugriffen und Missbrauch geschützt werden. Auf der anderen Seite ließen sich aus bisher nicht hinreichend ausgewerteten und vor allem nicht miteinander verknüpften medizinischen Daten neue Erkenntnisse ziehen, die zu besseren Behandlungen und zu neuen Therapien führen könnten, sagt Gerloff. „Das ist für mich der interessanteste Punkt bei dieser Israel-Reise: wie das Ichilov-Krankenhaus die Gratwanderung schafft zwischen Cybersicherheit und dem Schutz der Daten von Patienten einerseits und der Nutzung und Verknüpfung dieser Daten für Fortschritte in der Medizin andererseits.“

Die neue Notaufnahme der Ichilov-Klinik war im Juli 2022 eröffnet worden; zur feierlichen Einweihung kam Israels Staatspräsident Jitzchak Herzog. Sein Land setzt auf Hightech-Entwicklungen; diese sind ein starker Treiber der israelischen Wirtschaft.

Tschentscher ist in Israel als Bundesratspräsident unterwegs

Peter Tschentscher fährt bei seiner Israel-Reise als Bundesratspräsident als Nächstes nach Jerusalem. Dort sind zwei Besuche bei Spitzen des jüdischen Staates geplant: Am Mittwoch soll Hamburgs Bürgermeister mit Premier Benjamin Netanjahu zusammenkommen; am Donnerstag ist ein Treffen mit Staatspräsident Jitzchak Herzog vorgesehen.

In der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem wird Tschentscher einen Kranz zum Gedenken an die Opfer der Shoah niederlegen. Zudem will Hamburgs Bürgermeister das Zentralarchiv zur Geschichte des Jüdischen Volkes besuchen – dieses arbeitet bei der Digitalisierung der historischen Bestände der Jüdischen Gemeinde in Hamburg mit dem Hamburger Staatsarchiv zusammen.

Voraussichtlich am Donnerstagmittag fährt Tschentscher dann in die Palästinensischen Gebiete. In Ramallah sind Gespräche geplant mit Mahmoud Abbas, dem Präsidenten der Palästinensischen Autonomiebehörde, mit Premierminister Mohammad Shtayyeh sowie Außenminister Riad al-Malki. Am Freitag soll die Reise nach Bethlehem führen, wo ein Austausch mit Bürgermeister Hanna Hanania ansteht.