Hamburg. Am Dienstag wurden mehrere Varianten und Elemente des Bauvorhabens im Grindelviertel vorgestellt. Das sind die ersten Reaktionen.

Es ist ein erster wichtiger Schritt zur Realisierung eines der spektakulärsten Bauprojekte der nächsten Jahre: Die Jüdische Gemeinde in Hamburg und der rot-grüne Senat haben sich auf den Wiederaufbau der von den Nazis 1938 in Brand gesetzten und später zerstörten Bornplatzsynagoge am Grindelhof (Ro­therbaum) verständigt. Grundlage der Entscheidung ist die 370 Seiten umfassende Machbarkeitsstudie des Frankfurter Architekturbüros Wandel Lorch Götze Wach, die von der Jüdischen Gemeinde in Auftrag gegeben und am Dienstag im Rathaus vorgestellt wurde.

„Dass wir heute die Machbarkeit des Wiederaufbaus der Bornplatzsynagoge verkünden, ist nichts anderes als sensationell. Das Sensationelle ist, dass ganz Hamburg es gemeinsam mit der Jüdischen Gemeinde will“, sagte Philipp Stricharz, der Erste Vorsitzende der Gemeinde. „Der Senat unterstützt das Projekt, mit dem Wiederaufbau der von den Nationalsozialisten zerstörten Synagoge erneut einen zentralen Ort des jüdischen Lebens in Hamburg zu schaffen“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD).

Bornplatzsynagoge: Bürgerschaft stimmte für Wiederaufbau

Das Gotteshaus soll exakt an der Stelle der ersten Synagoge entstehen und sich in Form und Umfang am Vorgängerbau orientieren, aber keine 1:1-Replik sein. Der zentrale Betsaal wird mit 600 Plätzen etwa halb so groß sein wie der der ersten Bornplatzsynagoge. Vorgesehen sind weitere Räume für Gemeindeaktivitäten, eine Begegnungsstätte und die Ritualbäder sowie drei weitere Gebäude.

Der benachbarte, von den Nazis gebaute Luftschutzbunker muss abgerissen werden. Laut der Studie ist eine belastbare Kostenaussage noch nicht möglich. Ein „Grobkostenrahmen“ sieht Ausgaben zwischen 153 und 223 Millionen Euro vor. Über die genaue Gestalt der Synagoge soll bis Ende 2023 ein Architekturwettbewerb entscheiden.

Studie: Wiederaufbau der Synagoge ist machbar

Die entscheidende Botschaft des Tages umfasste nur drei Worte: „Es ist machbar!“ Ob in der Mitteilung des Senats, in den Reden der Protagonisten oder in der 370 Seiten umfassenden Studie, die am Dienstag im Rathaus vorgestellt wurde – immer wieder tauchten diese Worte auf, die keinen Zweifel daran aufkommen lassen sollten, dass das einst größte jüdische Gotteshaus in Norddeutschland, die Bornplatzsynagoge im Grindelviertel, wieder aufgebaut wird.

„Die Idee der Jüdischen Gemeinde in Hamburg, die ehemalige Synagoge am Bornplatz in geeigneter Form wieder aufzubauen, hat große Unterstützung in der Stadtgesellschaft gefunden“, sagte Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und betonte: „Auch der Senat unterstützt das Projekt, mit dem Wiederaufbau der von den Nationalsozialisten zerstörten Synagoge erneut einen zentralen Ort des jüdischen Lebens in Hamburg zu schaffen.“ Aus der von der Gemeinde beauftragten Machbarkeitsstudie gehe klar hervor: „Ein solcher Neubau ist machbar.“

Bornplatzsynagoge: Bürgerschaft stimmte für Wiederaufbau

Es sei „ein großer Tag für die Stadt“, so die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), und „ein klares Zeichen dafür, dass nicht Nazi-Barbarei obsiegt hat, sondern jüdisches Leben“. Und Parlamentspräsidentin Carola Veit (SPD) erinnerte daran, dass die Bürgerschaft bereits 2020 einstimmig für den Wiederaufbau votiert habe: „Das jüdische Gotteshaus war und soll wieder ein Wahrzeichen des jüdischen Lebens im Herzen unserer Heimatstadt sein.“ Besonders emotional wurde Philipp Stricharz, Erster Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde in Hamburg: „Sensationell“ sei nicht nur, dass der Neubau machbar sei, sondern „sensationell“ sei auch, „dass ganz Hamburg es will“.

1988, als das Relief im Boden des Bornplatzes zur Erinnerung an die von den Nazis zerstörte Synagoge entstanden sei, habe es an dem Ort kaum noch Spuren jüdischen Lebens gegeben. Heute dagegen habe an der benachbarten Talmud-Tora-Schule bereits der zweite Jahrgang das Abitur abgelegt, und es seien wieder Kinderstimmen zu hören. „Dafür hat sich Joseph Carlebach eingesetzt – nicht für öde Plätze und Nazi-Bunker“, so Stricharz mit Blick auf den letzten Oberrabbiner der alten Bornplatzsynagoge.

Synagoge wird Platz für 600 Menschen bieten

Er bekräftigte, dass die gesamte, rund 2300 Mitglieder umfassende Jüdische Gemeinde Hamburgs den Umzug in ihr historisches Zen­trums herbeisehne. Für die bestehende Synagoge an der Hohen Weide in Eimsbüttel werde sich eine geeignete Nutzung finden. Darüber, was wann in welcher Form und zu welchen Kosten im Grindelviertel entstehen soll, äußerten sich die Beteiligten dagegen vergleichsweise vage.

Eine Variante des Neubaus mit eckigen Formen.
Eine Variante des Neubaus mit eckigen Formen. © Freie und Hansestadt Hamburg

Klar wurde nur, dass die Synagoge in ihren historischen Dimensionen neu gebaut werden soll, dass sie zwar nur Platz für 600 statt früher 1200 Gläubige bieten, dafür aber weitere Gemeinde-Nutzungen aufnehmen soll. Ob das künftige religiöse Zentrum der Jüdischen Gemeinde sich baulich eher am historischen Vorbild orientiert – so wünscht es sich die Gemeinde – oder eher in einem modernen Gewand entsteht, darüber soll nun ein Architektenwettbewerb entscheiden.

Weiterer Neubau geplant

Oberbaudirektor Franz-Josef Höing sagte, er hoffe, diesen im kommenden Jahr abzuschließen. Wolfgang Lorch vom Büro Wandel Lorch Götze Wach, das die Machbarkeitsstudie erstellt hat, betonte, dass der Neubau nicht den Eindruck erwecken dürfe, zwischen 1938 und heute sei nichts geschehen: „Die falsche Botschaft wäre: Kontinuität.“ Daneben, zwischen der Synagoge und dem „Pferdestall“ der Uni, soll ein weiterer, moderner Neubau entstehen. In diesem soll die liberale jüdische Gemeinde eine eigene Synagoge erhalten, außerdem sollen dort einige Wohnungen, Verwaltung und eventuell ein Jugendzentrum einziehen.

Eine weitere Variante: Die neu Synagoge mit geschwungenen Formen.
Eine weitere Variante: Die neu Synagoge mit geschwungenen Formen. © Freie und Hansestadt Hamburg

Für diese beiden Neubauten muss der ehemalige Hochbunker auf dem Allende-Platz, den seit vielen Jahren die Universität nutzt, weichen. „Die Verwirklichung eines Zentrums jüdischen Lebens wird nicht im Schatten des Bunkers entstehen“, heißt es dazu unmissverständlich in der Machbarkeitsstudie. Das Problem daran: Ausgerechnet dieses Nazi-Bauwerk steht unter Denkmalschutz.

Bodenmosaik soll eingebunden werden

Allerdings hat das Denkmalschutzamt intern bereits dem Abriss zugestimmt. Das ebenfalls denkmalgeschützte Bodenmosaik auf dem Platz soll dagegen in das neue Gebäude eingebunden werden – wie auch immer. Zu untersuchen ist noch, inwiefern noch Fundamente und andere Überreste der alten Synagoge im Erdboden vorhanden sind.

Eine Variante des Neubaus mit viel Glas
Eine Variante des Neubaus mit viel Glas © Freie und Hansestadt Hamburg

Wie aus der Machbarkeitsstudie hervorgeht, sind darüber hinaus zwei weitere Neubauten geplant: eine kleine Bibliothek, die direkt an die Talmud-Tora-Schule angrenzen würde, sowie auf dem Hof der Schule ein Riegel-Bau für eine Grundschule und eine Kita – dass für diesen Neubau ein Bestandsgebäude abgerissen werden müsste, blieb bei der Präsentation der Studie unerwähnt.

153 bis 223 Millionen Euro angesetzt

Auch zu den Kosten des Projekts, für das der Bund bereits einen Zuschuss von 65 Millionen Euro zugesagt hat, wollte sich keiner der Beteiligten näher äußern. Er wolle jetzt keine Zahl nennen, die sich später als nicht belastbar herausstelle, sagte der Bürgermeister. In der Machbarkeitsstudie werden die möglichen Kosten dagegen zumindest grob dargelegt: Demnach muss mit Gesamtkosten für alle vier Gebäude mit Außenanlagen, Ausstattung und Baunebenkosten in Höhe von 153 bis 223 Millionen Euro gerechnet werden.

Diese Bandbreite decke bereits ab, „dass die Baupreise bis zu einer möglichen Bauausführung im Jahr 2029 um 50,4 Prozent steigen werden“, so die Studie. Demnach würde die Synagoge 49 bis 60 Millionen Euro kosten (je detaillierter die Rekon­struktion desto teurer), das Gemeindezentrum mit der liberalen Synagoge 26 bis 41 Millionen, die Bibliothek vier bis sieben Millionen und der Erweiterungsbau auf dem Schulhof etwa 25 bis 34 Millionen.

Bornplatzsynagoge: Wiederaufbau als klares Zeichen

Erste Anregungen für den Wiederaufbau der Synagoge und die Rückkehr des Zentrums jüdischen Lebens in den Grindelhof hatte es bereits 2010 gegeben. „Wir wünschen uns die Rückkehr an unseren alten Ort, denn der leere Platz ist eine Wunde in unserem Leben“, hatte der damalige Erste Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde, Ruben Herzberg, bei der Feier zum 50. Jahrestag der Eröffnung der Synagoge an der Hohen Weide gesagt.

Doch erst als Reaktion auf die Anschläge eines Rechtsextremisten am 9. Oktober 2019 in Halle, bei denen zwei Menschen starben und weitere Todesopfer nur durch glückliche Zufälle verhindert wurden, gewann die Idee eines Wiederaufbaus der Synagoge als entschlossenes Zeichen gegen Antisemitismus immer mehr an Zugkraft. Ende 2020 bewilligte der Bundestag auf Initiative mehrerer Hamburger Abgeordneter rund 65 Millionen Euro für den Wiederaufbau. Voraussetzung: Hamburg steuert die gleiche Summe bei. Ein entsprechender Beschluss der Bürgerschaft steht noch aus.

Die Initiative „Nein zu Antisemitismus – Ja zur Bornplatzsynagoge“ fand im Laufe weniger Monate 107.000 Unterstützer. Der Aufruf „Für einen breiten, offenen Diskurs über den Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge“ von zehn Wissenschaftlern spricht sich unter anderem für den Erhalt des Bodenmosaiks oder dessen Inte­gration in den Neubau aus.

Bornplatzsynagoge: Positive Reaktionen, aber auch Kritik am Senat

Die Reaktionen auf die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie fielen sehr positiv aus – mit einer Ausnahme.

Dirk Kienscherf, SPD-Bürgerschafts-Fraktionschef: „Die Vorstellung der Machbarkeitsstudie ist ein bedeutendes Signal für ganz Hamburg. Das jüdische Leben in unserer Stadt erhält den zentralen Ort zurück, der ihm vom Nationalsozialismus genommen worden ist. Ich würde mir wünschen, dass der Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge auch weiterhin ein Vorhaben bleibt, das von den demokratischen Parteien der Bürgerschaft geschlossen unterstützt wird.“

Dennis Thering, CDU-Fraktionschef: „Bis Ende 2020 sollte der Senat die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie präsentieren. Fast zwei Jahre später veranstaltet der Bürgermeister einen PR-Termin ohne konkrete Ergebnisse. Die Kosten sind ungeklärt, es gibt keinen Zeitplan und wer ist eigentlich Bauherr und trägt die Kosten? Der Wiederaufbau darf nicht durch das Zaudern der politisch verantwortlichen Kräfte weiter verzögert werden.“

Michael Gwosdz, religionspolitischer Sprecher der Grünen-Bürgerschafts-Fraktion: „Hamburg wird 84 Jahre nach ihrer Schändung und späteren Zerstörung eine neue Synagoge am Bornplatz bekommen. Ein Haus für Gebet und Begegnung an historischem Ort.“

Insa Tietjen, religionspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion: „Die Machbarkeitsstudie ist ein wichtiger Schritt, um jüdisches Leben in Hamburg, im Herzen von Eimsbüttel, sichtbarer zu machen. Antisemitismus und antisemitische Anschläge sind immer noch Realität – umso wichtiger ist das Ziel, neben einer Synagoge auch einen möglichst offenen Ort des Austauschs zu schaffen.“

Alexander Wolf, AfD-Vizefraktionschef: „Mit den Ergebnissen leistet die Studie einen wichtigen Beitrag zum Wiederaufbau. Der rot-grüne Senat nannte heute leider nur wenige Details.“

Anna von Treuenfels-Frowein, FDP-Bürgerschaftsabgeordnete: „Der Wiederaufbau ist ein klares Bekenntnis, um jüdisches Leben in Hamburg wieder sichtbarer zu machen.