Hamburg. Hamburg ist das einzige Bundesland ohne Kooperation mit einer israelischen Stadt. Sind Städtepartnerschaften überhaupt noch zeitgemäß?
„Opposition ist Mist“, wusste schon SPD-Legende Franz Müntefering. Wie frustrierend es ist, in der Minderheit zu sein, erfahren CDU, Linke und Co. Woche für Woche in der Bürgerschaft. Deren eigene Anträge werden in Serie von SPD und Grünen abgeschmettert.
Im etwas günstigeren Fall formuliert Rot-Grün ein Anliegen der Opposition etwas um und gießt das Ganze in einen eigenen Antrag, der dann beschlossen wird. Das höchste des parlamentarischen Mitgefühls, das sich SPD und Grüne erlauben, ist die Überweisung eines Oppositionsantrags zur weiteren Beratung in den zuständigen Ausschuss der Bürgerschaft.
Bündnis mit Israel: Wie gelingt Hamburg eine Städtepartnerschaft?
Über diesen seltenen „Erfolg“ konnten sich die Christdemokraten freuen, als die Bürgerschaft am Mittwoch – noch dazu einstimmig – ihren Antrag „Hamburgs Partnerschaft mit einer Stadt in Israel verwirklichen“ in den Europaausschuss überwies. Damit ist die kuriose Situation entstanden, dass die Bürgerschaft gleich zwei Anträge und sogar einen Beschluss zur selben Sache vorliegen hat, ohne dass die Kooperation auch nur einen Schritt näher gerückt ist.
Seit 2019 schmorte ein weiterer CDU-Vorstoß zur Gründung einer Städtepartnerschaft mit Israel im Europaausschuss. Der wurde nun zwar formal zugunsten des neuen Antrags zurückgezogen, den SPD und Grüne wegen dieser Doppelung aber prompt als „Showantrag“ bezeichneten, dennoch trotzdem „ernsthaft und eingehend“ wollen.
Vor 23 Jahren beschloss die Bürgerschaft einstimmig eine Drei-Städte-Partnerschaft
Dann gibt es noch den einstimmigen (!) Beschluss der Bürgerschaft vom 13. Juli 2000, eine Drei-Städte-Partnerschaft mit dem israelischen Ashkelon und dem palästinensischen Gaza anzustreben. Gut, das war damals von der Hoffnung auf einen erfolgreichen Friedensprozess zwischen Israelis und Palästinensern getragen. Die Chance auf Frieden ist ferner denn je, und jeder Kontakt mit Gaza muss aufgrund der aktuellen politischen Lage als ausgeschlossen gelten. Dennoch: Man ahnt angesichts der jahrzehntelangen Diskussion schon, dass sich Hamburg mit einer Partnerschaft mit einer israelischen Stadt schwertut. Doch woran hakt es?
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Hamburg unterhält neun Städtepartnerschaften mit unterschiedlicher Intensität. Das erste, aktuell eingefrorene Bündnis mit Leningrad/St. Petersburg 1957 war ein Zeichen der Völkerverständigung trotz des Eisernen Vorhangs. Das Bündnis mit Dresden 1987 setzte noch vor dem Fall der Mauer auf Verständigung zwischen Ost und West gerade auf kommunaler, „unterer“ Ebene, aber mit direkten Kontakten zwischen den Menschen. Um politische Symbolik ging es nicht zuletzt auch bei der Partnerschaft mit der nicaraguanischen Stadt Léon 1989 nach der (damals noch begrüßten) sandinistischen Revolution oder mit dem tansanischen Daressalam 2010 als erster Stadt in Afrika.
Es gibt eine Reserviertheit gegenüber Israel wegen dessen Siedlungspolitik
Für ein solches Bekenntnis zum jüdischen Staat und zur einzigen Demokratie im Nahen Osten im Rahmen einer Städtepartnerschaft fehlt bislang in Hamburg augenscheinlich die Entschlossenheit und Bereitschaft. Der Befund ist eindeutig: Der Stadtstaat ist mittlerweile das einzige Bundesland ohne eine solche Partnerschaft, von der es rund 100 zwischen Deutschland und Israel gibt. Einen Hinweis auf die bemerkenswerte hanseatische Zurückhaltung gibt der Beschluss zur Drei-Städte-Partnerschaft. SPD und Grüne stimmten nur dieses eine Mal einer Partnerschaft mit einer israelischen Stadt zu, weil auch die palästinensische Seite eingeschlossen war.
Es gibt besonders auf der linken Seite des politischen Spektrums eine deutliche Reserviertheit gegenüber Israel wegen dessen Siedlungs- und Palästinenserpolitik. Das mag eine Verständigung auf lokaler Ebene über die Jahre erschwert haben, auch wenn das hier niemand so klar sagen würde. Hinzu kommt, dass es mit dem Hamburger Selbstverständnis als stolzer Stadt kaum vereinbar ist, gewissermaßen als Nachzüglerin ein solches Bündnis einzugehen. Die Metropole Tel Aviv hat allein 29 Partnerstädte, darunter fünf deutsche. Auf ein Alleinstellungsmerkmal darf man im Rathaus also nicht mehr hoffen.
Städtepartnerschaft – die Jüdische Gemeinde wäre „begeistert“
Dabei wäre jetzt der Zeitpunkt für eine Intensivierung der Kontakte günstig. Der Staat Israel hat gerade seinen 75. Gründungstag gefeiert. Die schwierige politische Lage, ausgelöst durch die rechtsgerichtete Regierung, könnte geradezu ein Ansporn sein, zumal die Protestwelle gegen Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und seine Mitstreiter die Demokratie gestärkt hat. Es kommt hinzu, dass jüdisches Leben in Hamburg sichtbarer wird. Herausragendes Beispiel ist der geplante Wiederaufbau der Bornplatzsynagoge im Grindelviertel, die die Nationalsozialisten in Brand gesetzt und zerstört haben und deren Reste sie auf Kosten der Jüdischen Gemeinde abtragen ließen.
„Wir wären begeistert, wenn Hamburg endlich eine Partnerschaft mit einer israelischen Stadt eingehen würde“, sagt Philipp Stricharz, erster Vorsitzender der Jüdischen Gemeinde, dem Abendblatt. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), der Ende Mai als Bundesratspräsident zu einem Staatsbesuch nach Israel fliegt, reagierte auf den CDU-Vorstoß in dieser Woche eher mit einem freundlich-verklausulierten Nein. Der Wunsch nach einer Partnerschaft sei „nachvollziehbar“, so Tschentscher, aber ein solches Bündnis dürfe „keine leere Hülle“ sein.
Der Senat verfolgt die Idee „strategischer Partnerschaften“ mit mehreren Städten
Im Übrigen verfolge Hamburg die Idee strategischer Partnerschaften nicht mit einer Stadt, sondern mit mehreren Städten und Regionen in Israel. Tatsächlich findet ein breiter Austausch im Bereich Wissenschaft mit Hochschulen und Forschungseinrichtungen sowie zwischen Unternehmen vor allem in Tel Aviv, Haifa, Rehovot und Jerusalem statt.
Auch die Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne), die als erstes Senatsmitglied nach langer Zeit 2017 und 2019 nach Israel gereist war, bleibt vorsichtig. „Ich habe große Sympathien dafür, dass Hamburg die Bindung mit Israel vertieft. Ob das im Rahmen einer Städtepartnerschaft oder in Form von Projekten, Themen oder Kooperationen an verschiedenen Orten erfolgt, müssen wir in Zukunft gemeinsam weiter intensiv bewegen“, sagt Fegebank dem Abendblatt.
Dass alle Partnerschaften in schönster Blüte stehen, wird niemand behaupten
Im Hintergrund wird längst die Frage diskutiert, ob Städtepartnerschaften überhaupt noch zeitgemäß sind. Dass die neun Verschwisterungen Hamburgs allesamt in schönster Blüte stehen, wird niemand ernsthaft behaupten wollen. Offensichtlich funktioniert bei den meisten Bündnissen der Austausch auf der Verwaltungsebene ausweislich der zahlreichen Dienstreisen relativ gut, ergänzt um gelegentliche Delegationsreisen auf politischer Ebene.
Entscheidend für die Lebendigkeit einer Städtepartnerschaft sind jedoch die vielfältigen Kontakte der Bürgerinnen und Bürger auf zivilgesellschaftlicher Ebene oder zwischen Schulen und kulturellen Einrichtungen. Beispiel Schüleraustausch: Im letzten Vor-Corona-Jahr, 2019, nahmen 173 Jugendliche aus 14 Hamburger Schulen an einem Aufenthalt in einer der neun Partnerstädte teil. In umgekehrter Richtung waren es genauso viele. Außerschulisch waren es noch einmal 360 junge Menschen bis 27 Jahre aus Hamburg sowie den Partnerstädten. Die Zahlen nehmen sich bescheiden aus angesichts von rund 260.000 Schülerinnen und Schülern in Hamburg. Für die Pflege der neun Partnerschaften steht der Senatskanzlei jährlich eine knappe halbe Million Euro zur Verfügung – bei einem Gesamtetat von 18,3 Milliarden Euro.
Städtepartnerschaft: Distanz zwischen Hamburg und Israel zu spüren
Wie dem auch sei: Die Distanz zwischen Hamburg und Israel ist auch in diesen Tagen zu spüren. Rund um das 75. Gründungsjubiläum des Staates Israel am 14. Mai sind keine offiziellen Veranstaltungen geplant. Andere machen es anders: Der Bayerische Landtag zum Beispiel lud zu einem „bayerisch- israelischen Freundschaftstag“ mit mehr als 500 Gästen ein. In Hamburg veranstaltete nur die Konrad-Adenauer-Stiftung einen Diskussionsabend aus Anlass der Staatsgründung. Motto: „Wer nicht an Wunder glaubt, ist kein Realist!“ Passt irgendwie auch auf das Thema Städtepartnerschaft.