Hamburg. Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt verabschiedet sich. Auch von der Opposition gab es anerkennende Worte.

Eigentlich sollte es in der Haushaltsdebatte um den Etat der Stadtentwicklungsbehörde gehen. Doch anders als in den Debatten zu wohnungspolitischen Themen der vergangenen Wochen, in denen es zwischen den Abgeordneten mehrfach zum heftigen Schlagabtausch gekommen war, schlugen die stadtentwicklungspolitischen Sprecher der Fraktionen in der Bürgerschaftssitzung am Mittwoch geradezu versöhnliche Töne an. Es gab zwar auch Kritik am Kurs des rot-grünen Senats, doch diese fiel verhältnismäßig milde aus.

Grund hierfür war der letzte Auftritt von Stadtentwicklungssenatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD), an die sich die Redner aller Fraktionen mit Ausnahme der AfD am Ende ihres jeweiligen Beitrags mit dankenden und anerkennenden Worten richteten.

Sudmann (Linke): „Ich danke Ihnen für den guten Streit“

Seit 2015 habe Stapelfeldt als Stadtentwicklungssenatorin maßgeblich dazu beigetragen, dass der Wohnungsbau in Hamburg so erfolgreich war, sagte Parteikollegin Martina Koeppen, die der Senatorin im Anschluss einen Blumenstrauß überreichte.

Auch von der Opposition gab es Blumen. Anke Frieling (CDU) würdigte Stapelfeldt ebenfalls mit einem Strauß im Namen ihrer Fraktion. Grünen-Politiker Olaf Duge, der seinen Redebeitrag mit den Worten: „Ganz herzlichen Dank Frau Senatorin, für die geleistete Arbeit“, beendete, übergab die Dankesworte zum Abschluss der Debatte auch noch mal in Form eines großen Lebkuchenherzens.

Linken-Stadtentwicklungsexpertin Heike Sudmann verwies auf den guten Diskurs mit der Senatorin. „Wir haben uns oft gezofft, aber immer um die Sache. Ich danke Ihnen für den guten Streit.“ Anna von Treuenfels-Frowein lobte Stapelfeldts Unaufgeregtheit. „Das fand ich richtig cool.“ Zudem habe sie „für diese Stadt unendlich viel geleistet“.

Anke Frieling (CDU) bedankt sich bei der scheidenden Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) mit Blumen.
Anke Frieling (CDU) bedankt sich bei der scheidenden Senatorin Dorothee Stapelfeldt (SPD) mit Blumen. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

In der Etatdebatte ging es jedoch auch um die aktuellen Probleme im Wohnungsbau. Die rot-grüne Fraktion setze auf Kurs halten, sagte Frieling. In der Vergangenheit hätten die Senatorin und die Wohnungswirtschaft „die Welle gut geritten“. Steigende Baukosten, hohe Zinsen, Inflation – mittlerweile seien die Rahmenbedingungen „komplett anders“ als noch vor zwei Jahren.

Die selbstgesteckten Ziele könnten nicht mehr erreicht werden, so Frieling. Zudem habe der Kompromiss mit den beiden Volksinitiativen den Wohnungsbau erschwert. Sanktionierung und Reglementierung würden jegliche Dynamik aus dem Wohnungsbausektor nehmen, kritisierte sie. „Wohnungsbau schwer zu machen scheint ohnehin die neue Maxime ihrer Arbeit zu sein.“

Treuenfels-Frowein: 10.000 Wohnungen seien kaum zu realisieren

Wunsch und Wirklichkeit im Bereich Stadtentwicklung lägen sehr weit auseinander, sagte auch von Treuenfels-Frowein. 10.000 Wohnungen seien kaum mehr zu realisieren. Die neue Stadtentwicklungssenatorin sei nicht zu beneiden, so die FDP-Abgeordnete.

„Sie muss beim abstürzenden Vorzeigeprojekt Wohnungsbau schnellstens und effektiv gegensteuern.“ Rot-Grün verfehle die eigenen Ziele mit Ansage. Verschleppte Genehmigungsverfahren, strenge Vorgaben für energetische Sanierung und eine investorenfeindliche Grundeinstellung vertrieben die Bauherren aus der Stadt.

Auch Alexander Wolf (AfD) ging auf den „Zielkonflikt zwischen günstigem Bauen und Wohnen einerseits und Klimaschutz und maximalen Bauvorschriften andererseits“ ein. „Beides zusammen geht nicht“, betonte er und forderte: „Schluss mit diesem klimaideologischen Wolkenkuckucksheim.“

80 Millionen Euro pro Jahr für klimagerechte Sanierungen

Linken-Politikerin Sudmann bemängelte vor allem die Defizite im sozialen Wohnungsbau. Der Drittelmix sei verfehlt worden. „Sie haben es geschafft Dreiviertel der Neubauwohnungen als teure Wohnungen zu bauen.“ Im vergangenen Jahr habe es den höchsten Mietenanstieg seit Jahrzehnten gegeben. „Die Politik wirkt hier in Hamburg nicht so, wie sie es beschrieben haben“, so Sudmann. „Alle Gelder müssen da rein fließen, dass mehr günstige Wohnungen gebaut werden und erhalten bleiben.“

Für einen Lacher sorgte SPD-Stadtentwicklungsexpertin Koeppen, die sagte: „Trotz rasant steigender Baukosten, Lieferengpässe, Fachkräftemangel und steigender Zinsen werden wir an unserem Ziel, 100.000 Wohnungen jährlich zu genehmigen, festhalten.“ Gemeint waren 10.000 Wohnungen, was aufgrund der schwierigen Situation „auch schon eine Herausforderung“ sei, so Koeppen, aber „den Kopf in den Sand zu stecken, bringt uns auch nicht weiter“.

Ein weiteres wichtiges Feld sei der Klimaschutz. „Zur Umsetzung der umfassenden Machbarkeitsstudie der ARGE soll ein verbindlicher Sanierungsplan für den Hamburger Gebäudesektor erstellt werden.“ Hierfür stünden im Haushalt pro Jahr 80 Millionen Euro zur Verfügung.

Stapelfeldt: „36 Jahre aktive Politik für Hamburg gehen zu Ende“

Die rot-grüne Koalition habe sich immer „offensiv und handlungsorientiert den zahlreichen Herausforderungen im Wohnungsbereich gestellt“, sagte Grünen-Politiker Duge. „Wir werden das auch in Zukunft weiter so handhaben und der vorliegende Haushaltsentwurf ist dafür eine hervorragende Grundlage.“ Die geäußerten Unkenrufe seien fehl am Platz fügte Duge in Richtung der CDU-Fraktion hinzu. „Gemeinwohlorientierung ist ein leitendes Motiv der rot-grünen Wohnungs- und Bodenpolitik.“

Am Ende der Debatte stand Stapelfeldt schließlich ein letztes Mal selbst am Rednerpult. „36 Jahre aktive Politik für Hamburg, die ich aus beiden Perspektiven – Bürgerschaft und Senat – erleben und mitgestalten durfte, gehen morgen zu Ende.“ 24 Jahre habe sie das Privileg gehabt, Mitglied der Hamburgischen Bürgerschaft, „dem Herz der Demokratie“ zu sein.

Hamburg: 125.000 genehmigte neue Wohnungen seit 2011

Die Haushaltsansätze des Einzelplans der Stadtentwicklungsbehörde für die Jahre 2023 und 2024 seien gegenüber den Vorjahren „deutlich erhöht“, so die Senatorin. Im kommenden Jahr betrage das Gesamtvolumen des Haushalts rund 434 Millionen, im Jahr darauf dann 452 Millionen. „Das heißt, wir haben einen gewachsenen Handlungsspielraum.“ Das Geld sei gut angelegt, denn es bleibe eines der zentralen Ziele des Senats „Hamburg als Stadt mit bezahlbaren Wohnungen und hoher Lebensqualität zu erhalten und weiterzuentwickeln.“

Stapelfeldt betonte auch die Erfolge des Bündnisses für das Wohnen, in dem mit der Wohnungswirtschaft an einem Strang gezogen werde. Für die enge Zusammenarbeit bedankte sie sich bei allen Beteiligten und verwies auf „die beeindruckenden Erfolge mit inzwischen mehr als 125.000 genehmigten, neuen Wohnungen seit 2011“. Sie sei guter Hoffnung, dass die Ziele bei den genehmigten Wohneinheiten auch in diesem Jahr erreicht werden können.

„Ich bin Ihnen sehr dankbar dafür, dass wir uns in der Bürgerschaft politisch streiten konnten, ohne uns dabei im Kern die guten Absichten für das Allgemeinwohl abgesprochen zu haben“, sagte Stapelfeldt, bevor sie ihre Rede mit den Worten schloss: „Hier zu wirken war mir eine Freude und auch eine Ehre.“ Anschließend erhoben sich die Abgeordneten sowie die Senatsmitglieder und dankten der 66-Jährigen mit lange andauerndem Applaus – eine Geste, die jüngst beim scheidenden Wirtschaftssenator Michael Westhagemann (parteilos) zu sehen war, aber sonst eher selten im Rathaus ist.

Standing Ovations am letzten Tag von Dorothee Stapelfeldt in der Bürgerschaft.
Standing Ovations am letzten Tag von Dorothee Stapelfeldt in der Bürgerschaft. © Michael Rauhe / FUNKE Foto Services | Michael Rauhe

„Hamburg hat allen Grund Dir dankbar zu sein“, sagte Bürgerschaftspräsidentin Carola Veit zum Abschluss. Stapelfeldt habe nicht zuletzt auch daran mitgewirkt und sich dafür engagiert, dass weibliche Abgeordnete es leichter haben. „Dass wir heute nicht mehr über Rocklängen und Ausschnitte diskutieren müssen, da hast du einen großen Anteil dran.“