Hamburg. Um oberste Stadtentwicklerin zu werden, musste Karen Pein ihre geliebte Heimatstadt erst verlassen. Wie die SPD-Politikerin tickt.
Bevor sie Karriere in Hamburg machen konnte und sich für das Amt der Stadtentwicklungssenatorin empfahl, musste Karen Pein ihrer Heimat zunächst den Rücken kehren. Ihr blieb damals gar nichts anderes übrig. Sie hatte am Johanneum in Winterhude ihr Abi gemacht, anschließend Städtebau und Stadtplanung an der Technischen Universität in Harburg studiert und ein Einser-Diplom in der Tasche. „Aber es gab nichts zu holen hier“, erzählt sie. Alle Bewerbungen blieben erfolglos. Der Arbeitsmarkt in Hamburg sei 1999 furchtbar gewesen.
Weil Pein allerdings „unbedingt aus der Theorie in die Praxis“ wollte, suchte sie zum Milleniumswechsel bundesweit nach einem Job – und fand ihn im Stadtplanungsamt von Magdeburg. Dort trug die junge Hochschulabsolventin zu einem Rückbaukonzept bei, das unter anderem den Abriss von leerstehenden, maroden Gebäuden vorsah. Sie lernte, wie wichtig es bei der Stadtentwicklung ist, „Partner an Bord zu bringen“, und dass ihr dafür etwas Wichtiges fehlte.
SPD-Senatorin Karen Pein: „Ich bin sehr zielstrebig“
Bei einer Diskussion mit Magdeburger Genossenschaften zur Zukunft eines 16-geschossigen Gebäudes sei ihr bewusst geworden: „Wenn man nicht die wirtschaftlichen Zusammenhänge in der Stadtentwicklung versteht, kann man nicht auf Augenhöhe mit Partnern sprechen und auch nicht die richtigen Hebel einsetzen.“ Damals habe sie beschlossen, ein Aufbaustudium für Immobilienökonomie zu absolvieren.
Erneut an einer Hochschule zu lernen, sogar berufsbegleitend, das war nicht geplant. „Es ist das eine, was man will, aber das andere, was man braucht“, sagt Pein rückblickend. „Ich bin sehr zielstrebig in dem, was ich tue. Wenn ich einen unbequemen Weg gehen muss, dann mache ich das.“
Pein muss jährlich 10.000 Wohnungen bauen lassen
Ihr Durchhaltewillen und das Wissen aus zwei Welten sollten der 49-Jährigen heute mehr denn je zupass kommen. Denn wenn die Bürgerschaft sie am Donnerstag zur Nachfolgerin von Dorothee Stapelfeldt (SPD) an der Spitze der Stadtentwicklungsbehörde wählt, kommen große Aufgaben auf die neue Senatorin zu. Der rot-grüne Senat will an seinem Ziel festhalten, 10.000 neue Wohnungen pro Jahr zu bauen, obwohl schon 2021 nur noch 7461 Wohnungen fertiggestellt wurden. Steigende Baupreise, Fachkräftemangel und Energiekrise erschweren das Vorhaben erheblich.
Pein schreckt das nicht – im Gegenteil. „Ich bin mir der Herausforderung, vor der wir stehen, sehr bewusst“, sagte sie im Rathaus bei der Pressekonferenz zur Senatsumbildung. Es werde weiterhin darum gehen, für bezahlbares Wohnen in Hamburg zu sorgen und die Stadt an die Herausforderungen des Klimawandels anzupassen. Sie freue sich auf dieses Amt, sagte sie, sprach von einer „großen Ehre“ und verwies darauf, dass sie „gebürtige Hamburgerin“ ist. Ihre Identifikation mit der Hansestadt ist groß.
Karen Pein kehrte aus Bremen nach Hamburg zurück
In Magdeburg war sie zwei Jahre lang geblieben. Anschließend arbeitete Pein erst freiberuflich, dann drei Jahre lang bei dem Wohnungsunternehmen Gewoba in Bremen. Im Jahr 2006 kehrte sie mit dem zusätzlichen Diplom in Immobilienökonomie nach Hamburg zurück: für einen Job in der Immobilienanlageberatung bei der Privatbank Berenberg. Dort hörte Pein allerdings nach nur elf Monaten auf, weil sie etwas anderes in der Hansestadt fesselte: die Internationale Bauausstellung (IBA).
Als der Name des Geschäftsführers der durchführenden Projektgesellschaft in der Zeitung stand, habe sie sofort eine Bewerbung losgeschickt, erzählt Pein. Vier Tage später bekam sie einen Arbeitsvertrag als Projektkoordinatorin. Als die Bauausstellung 2013 endete, wurde die IBA zu einer städtischen Entwicklungsgesellschaft für Projekte in Hamburger Stadtteilen. Karen Pein leitete die Quartierentwicklung in Neugraben. Im Mai 2015 stieg sie zur IBA-Geschäftsführerin auf. Zuletzt war sie die Dienstälteste.
Auch Kameras bringen Pein nicht aus der Ruhe
Dann stand sie plötzlich im Rampenlicht. Als sie im schwimmenden IBA-Dock am Zollhafen auf der Veddel den jüngsten Stand der Planungen für Hamburgs 105. Stadtteil Oberbillwerder bei einem Livestream präsentierte, sah Pein sich einem Halbkreis aus Kameras und ungewöhnlich vielen Journalisten gegenüber, die gekommen waren, um ihren ersten Auftritt als designierte Stadtentwicklungssenatorin zu beobachten. Pein ließ sich von dem Andrang allerdings nicht aus der Ruhe bringen. Freundlich, aber bestimmt wehrte sie Fragen zu ihrer künftigen Rolle ab.
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Ohne auch nur ein Wort abzulesen, lieferte die IBA-Chefin einen 36-minütigen Überblick, was im Bezirk Bergedorf auf dem 118 Hektar großen Areal vorgesehen ist: von der Architektur der Gebäude mit einem variierenden Höhenspiel und wechselnden Fassadenmaterialien über die Wärmeversorgung aus erneuerbaren Energien, das Mobilitätskonzept mit Hochgaragen bis hin zum „Grünen Loop“ – so nennt die IBA einen geplanten ringförmigen Park inmitten des Quartiers, der bei Starkregen wie ein riesiger Schwamm wirken und mehr als 63.000 Kubikmeter Wasser aufnehmen können soll.
Viel Vorschusslorbeer für Entscheiderin Pein
Auch mitunter sperrige technische Details könnten sehr wichtig sein, sagt Pein. „Am Ende baut man hier ja Heimat für ganz viele Menschen.“ Dabei liege es eigentlich nicht in ihrem Naturell, sich länger mit Einzelheiten zu beschäftigen.
„Ich laufe immer vor, brauche jemanden, der sagt: Komm, wir drehen uns noch einmal um und gucken, ob wir in die richtige Richtung laufen.“ Sie setze dabei auf ihre Mitarbeitenden. „Ich kann Teamarbeit. Ich muss nicht alles allein machen. Ich höre mir gerne andere Meinungen an“, sagt Pein. „Aber am Ende muss man es dann entscheiden.“
Für die Entscheidung von Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD), die IBA-Chefin in den Senat zu holen, gab es Lob vom grünen Koalitionspartner. Pein sei „die Idealbesetzung aus SPD-Sicht als Nachfolgerin für Dorothee Stapelfeldt“, sagte Grünen-Fraktionschef Dominik Lorenzen. „Sie kann von Tag eins an dieses Amt ausfüllen, hat die nötige Vernetzung in die Stadtgesellschaft.“
Angetan zeigte sich auch Andreas Breitner, Chef des Verbands norddeutscher Wohnungsunternehmen. An die Behördenspitze komme mit Pein eine „Frau vom Fach“, die „neuen Schwung“ bringe. „Sie guckt aus ihrer Geschäftsführung und ihrer Erfahrung heraus aus einer anderen Perspektive auf das Thema.“
Karen Pein führt eine Hamburger SPD-Ehe
So sehr Pein die Stadtentwicklung mag, sie hat auch noch andere Vorlieben. In ihrer Freizeit geht sie joggen, liest, guckt gerne Filme. „Aber am liebsten bin ich verabredet mit Freunden und Familie.“ Karen Pein ist mit dem sozialdemokratischen Bürgerschaftsabgeordneten Milan Pein verheiratet, sie haben einen Sohn.
Nach ihrem Berufsleben wolle sie reisen und „noch ganz viel von der Welt sehen, zum Beispiel den Urwald“, sagt die designierte Senatorin. Sie hatte kein Auslandsjahr während ihrer Schulzeit, gönnte sich keine längere Reise nach der Uni, auch kein Sabbatical, was sie heute ein wenig bedauert.
Bis zur Rente und längeren Ausstiegen ist es allerdings noch hin. Pein lacht: „Irgendetwas werde ich zwischendrin mal einstreuen.“ Jetzt konzentriert sie sich auf ihren Aufstieg.