Al-Nour-Moschee, Kurden und Schura verurteilen Gewalt
Neustadt. Nach den blutigen Auseinandersetzungen zwischen Kurden und radikalen Salafisten haben jetzt Schura (Rat der Islamischen Gemeinschaften in Hamburg), kurdische Verbände und Mitglieder der Al-Nour-Moschee Geschlossenheit demonstriert. Auf einer kurzfristig angesetzten Pressekonferenz verurteilten am Mittwoch Repräsentanten dieser Institutionen die gewalttätigen Übergriffe der Anhänger des „Islamischen Staates“.
Samir El-Rajab, Imam der Al-Nour-Moschee, vor der es zu den nächtlichen Krawallen kam, sagte: „Extreme Jugendliche dürfen unsere interreligiöse Arbeit nicht zunichte machen. Wir wollen Hand in Hand für Frieden sorgen.“ Die Konflikte, die die arabischen Staaten in Atem halten, würden jetzt nach Deutschland übertragen. „Wir“, fügte der aus Beirut stammende Imam hinzu, „distanzieren uns von allem, was gegen die Kurden stattfindet.“ Schura-Vorstandsmitglied Norbert Müller unterstrich die Bereitschaft der Hamburger Muslime, einer weiteren Eskalation entgegenzuwirken. Vertreter der Kurden wie Hasan Özkan vom Kurdischen Kulturzentrum kritisierten, dass die Weltöffentlichkeit sein Volk im verzweifelten Kampf um die nordsyrische Stadt Kobane im Stich lasse.
Bereits am Tag nach den Krawallen hatten sich Verantwortliche der muslimischen Religionsgemeinschaften in Hamburg, der kurdischen Vereine und der Polizei zu einem runden Tisch getroffen. Alles seien sich einig, dass es in Hamburg keine grundsätzlichen Streitigkeiten zwischen Muslimen und Kurden gebe, heißt es in einer Erklärung des Islamischen Zentrums Al-Nour mit Sitz am Kleinen Pulverteich. Die Auseinandersetzung zweier extremer Gruppen störe das „friedliche Miteinander in der Hansestadt“. Die freundschaftlichen Beziehungen zu allen Nachbarn am Steindamm sollten auch künftig erhalten bleiben.
Die kurdischstämmige Hamburgerin Cansu Özdemir hat die Übergriffe selbst miterlebt. Die Bürgerschaftsabgeordnete der Linken war am Dienstag gerade von einer langen Reise zur türkisch-syrischen Grenze nach Hamburg zurückgekehrt. Prompt nahm sie an der Kurden-Demonstration gegen den IS-Staat teil.
Die Lage eskalierte, als eine vermummte Gruppe von Salafisten die Kurden mit Messern angriff. „Das ging blitzschnell, vielleicht nur 60 Sekunden. Es gab viele Verletzte“, sagte Özdemir dem Abendblatt. Sie sei entsetzt gewesen über die Schnelligkeit eines solchen Angriffs. Es habe mehrere Verletzte gegeben. In der Krawallnacht seien die Beamten zu spät eingesetzt worden. Özdemir fordert nun, dass die kurdischen Einrichtungen von der Polizei geschützt werden, sollte es zu einer Eskalation kommen.
Wie Rechtsanwalt und Schura-Vorstand Norbert Müller sagte, hätten sich die salafistischen Jugendlichen über die sozialen Netzwerke organisiert, nachdem es einen Tag zuvor zu einer Schlägerei zwischen Kurden und Extremisten gekommen sei. Einige der Salafisten hätten in der „Krawallnacht“ die Moschee betreten. Sie seien mit Schlagstöcken und Messern bewaffnet gewesen. Müller: „Wir wurden bedroht.“ Obwohl die Polizei verständigt worden sei, habe es lange gedauert, bis die Beamten eintrafen. Zunächst hätten sie sogar Zweifel geäußert, ob es sich wirklich um Salafisten handele – bis Muslim Müller auf die Parolen der Salafisten-Gruppe verwies. Sie skandierten: „Kobane bleibt islamisch.“
Mit deutlichen Worten wandte sich das Islamische Zentrum Al-Nour gegen das Gerücht, eine muslimische Frau sei mit einem Messer so schwer attackiert worden, dass sie gestorben sei. „Das ist eine Lüge“, erklärten die muslimischen Repräsentanten.
Es gebe offenbar Gruppen, die eine weitere Eskalation heraufbeschwören wollten. Angesichts der Ereignisse fordert die aus Hamburg stammende Bundestagsabgeordnete der Linken Ulla Jelpke: „Wenn Überfälle auf kurdische Vereine organisiert werden, dann gibt es Hintermänner und Rädelsführer. Die müssen ebenso festgestellt und strafrechtlich belangt werden wie diejenigen, die sich an Gewalttaten beteiligen.“ Die Übergriffe von dschihadistischen Salafisten auf vermeintliche Gegner wie Kurden und Jesiden seien „eine Gefahr für das friedliche Zusammenleben hier im Land“.