Bei den jüngsten Ausschreitungen in Hamburg waren Kurden beteiligt – und sogenannte Salafisten. Die islamistische Gruppe ist Anlaufpunkt für junge Dschihadisten. Sie ist aber auch Fluchtpunkt für Gescheiterte und Frustrierte.
Hamburg. Nach Angaben von Sicherheitsbehörden, aber auch einzelner Islamverbände, sollen sogenannte Salafisten an den Ausschreitungen in der Nacht zu Mittwoch in Hamburg und Celle teilgenommen haben. Polizei und Verfassungsschutz, aber auch zahlreiche Forscher und Journalisten sprechen von Salafisten. Mehr als 5000 von ihnen leben in Deutschland, es ist eine kleine Minderheit der etwa vier Millionen Muslime in der Bundesrepublik. Vor allem aus dieser Gruppe der Islamisten sind nach Angaben der Sicherheitsbehörden „weit mehr als 450“ junge Menschen aus Deutschland nach Syrien oder in den Irak ausgereist, mindestens 40 sind es aus Hamburg. Einige von ihnen haben sich der Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) angeschlossen, andere helfen humanitär. Doch die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes über die deutschen „Dschihadisten” sind dünn, ihre Wege über die Türkei in die Kriegsgebiete nur schwer zu verfolgen.
Doch auch innenpolitisch stehen die sogenannten Salafisten unter Beobachtung. Sie erwecken mediales Aufsehen durch Aktionen wie eine „Scharia-Polizei“ und Wuppertal, öffentliche Kundgebungen und Koran-Ständen in Innenstädten. Radikale Prediger wie Pierre Vogel zählen zu der Gruppe. Verfassungsschützer machen vor allem Salafisten verantwortlich für die Anwerbung von IS-Kämpfern in Deutschland. Der Hamburger Verfassungsschutz zählt derzeit 150 gewaltbereite Salafisten in der Stadt, Tendenz steigend. Doch gerade die aktuellen Ausschreitungen zeigen, dass Salafisten über Telefonketten oder die sozialen Netzwerke im Internet schnell für Demonstrationen mobilisieren. Darunter sind nach Angaben des Bundesinnenministeriums auch Gewalttäter, die teilweise sogar von Demonstration zu Demonstration reisen.
Nicht alle Salafisten sind politisch. Sie selbst nennen sich „Salafiyya“, sunnitische Anhänger der Altvorderen. In ihrer fundamentalistischen Version des Islam gilt das Geschriebene im Koran, sie dulden keine moderne Interpretation der Schrift, wie die allermeisten der Muslime in Deutschland. Wer ein gutes Leben im Sinne der Salafisten führt, kommt ins Paradies. Allen anderen droht die Hölle. Viele sehnen sich nach der Einführung der Scharia, dem islamischen Recht, wissen aber auch, dass es in Deutschland nicht durchzusetzen ist. Der ultrakonservativen Auslegung des Islam ordnen Salafisten alles unter. Dabei spielen Nation und sozialer Status eine geringere Rolle. Afghanen, Marokkaner, Palästinener, Nigerianer und Tschetschenen, aber auch zahlreiche deutsche Konvertiten gehören zur salafistischen Bewegung in Deutschland.
Nicht alle gewaltbereiten Islamisten seien Salafisten, sagt der Verfassungsschutz, aber fast jeder Dschihadist komme aus diesem Milieu. Für viele Forscher ist der Salafismus vor allem eine Jugendbewegung. Die meisten der jungen Salafisten sind zwischen 20 und 30 Jahren alt. Und wie bei anderen radikalen Jugendlichen gehe es auch den jungen Islamisten um Suche nach Identität und Orientierung in einer Gesellschaft, in der Muslime noch immer ausgegrenzt werden. Mit der radikalen Auslegung des Islam und ihrer Kleidung, die sich am Propheten Mohammed orientieren soll, entsteht zwischen vielen Jugendlichen eine eingeschworene Gemeinschaft, in der einige auch Männlichkeitsfantasien und Gewaltfantasien ausleben. Manche Experten nennen die Salafisten „Pop-Dschihadisten“. Auch auf manchen einzelnen Hamburger Schulhöfen treffen sich Islamisten in ihren Cliquen. Eltern erzählen, wie sich ihre Kinder Namen geben wie „Hamsa“ oder „Assadullah“, der Starke oder der Löwe Gottes. Jeder will der bessere „Muslim“ sein.
Das Internet spielt bei der Verbreitung der salafistischen Ideologie eine große Rolle, hier sind die jungen Männer und Frauen vernetzt, hier verbreiten radikale Prediger wie Pierre Vogel ihre Video-Botschaften. Die Moscheen sind nur bei einer Minderheit der Salafisten Anlaufpunkt. Denn der Salafismus richtet sich auch gegen den „etablierten Mainstream-Islam“.