Größte Kapitalerhöhung der deutschen Unternehmensgeschichte. Dax-Konzern kann sich damit aus den Fängen des Staates lösen - oder nicht?
Frankfurt/Main. Die Commerzbank kann mit einer gigantischen Kapitalerhöhung den Staat weitgehend abschütteln. Die Hauptversammlung stimmte am Freitag trotz heftiger Kritik mit überwältigender Mehrheit dem Kurs des Managements zu, wie die Bank am Abend in Frankfurt mitteilte. Der Dax-Konzern kann somit elf Milliarden Euro einsammeln. Es ist die größte Kapitalerhöhung der deutschen Unternehmensgeschichte.
Mit Hilfe des Geldes will der teilverstaatlichte Konzern bis Mitte Juni den größten Teil der Staatshilfe tilgen. Insgesamt 14,3 Milliarden Euro der noch 16,2 Milliarden Euro Steuergeld sollen bis dahin zurückgezahlt werden. Der Bund, der der Commerzbank nach der riskanten Dresdner-Übernahme mitten in der Finanzkrise mit Milliarden zu Hilfe eilte, bleibt jedoch größter Einzelaktionär und hält weiterhin eine Sperrminorität von 25 Prozent plus einer Aktie.
Die Zustimmung der Hauptversammlung – am Ende waren es 98,9 Prozent – galt schon vorher als sicher: Der Bund hatte angekündigt, die Maßnahmen mitzutragen, ebenso wie der Versicherungskonzern Allianz als zweiter Hauptaktionär und die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Bei der Hauptversammlung waren etwas mehr als 47 Prozent des gesamten Kapitals der Commerzbank AG vertreten.
Bestärkt vom besten Jahresstart der Unternehmensgeschichte stellte Vorstandschef Martin Blessing weiter steigende Erträge in Aussicht. „Der positive Trend des ersten Quartals hat im April angehalten.“ In den ersten drei Monaten 2011 legte der Überschuss - wie bereits vorab mitgeteilt – auf knapp eine Milliarde Euro zu, nach gut 700 Millionen ein Jahr zuvor. Allerdings profitierte der Konzern auch davon, dass deutlich weniger Geld für faule Kredite zurückgelegt werden musste, zudem kam eine Kapitalmaßnahme zu Jahresbeginn zugute.
Blessing bekräftigte die Prognose, in diesem Jahr einen operativen Gewinn „signifikant“ über dem Vorjahreswert von 1,4 Milliarden Euro zu erreichen. 2012 soll das operative Ergebnis dann über die Marke von vier Milliarden Euro klettern.
Die Bank will stärker um Privat- und Geschäftskunden kämpfen. Der neue Privatkundenvorstand Martin Zielke kündigte für Mitte dieses Jahres die Einrichtung neuer Beratungszentren für Geschäftskunden in großen Städten an. Zudem sollen sich mehr Wertpapierspezialisten um die Bedürfnisse der Kunden kümmern.
„Durch die fast vollständige Rückführung der Stillen Einlage und die damit verbundene Entlastung in den kommenden Geschäftsjahren erhöhen wir unsere strategische und finanzielle Flexibilität“, erklärte Blessing. Zugleich rüste sich Deutschlands zweitgrößte Bank für die schärferen Kapitalanforderungen („Basel III“).
Für die vorzeitige Rückzahlung der Staatshilfen überweist der Dax- Konzern dem Bankenrettungsfonds Soffin eine Einmalzahlung von 1,03 Milliarden Euro. Diese Sonderzahlung – gewissermaßen ein Ausgleich für dem Staat entgangene Zinszahlungen – wird voraussichtlich den Gewinn des Instituts nicht schmälern. Die Einmalzahlung solle direkt vom Eigenkapital abgezogen werden und nicht in der Gewinn- und Verlustrechnung verbucht werden, erklärte Finanzvorstand Eric Strutz.
Die Hoffnung auf eine baldige Dividendenzahlung dämpfte der Vorstand: Nach heutigem Stand werde es erst für das Geschäftsjahr 2012 wieder eine Ausschüttung geben.
Heftige Kritik und Beschimpfungen für Blessing
Die Kapitalmaßnahme stieß bei Aktionären auf teils heftige Kritik. Etliche Anleger warfen dem Management vor, den Kurs der Aktie in den Keller getrieben zu haben. Blessing räumte ein, der Börsenwert der Commerzbank sei von rund 13 Milliarden Euro vor der Dresdner- Übernahme auf 5,7 Milliarden Euro geschrumpft.
Andere waren da schon etwas direkter: „Totalversager“, „Kapitalvernichter“, „Sanierungsschauspieler“ – die Commerzbank-Aktionäre lassen kaum ein gutes Haar an Konzernchef Martin Blessing. Der Kauf der Dresdner-Bank reizt viele Anteilseigner auch fast drei Jahre danach noch bis aufs Blut.
Der Kurs des Dax-Konzerns dümpelt seither vor sich hin, keine Dividendenzahlung bis 2012. Und der Bund bleibt einflussreichster Aktionär – trotz der Bemühungen des Managements, die Steuermilliarden früher als erwartet zurückzuzahlen. Bei der Hauptversammlung in Frankfurt am Freitag hagelt es Kritik.
„Wie konnte man sich nur die zurechtgeschminkte Leiche Dresdner Bank auf den Bauch binden lassen?“, schimpft Aktionär Richard Mayer aus München. Anleger Karl-Walter Freitag wettert: „Sie ziehen einen Zuckerguss über einen Müllhaufen, den sie in Form der Dresdner Bank übernommen haben.“
Die Übernahme war mitten in der Finanzkrise 2008 vereinbart worden und galt Experten wegen der vielen Probleme der Dresdner schon damals als riskant. Letztlich trieb der Deal die zweitgrößte deutsche Bank in die Fänge des Staates.
Den will Blessing nun weitgehend abschütteln und dafür die größte Kapitalerhöhung der deutschen Unternehmensgeschichte durchziehen. Zum Auftakt des Aktionärstreffens wirbt Blessing in einer eher technokratischen als mitreißenden Rede um Zustimmung: „Wir wollen mit den Kapitalmaßnahmen die schwierige Phase, die wir im Zuge der Finanzkrise durchlebt haben, endgültig hinter uns lassen.“
Dennoch: „Wir werden den Bund trotz dieser enormen Kapitalmaßnahme nicht los, so dass sie immer noch nach Herrn Schäubles Pfeife tanzen müssen“, urteilt Klaus Nieding von der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW). Der Bund wird weiterhin 25 Prozent plus eine Aktie halten und kann mit dieser Sperrminorität in die Geschäftspolitik hineinregieren.
Zwar stimmt die DSW der Kapitalerhöhung zu, aber nur mit Bauchschmerzen – denn die Anteile der Alt-Aktionäre werden durch die Ausgabe von Millionen neuer Aktien massiv verwässert. „Wir haben heute die Wahl zwischen Pest und Cholera. Da die Cholera aus medizinischer Sicht zu überleben ist, wählen wir sie“, sagt Nieding.
Aktionär Mayer schimpft: „Wenn was in der Kasse wäre, bräuchten wir die Kapitalerhöhung doch nicht.“ Wie andere Eigentümer des Dax- Konzerns wirft er Blessing Versagen vor. Seit dem Amtsantritt des Marathonläufers Blessing vor drei Jahren brach der Aktienkurs von gut 23 Euro auf zuletzt knapp über 4 Euro ein. Mayer: „Wollen Sie die restlichen 6 Milliarden an Börsenwert auch noch vernichten? Scheren Sie sich zum Teufel!“
Aktionär Freitag zieht auch die als Erfolg verkauften Zahlen des ersten Quartals in Zweifel. Der Vorstand habe „einen bilanziellen Heißluftballon aufgeblasen“: „Erst führen Sie das Unternehmen in den Bankrott, dann gebärden Sie sich hier als Sanierungsschauspieler.“ In der Tat: Einen Großteil des besten Jahresstarts der Konzerngeschichte verdankt die Commerzbank Sondereffekten.
Viele Anleger zweifeln, dass es dem Management gelingen wird, die beiden Großbanken zu einem dauerhaft profitablen Konzern zusammenzuschweißen. „Die Speisekarte von morgen macht heute nicht satt“, meint Wolfgang Aleff von der Aktionärsvereinigung GfW. Mayer: „Der Vorstand gehört nicht entlastet – sondern entlassen.“
(dpa/abendblatt.de)