Walter Scheuerl (CDU-Fraktion) prognostiziert viele ungültige Stimmen. Schaal (SPD) setzt auf “Faktencheck zwischen den Modellen“.
Hamburg. Manchmal sind es die Zwischentöne, die einer Debatte die Würze und politische Bedeutung geben. Monika Schaal, umweltpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, ließ in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft erkennen, dass sie mit dem Kurs von Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) beim Thema Rückkauf der Energieversorgungsnetze nicht völlig einverstanden ist. "Für mich kommt als Vertragspartner der Stadt kein Unternehmen infrage, das gegen den Atomausstieg klagt", sagte Schaal und meinte damit den Energieversorger Vattenfall.
Scholz, der nicht in die Debatte eingriff, will mit Vattenfall über den Rückkauf eines Anteils von 25,1 Prozent am Fernwärme- und Stromnetz in Hamburg verhandeln. So steht es auch im Arbeitsprogramm des Senats. Das Unternehmen, das drei AKW (Brunsbüttel, Brokdorf und Krümmel) betreibt, schließt eine Klage gegen den Atomkonsens nicht aus. Konsequent zu Ende gedacht, plädiert die Umweltpolitikerin Schaal für den kompletten Kauf der Netze. Nur gesagt hat sie es nicht.
Für Schaal ist die Netze-Frage nun "zwischen dem Bürgermeister und der Volksinitiative strittig". Es werde in den nächsten Monaten "einen Faktencheck zwischen den Modellen" geben. Auch diese Bemerkung klang nicht so, als ob die Umweltpolitikerin vom Kurs ihres Bürgermeisters und der SPD restlos überzeugt ist. Wie berichtet, geht die Initiative "Unser Hamburg - unser Netz" davon aus, dass sie die erforderliche Stimmenzahl für das Volksbegehren zum kompletten Rückkauf der Netze erreicht hat.
Walter Scheuerl (CDU-Fraktion), der die Primarschule per Volksentscheid verhindert hat, säte kräftig Zweifel am Erfolg der Netz-Initiative. "Es wurden auch bei Touristen und Nichthamburgern Unterschriften gesammelt", sagte Scheuerl. Selbst wenn die Initiative 80.000 Unterstützer gewonnen hätte, dürfte es so viele ungültige Unterschriften geben, dass es nicht sicher sei, dass die erforderliche Zahl von rund 64.000 Unterschriften erreicht werde. "Das ist wenig angesichts der politischen Unterstützung von GAL und Linken", sagte Scheuerl und sorgte damit für heftige Gegenreaktionen.
Es sei, so Scheuerl, "praktisch völlig ausgeschlossen, dass die Initiative das erforderliche Quorum für einen Volksentscheid auch nur annähernd erreichen" könne. In diesem Moment huschte ein feines Lächeln über das Gesicht des Ersten Bürgermeisters.
"Die SPD verheddert sich in Prozentzahlen", kritisierte Linken-Fraktionschefin Dora Heyenn. GAL-Fraktionschef Jens Kerstan breitete genüsslich aus, dass Altbürgermeister Henning Voscherau für den Erwerb von 100 Prozent, Amtsnachfolger Ortwin Runde (beide SPD) von 50,1 Prozent der Netze sei und damit quer zur Parteilinie lägen. Der Verkauf des städtischen Energieversorgers HEW sei ein "schwerer Fehler" gewesen. "Und Sie, Herr Scholz, machen den gleichen Fehler ein zweites Mal, sehenden Auges und wider besseres Wissen", sagte Kerstan.
Heyenn warf der SPD vor, "die Preise in die Höhe zu treiben", weil sie behaupte, die Gesamtkosten für den Netze-Erwerb beliefen sich auf zwei Milliarden Euro. "Das ist falsch", so die Linken-Fraktionschefin, ohne einen anderen Preis zu nennen.
GAL und Linke forderten Scholz und die SPD auf, Verhandlungen mit der Netze-Initiative aufzunehmen, um zu einer Einigung zu kommen. Doch die SPD hält die komplette Übernahme der Netze für nicht finanzierbar und zu riskant. "Es geht auf keinen Fall, zur Finanzierung auf die Rücklagen von Hamburg Wasser zurückzugreifen", sagte SPD-Fraktionsvize Thomas Völsch. Mit Sicherheit würden Gebührenzahler gegen die Zweckentfremdung klagen. Es sei auch nicht garantiert, dass der Netzbetrieb immer Gewinne abwerfe. "Die HSH Nordbank hat uns immer gesagt, sie mache todsichere Geschäfte. Wir haben gesehen, was daraus geworden ist", sagte Völsch. Der Fraktionsvize betonte, dass die SPD das Ergebnis eines Volksentscheids zum Netze-Rückkauf akzeptieren werde, wenn es dazu kommt. "Dieser Volksentscheid ist verfassungswidrig, weil er stark haushaltswirksam ist", war sich Scheuerl sicher. Wegen der hohen Kosten verstoße er gegen das Finanztabu.