Ab Mitte des Jahres werden 2800 Arbeiter mit dem Bau des 2,6 Millionen Euro teuren Kohlekraftwerks an der Elbe beschäftigt sein.
Moorburg. Ein Wirrwarr aus hohen Gittermastkränen, eckigen Stahl- und Betonbauten, zylindrischen Filtertürmen und halb fertigen runden Kohle-Kreislagern prägt derzeit das Bild am südlichen Elbufer. Der Bau des Kohlekraftwerks Moorburg nimmt Formen an. In der Nähe der Kattwykbrücke, am Eck von Alter Süderelbe und Köhlbrand, ist der im November 2007 begonnene Bau inzwischen weit vorangeschritten. Das vom Energieerzeuger Vattenfall betriebene Großprojekt mit einem Investitionsvolumen von rund 2,6 Milliarden Euro gilt derzeit mit 23 Hektar Fläche als Hamburgs größte Kompakt-Baustelle. Mehr Fläche hat dagegen nur die HafenCity-Baustelle.
Das Gelände ist abgeriegelt und bewacht. Dass hier 1400 Menschen an den Gebäuden aus Stahl, Beton, Klinkerstein und Trapezblech arbeiten, ist kaum zu erkennen. Lediglich ihre bunten Helme und leuchtenden Warnwesten lassen sie als kleine Punkte auf Gerüsten in Erscheinung treten. Arbeiter kommen aus vielen Ländern Europas. Ihre Baufirmen haben sie zumeist zur Untermiete bei Privatleuten in der Umgebung einquartiert. Weil für die Autos der vielen Bauarbeiter rund um das Baugelände am Moorburger Elbdeich keine Parkplätze vorhanden sind, mietete Vattenfall Parkraum in der weiteren Umgebung, unter anderem am Veddeler Damm. Von dort ist ein Bus-Shuttle eingerichtet. Bereits ab Jahresmitte verdoppelt sich die Zahl der Beschäftigten auf der Baustelle auf etwa 2800. Dann beginnt auch die Installation großer technischer Anlagen.
Das Kraftwerk Moorburg soll mit dem ersten Kessel im Herbst 2012 in Betrieb genommen werden. Der zweite Kessel folgt dann voraussichtlich ein halbes Jahr später. Dann wird das Kraftwerk eine Mannschaft aus 160 Mitarbeitern zählen, davon 86 Schichtgänger in sechs Schichten. Zusätzlich werden etwa 200 Dienstleister für die Entladung der Kohleschiffe aus aller Welt im Einsatz sein. Das Kraftwerk Moorburg wird mit seinen beiden Dampfturbinen und Stromgeneratoren (je 820 Megawatt Leistung) pro Jahr elf Terawatt (elf Millionen Megawatt) Elektroenergie ins Stromnetz pumpen. Damit ist der derzeitige Jahresbedarfs Hamburgs von 13 Terawatt schon fast gedeckt.
Vattenfall-Sprecher Stefan Kleimeier: "Auch Hamburgs große Stromverbraucher, die TriMet Aluhütte, die Aurubis Kupferhütte und die Stahlwerke, erhalten damit eine verlässliche Energieversorgung." Das Kraftwerk wird aber nicht nur Strom, sondern auch Wärme erzeugen. Gudrun Bode, Leiterin des auf der Baustelle eingerichteten Informations- und Besucherzentrums, sagt: "Noch ist das 50 Jahre alte Kohlekraftwerk Wedel in Betrieb. Es versorgt 180 000 Wohneinheiten in Hamburg über eine 20 Kilometer lange Rohrleitung mit Fernwärme. Von Moorburg aus wird die Leitung nur zwölf Kilometer lang, hat dadurch weniger Wärmeverlust, und das neue Kraftwerk wird mit 650 Megawatt thermischer Leistung weitere 100 000 Wohneinheiten mit Wärmeenergie versorgen können. Pro Wohneinheit und Jahr bedeutet dies eine Einsparung von einer Tonne Kohlendioxid."
Die geplante Verlegung der Verbindungsleitung zwischen Moorburg und dem Hamburger Fernwärmenetz liegt derzeit auf Eis, weil das Oberverwaltungsgericht dem Antrag der Umweltorganisation BUND stattgegeben hat, dass dafür im Trassenverlauf im Bezirk Altona keine Bäume gefällt werden dürfen. Nun kann Vattenfall das Hauptsacheverfahren abwarten oder bei der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt ein neues Planverfahren beantragen. Beides kostet Zeit. Bode: "Mit oder ohne Fernwärmeverbindung wird Moorburg im Herbst 2012 in Betrieb genommen. Für Hamburgs Fernwärmebedarf müsste Wedel dann vorerst weiter am Netz bleiben."
Der Wirkungsgrad, das Verhältnis von Energieausnutzung und Effizienz, von Moorburg wird mit 46,5 Prozent angegeben. Ältere Anlagen liegen im Durchschnitt bei 35 bis 38 Prozent. Und sobald alte Anlagen wie Wedel abgeschaltet werden können, würde dies laut Bode eine Einsparung von etwa 2,3 Millionen Tonnen des klimaschädlichen Kohlendioxids pro Jahr bedeuten.
Bode: "Wenn politisch, rechtlich, technisch und wirtschaftlich möglich, soll auch eine Abscheidung von Kohlendioxid mit Verpressung und unterirdischer Speicherung installiert werden. Dann wäre Moorburg klimaneutral." 2020 wird dafür als Zeitpunkt ins Visier genommen. Der Schornstein des Kraftwerks wird 137,5 Meter hoch. Vorgeschaltet werden drei Rauchgas-Reinigungsstufen. Auflagen der Bundesimmissionsschutzverordnung sollen deutlich unterschritten werden. Das Kraftwerk entnimmt im Bereich seiner Kaianlage - dem Anlegeplatz der Kohlefrachter - auch Kühlwasser aus der Elbe.
Das Wasser darf laut Verordnung maximal um zwei Grad erwärmt zurück in die Elbe (Abschnitt Alte Süderelbe) geleitet werden. Bei 28 Grad Elbwassertemperatur ist Schluss. Vattenfall plant zur Sicherheit den Bau eines Kühlturms. Als Ausgleich für den Eingriff in die Natur errichtet Vattenfall eine große Fischtreppe im Bereich der Elbe-Staustufe bei Geesthacht. Das Kraftwerk Moorburg erhält zur Elbseite eine für Hamburger Gebäude typische rote Klinkerfassade, zur Seite des Deichs wird die Fassadenverkleidung aus grauem Trapezblech montiert.
Am Standort Moorburg hatten die damaligen Hamburgischen Electricitätswerke (HEW) ab 1974 knapp 30 Jahre lang mit einem Gaskraftwerk Strom erzeugt. Die Anlage erwies sich als unwirtschaftlich und wurde abgerissen. Ende April 2004 wurde der 256 Meter hohe Schornstein gesprengt. Blechteile flogen dabei in eine Hochspannungsleitung, sorgten für einen Kurzschluss und Produktionsausfall in benachbarten Raffineriebetrieben.