Hoffen und Bangen bei Kate Amayo und ihrer Mutter. Heute entscheidet die Härtefallkommission über das Schicksal der jungen Frau aus Ghana.
Hamburg. Sie lachen los über den Satz, dem in vielen Wohnzimmern auch betretendes Schweigen folgen könnte. "Gut, dass ich oft nicht auf meine Mutter gehört habe." Ein dickes, rotes Sofa steht in der Wohnung der Amayos , an der Wand hängen Bilder von Jesus. Leuchtdioden funkeln über seinem Heiligenschein. Auf dem Wohnzimmertisch dampft Tee, im Fernsehen läuft via Satellit die Übertragung der Predigt in einer afrikanischen Gemeinde aus London, der Ton ist leise gestellt. Man sieht auch so: Die dunkelhäutige Priesterin gibt alles.
Faustina Amayo hat ein sonniges Gemüt, aber kaum jemand würde sich wohl für die Sorgen der 41-Jährigen Mutter interessieren, hätte ihre Tochter nicht das Abitur mit der Note 1,8 bestanden, obwohl sie erst vor fünf Jahren illegal einreiste. Frau Amayo putzt bei Blohm+Voss und Airbus, geht sonntags in die Kirche und achtet darauf, dass ihre drei Töchter bei kaltem Wetter warm genug angezogen sind. Von ihrem deutschen Mann hat sie sich schon lange getrennt. An diese Zeit erinnert nur noch ein Bild im Wohnzimmer. Es zeigt sie allein, im weißen Brautkleid. Eine bildschöne Frau.
Sie kam schon 1991 nach Deutschland. Aber wenn sie Deutsch redet, springt Kate Amayo oft als Dolmetscherin ein, redet mal auf Englisch, mal auf Kwi, der ghanaischen Sprache. Vorlaut ist diese Tochter, aber sie will ihre Mutter auch schützen.
Oft war die Welt verkehrt in dieser Familie. Wenn Kate Amayo krank war, ging sie trotzdem zur Schule, und ihre Mutter schimpfte mit ihr. Wenn ihre Mutter die Wäsche bügeln wollte, sagte ihre Tochter: "Nein, Mama, du musst Deutsch lernen."
Beim gemeinsamen Einkauf holte die Tochter die Gummibärchen und Schokoriegel wieder aus dem Einkaufswagen. Zu viel Zucker sei eben nicht gut. Auch habe sie im Chemie-Unterricht gelernt, dass künstliche Geschmacksstoffe nicht gesund seien.
Die Geschichte ihrer Mutter ist lautloser, vielleicht so wie von vielen anderen Zuwanderern, die nie in der Zeitung stehen. Sie handelt auch von Enttäuschungen mit Männern. Kate hat ihren Vater nie kennengelernt, kurz nach ihrer Geburt verließ er Ghana. Die Ehe ihrer Mutter in Deutschland blieb kinderlos, 13 Jahre später bekam sie die dritte Tochter. Mit einem Mann, der in Afrika lebt. Sie will sich aber nicht tragische Figur sein: "Es geht uns gut in Deutschland."
In all den Jahren, als Faustina Amayo versuchte, ihre Tochter nach Deutschland zu holen, achtete sie auf finanzielle Unabhängigkeit. Ihr Gehalt reichte für eine kleine Wohnung. "Ein Zimmer für die Mädchen, eines für mich", sagt die Mutter. Als Kate in Deutschland ankam, bezweifelte die Behörde, dass sie leibliche Tochter sei. Zudem sei die Wohnung nicht groß genug, wenn sie ein weiteres Kind aufnehmen wolle. Also mietete Frau Amayo im Jahr 2006 eine größere Wohnung, am Stadtrand in Rahlstedt. 300 Euro mehr Miete, die sie nicht mehr aufbringen konnte und nun ergänzende Sozialhilfe bezieht. Auch das brachte Kate in ihre prekäre Lage: Die Begründung für ihre geplante Abschiebung lautet auch, dass sie ihren Lebensunterhalt nicht bestreiten könne.
Nun lebt Kate mit ihrer fast gleichaltrigen Schwester in einem Zimmer, sie teilen sich ein Etagenbett. Das andere Zimmer haben sie der siebenjährigen Schwester gegeben, damit sie sich mit ihren Spielkameraden treffen kann. Aber bis die Härtefallkommission heute über ihre Zukunft entscheide, "können wir alle sowieso nicht richtig schlafen".