Kate Amayo hat selbst Freunden nichts von der drohenden Abschiebung erzählt. Am Donnerstag fällt die Entscheidung, ob sie bleiben kann.
Hamburg. Man könne die Gitarrenklänge aus dem Radio ruhig etwas lauter drehen, findet sie. Und während das Auto durch eine Pfütze zischt, tönt aus den Boxen: "Denke daran, wenn der Tag dich verliert, dass sich das Wetter ändern wird." Regentropfen laufen über das Seitenfenster, Kate Amayo schaut vom Beifahrersitz hinaus. Es läuft das Lied "Wenn jetzt Sommer wär" von Pohlmann.
Sie ist nicht oft in dieser Gegend. Als sie die Pony Bar betritt, das Studentencafé am Allende-Platz, dürften sie viele der Gäste für eine Soulsängerin aus der Schanze halten. Jeansjacke, geflochtene Zöpfe, Kopfhörer um den Hals. Nicht für eine junge Frau aus Rahlstedt, die sagt, dass sie kaum ein Leben habe. Seit sie 2005, vor fünf Jahren, illegal aus Ghana nach Deutschland kam, hat sie auf ihre Halbgeschwister aufgepasst und abends und nachts fürs Abitur gelernt. Sie hat mit der Note 1,8 bestanden. Wenn die Härtefallkommission der Bürgerschaft am Donnerstag nicht für sie entscheidet, wird sie abgeschoben. Wenige Tag vor ihrem Ziel: Sie will studieren, um Kinderärztin zu sein.
Mit den Händen wehrt sie ab: nein, keinen Kaffee, keinen Tee, keine Limonade. Schüchtern ist sie, das alles ist ihr eigentlich zu viel Öffentlichkeit. Dann lässt sie doch kurz in sich reinschauen: "Ich bekomme sowieso nichts runter im Moment."
Ihre drohende Abschiebung, darüber redet sie, als wäre ihr Zimmer nicht richtig aufgeräumt, als wäre das peinlich. Viele ihrer Bekannten haben erst am Wochenende von ihrer wahren Situation erfahren, als sie den Bericht im Abendblatt lasen. Auch viele Mitglieder ihrer Gemeinde, sie ist evangelische Christin. Sie habe Angst, dass ihre Landsleute sagen würden: "Schaut mal die Streberin an, die guten Noten haben ihr auch nichts genutzt." Kate Amayo will nicht Opfer sein. Die Medien mied sie bisher, obwohl sie ihren Kampf ums Bleiben schon seit Jahren kämpft. Und auch ihr Zeugnis der Freiwilligen Börse, für die sie Kinder betreut und ihnen Nachhilfe in Englisch und Mathe gibt, klingt ganz alltäglich: "Wir hoffen sehr, dass Kate Amayo uns in den Semesterferien weiter unterstützen wird." Am 1. Oktober soll ihr Chemiestudium in Halle beginnen.
+++ Kommentar: Erschreckende Sturheit +++
"Kommt, Leute, das reicht jetzt langsam", habe sie damals gesagt, als ihre Klassenkameraden und Lehrer vor Monaten schon Unterschriften für die Härtefallkommission sammelten. Weil sie nicht arbeiten darf, ihr finanzielles Auskommen aber Bedingung für den Aufenthalt wäre.
Kaum zu ahnen, wie wenig offene Gefühle sich die junge Frau nur eingesteht, obwohl sie so gern lacht beim Reden. Vielleicht hat sie eine Wand um sich aufgebaut wie ein Mensch, der heimlich mit einer schweren Krankheit lebt. Und ihren christlichen Glauben. "Auch wenn Menschen, die nicht gläubig sind, das schwer verstehen: Ich weiß, das alles gut wird."
Offen spreche sie auch mit ihrer Mutter. Die ist für sie zugleich Mittelpunkt und lebende Antithese: "Mir war immer klar, dass ich so ein Leben nicht will", sagt sie. Ihre Mutter arbeitet seit ihrer Einreise 1991 als Putzfrau. Von früh bis spät, in zwei Jobs.
Kate Amayo will nicht auf Männer reinfallen und sich ausnutzen lassen. Wie das ausgehe, das habe sie in Ghana erlebt, wo sie in Kumasa bei ihrem Stiefvater lebte. Bis sie floh. "Ich will Menschen helfen, überall. Auch um Deutschland etwas zurückzugeben für die Chance, die ich bis hierher bekommen habe." Dafür arbeitete sie für ihren Schulabschluss im Juni erbarmungslos wie ein Topmanager. Kümmerte sich nachmittags um ihre Halbschwestern Deborah, sieben Jahre, und Renny, die nur ein Jahr jünger ist als sie. Abends von sechs bis acht Uhr machte sie Hausaufgaben. Und dann lernte sie noch einmal von Mitternacht bis in den frühen Morgen. Um die bleierne Müdigkeit aus dem schmerzenden Kopf zu vertreiben, ging sie joggen. "Meine Klasse wählte mich zum obersten Streber." Eine Studentin bestellt Kaffee am Tresen, mit einer Zeitung in der Hand. Wenn Kate Amayo bleiben darf, würde das auch ihr Leben sein. Die Entscheidung fällt am Donnerstag.