Trotz Spitzen-Abis und Studienplatz droht Kate Amayo die Ausweisung. Ehemalige Staatssekretärin fordert, die Härtefallkommissionen früher einzuschalten
Sie hat die Sympathien auf ihrer Seite, die 20-jährige Kate Amayo, der die Abschiebung droht.
Kein Wunder: Die junge Ghanaerin ist der Paradefall einer Ausländerin, die mit hoher Wahrscheinlichkeit hierzulande ihren Weg machen würde. Ein glänzendes Abiturzeugnis, die Aussicht auf ein erfolgreiches Studium - dazu noch eine Äußerung, die wie ein Gütesiegel für Integrationsbereitschaft wirkt: Sie wolle Deutschland etwas von dem zurückgeben, was ihr bislang hier ermöglicht worden ist.
Diesen Weg könnte sie gehen. Davor stehen aber die Hürden deutscher Ausländergesetzgebung. Kate ist illegal eingereist, wollte zu ihrer hier lebenden Mutter. Nun ist sie ausreisepflichtig. Sie ist "geduldet". So lautet der Fachbegriff für Menschen, deren Abschiebung ausgesetzt ist. Dafür kann es mannigfache Gründe geben: etwa dass den Rückkehrern im Herkunftsland Gefahr für Leib und Leben droht oder dass es andere schwerwiegende Bedenken gibt. Um Kate Amayos Schicksal kümmert sich in Hamburg die Härtefallkommission. Solche Gremien gibt es auch in anderen Bundesländern, und sie erweisen sich als bitter notwendig. Weil mit ihrer Hilfe menschliche Schicksale manchmal gnädiger gesteuert werden, als es die Gesetzgebung vorsieht. Und fast immer handelt es sich um Fälle, die die Solidarität und Anteilnahme vieler Außenstehender hervorrufen.
Die Duldung ist seit Langem eine der umstrittensten Regelungen des deutschen Ausländerrechts. Denn Duldungen werden für einen sehr begrenzten Zeitraum erteilt. Zuweilen nur für drei oder sechs Monate. Damit will der Staat vermeiden, dass Ausländer ohne gesicherten Aufenthaltsstatus sich auf Dauer bei uns niederlassen, eventuell auch von Sozialleistungen leben. Restriktive Regelungen sollen eine "Sogwirkung" Richtung Deutschland stoppen. Dieses Bestreben ist nachvollziehbar. Aber nur in der Theorie. In der Praxis gibt es viele Menschen, für die es über eine längere Zeit, oft jahrelang, keinerlei Perspektive für eine Rückkehr gibt. Und, zugegeben, vieles ist in Deutschland besser als im Herkunftsland. Was den Wunsch zum Hierbleiben verstärkt und manche zum Durchlavieren ermuntert.
Aber es gibt eben auch viele Zuwanderer, die keine Mühe scheuen, geregelte Arbeit zu finden. Die bereit sind, schlecht bezahlte und gering qualifizierte Tätigkeiten anzunehmen. Damit könnten sie einen gesicherten Aufenthaltsstatus erwerben. Jedoch: Nur wenige Arbeitgeber sind bereit, einen Geduldeten einzustellen - was Wunder, wenn sie damit rechnen müssen, ihn nach wenigen Monaten wieder zu verlieren. So entsteht ein Teufelskreis zum Schaden aller: der "Geduldeten", die mangels Beschäftigung zwischen Hoffen und Bangen leben, der Arbeitgeber, die geeignete Fachkräfte durchaus brauchen könnten, und des Staates, der zumindest für bestimmte Zeiträume Sozialleistungen zahlen muss für einen Personenkreis, der durchaus in Jobs zu vermitteln wäre. Oder eben, wie Kate Amayo, sofort ein Studium der Chemie mit günstigen Berufsaussichten aufnehmen könnte.
Eine Integrationsbremse ist die Duldung allemal. Sie öffnet auch den Blick auf die Janusköpfigkeit der deutschen Ausländerpolitik. Einerseits liefern wir uns hitzige Debatten darüber, was noch alles geschehen müsste, um den hier längst ansässigen Migranten mit unbegrenztem Aufenthaltsstatus noch mehr Integrationsangebote zu machen und was ihnen an eigenen Anstrengungen abzuverlangen wäre. Andererseits werden Ausländern ohne Bleiberecht die Chancen auf ein auskömmliches Leben hierzulande verbaut, zumindest erschwert. Die Duldung ist auf Dauer kein taugliches Mittel. Sie sollte einer anderen, menschenfreundlicheren und praxistauglicheren Regel weichen - ohne dass damit einem ungebremsten Zustrom von Menschen aus den ärmeren Ländern dieser Welt Tür und Tor geöffnet wird.
Wie wäre es zum Beispiel, wenn die zuständigen Behörden die Härtefallkommissionen schon frühzeitig in die Entscheidung über eine Abschiebung einbeziehen - und nicht erst dann, wenn nur noch die Notbremse gezogen werden kann? Damit wäre auch eine Prognose darüber zu geben, ob ein Ausländer oder eine Ausländerin mit einem gesicherten Bleiberecht gute Voraussetzungen dafür mitbrächte, sich beruflich und sozial hier einzugliedern. Vielleicht sogar zu unser aller Nutzen.