Am sechsten Verhandlungstag räumt Ciftliks Parteigenosse Metin Hakverdi Versäumnisse vor dem Hamburger Amtsgericht ein.
Hamburg. Mit dem prominenten Zeugen verhält es sich kaum anders als mit den anderen Zeugen in diesem Verfahren, in dem es um Vorwürfe gegen den SPD-Bürgerschaftsabgeordneten Bülent Ciftlik, 38, geht, eine Scheinehe vermittelt zu haben: Konkrete Erinnerungen sind Mangelware.
Metin Hakverdi, 40, trägt einen schicken Anzug und wirkt hoch konzentriert. Stellt der Richter eine Frage, legt sich die Stirn des gelernten Anwalts in Falten, und sein Blick schweift für einen Moment ins Nirgendwo. Es hilft nichts: Die Erinnerungen wollen nicht sprudeln. Sie tröpfeln bestenfalls. Und weil sich so viel im Vagen verliert, ist die Aussage des SPD-Bürgerschaftsabgeordneten fast unangreifbar.
+++ Zeugin bricht im Ciftlik-Prozess zusammen und muss in die Klinik +++
Hakverdi versucht zu erinnern, wie das damals war, nachdem er eine E-Mail von seinem Parteigenossen Bülent Ciftlik erhalten hatte. Jene Mail, die Ciftliks Ex-Freundin Nicole D., 33, verfasst und die er dann an ihn weitergeleitet hatte. Es ging um einen Ehevertrag zwischen Nicole D. und Kenan T., den Hakverdi in einem früheren Scheinehe-Verfahren rechtlich beraten hatte. In einer der sechs Fragen war auch die Rede von den Kosten eines "vorgegebenen Zusammenlebens". Er habe diesen Passus überlesen, sagt Hakverdi nun und räumt ein: "Da hätten mir Zweifel kommen müssen." Heute, im Licht der Scheinehe-Vorwürfe, sei ihm das auch klar. Mit Nicole D. und Kenan T. habe er aber nicht über die rechtlichen Folgen einer Scheinehe gesprochen, auch sei Ciftlik bei dem kurzen Gespräch in seiner Kanzlei nicht mit dabei gewesen - genau das hatte Nicole D. jedoch am zweiten Verhandlungstag behauptet.
Seit Mitte April stehen die drei Angeklagten vor Gericht. Ciftlik soll Nicole D. überredet haben, eine Scheinehe mit Kenan T. einzugehen. Dafür soll er laut Anklage 3000 Euro kassiert haben. Auch Hakverdi war in den Strudel der Ermittlungen geraten: Er soll Nicole D. und Kenan T. zur Absicherung ihrer Scheinehe rechtlich beraten haben. Die Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft jedoch wegen "geringer Beihilfeschuld" ad acta gelegt. Eine Einstellung erster Klasse nach Paragraf 170, Absatz 2, der Strafprozessordnung sprang aber nicht heraus. "Ich wollte das Verfahren schnell beenden", sagt Hakverdi. Er habe Schaden von seiner Partei abwenden wollen. "Ich bin Abgeordneter, ich habe Verantwortung übernommen."
Hakverdi ist nicht der einzige Zeuge, Nuran A., 36, macht den Anfang. In der Vorwoche war sie zusammengebrochen, nachdem ihr Nicole D.s Verteidiger Johann Schwenn eine Vereidigung wegen Falschaussage angedroht hatte. Gestern sollte die Vernehmung fortgesetzt werden. Doch sie schweigt auf Anraten ihres Verteidigers - mit gutem Grund. Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren gegen sie eröffnet: Wie im Fall Ciftlik geht es um die Anstiftung einer Scheinehe. Demnach soll Nuran A. - mit dem Angeklagten Kenan T. - eine Hochzeit zwischen einer jungen Frau und einem Türken angebahnt haben, der im Imbiss von Kenan T. arbeitete. Schwenn wollte Nuran A. eigentlich vereidigen. Doch mit dem neuen Verdacht hat sich das erledigt.
Zum Schwur kommt es, obgleich von Schwenn beantragt, auch bei Sybille von B., 41, nicht. Sie ist eine Freundin von Ciftlik und hat öfter in seinem Auftrag fotografiert. In ihrem Studio, das hatte Nicole D. ausgesagt, habe sie mit Ciftlik und anderen in Vorbereitung auf den Prozess getürkte Zeugenvernehmungen durchgespielt. Sybille von B. bestreitet das. Auch stützt sie die Einlassung von Ciftlik mit dem, was sie ihre "Autoszene" nennt. Einmal hätte Nicole D. in ihrem Auto so bedrückt gewirkt und erzählt, sie sei sauer auf Ciftlik. "Weil er nicht Trauzeuge bei ihrer Hochzeit sein wollte." Außerdem habe sie erzählt, dass Ciftlik ihr von einer Hochzeit mit Kenan T. abgeraten habe. Diese Episode habe sie später mit Ciftlik aufgeschrieben. Wo? Wann? Daran erinnert sich die Zeugin nicht genau. "Besonders überzeugend" sei ihre Aussage nicht, sagt der Staatsanwalt.
Das klingt noch nett. Als Schwenn die Zeugin über die Folgen eines Meineids belehren will, fährt ihm Ciftliks Verteidiger in die Parade, und erstmals ist auch Kenan T. zu hören. "O Mann, O Mann", stöhnt er.
Nicole D. bezeichnet die Aussage als "Lüge". Ein abgekartetes Spiel habe Ciftlik mit ihr und anderen geplant, bevor sie im März bei der Staatsanwaltschaft ein Geständnis ablegte. Auch die "Autoszene" sollte als frisierte Aussage in die Verteidigungsstrategie eingebaut werden. "Das ist ein Meineid", habe Nicole D. ihm erklärt, worauf Ciftlik entgegnet habe: "Es ist doch nicht deiner." Der Prozess wird fortgesetzt.