Hamburg. Geht sie oder bleibt sie? Über diese Frage wurde zuletzt viel spekuliert im Hamburger Süden. Nun ist die Entscheidung offenbar getroffen.
- Seit September 2018 war Sophie Fredenhagen Leiterin des Harburger Bezirksamts
- Oft warf man der Verwaltunsexpertin vor, ihren Wohnsitz nicht in Harburg zu haben
- Nun hat Sophie Fredenhagen dem Bezirk offenbar ganz den Rücken zugekehrt
Offiziell ist noch gar nichts, aber dass Harburgs Ex-Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen ihre Kandidatur für eine zweite Amtszeit zurückgezogen hat, pfeifen die Spatzen derzeit so laut von den Dächern, dass halb Harburg mitsingt. Ihr nahestehende Kreise sagen, sie habe eine gut dotierte Stelle in der Sozialbehörde angeboten bekommen.
Ohne Wiederwahl-Kandidatin gibt es auch keinen Verzicht auf eine Ausschreibung der Stelle als Chef oder Chefin im Harburger Rathaus. Das wiederum bedeutet, dass Harburg mindestens bis Mitte 2025 ohne „richtige“ Bezirksamtsleitung ist.
Sophie Fredenhagen: Leiterin des Harburger Bezirksamts stand oft in der Kritik
Fredenhagens gesetzlich festgelegte Amtszeit endete im September. Seitdem ist die 60-jährige Verwaltungsrechtlerin und Musikerin – sie hat zwei Studienabschlüsse – freigestellt, beziehungsweise „im einstweiligen Ruhestand“, und Privatperson.
Schon zum Ende ihrer Amtszeit hatte sich abgezeichnet, dass eine Wiederwahl nicht rechtzeitig erfolgen würde: Die Wahlen zur Bezirksversammlung endeten kurz vor der parlamentarischen Sommerpause, und diese endete erst am 1. September. Koalitionsverhandlungen waren da zwar schon abzusehen, hatten aber noch nicht begonnen. Dennoch beteuerte Fredenhagen, abwarten und für eine zweite Amtszeit kandidieren zu wollen.
SPD-Streit stellt wichtige Stimmen für die Wiederwahl infrage
Das hat sie sich anscheinend anders überlegt. Dass die größte Bezirksversammlungsfraktion, die SPD, derzeit intern – gelinde gesagt – zerstritten ist, was sowohl die Koalitionsgespräche hemmt, als auch bei einer erfolgreich geschmiedeten Koalition wichtige Stimmen für die Wiederwahl infrage stellt, dürfte dazu beigetragen haben. Die „zufällige Abwesenheit“ des Rebellenflügels der SPD-Fraktion bei der letzten Bezirksversammlungssitzung dürfte für Fredenhagens Entscheidung schon keine Rolle mehr gespielt haben, denn offenbar stand sie schon vorher fest.
„Sophie Fredenhagen hat eine Stelle in der Sozialbehörde angeboten bekommen, die sie schwer ablehnen konnte“, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende Frank Richter. „Das weiß ich seit Anfang der Woche, allerdings nicht offiziell, deshalb sind wir damit auch noch nicht an die Öffentlichkeit gegangen.“
Auch bei der Sozialbehörde weiß man noch nichts von einem Neuzugang auf der Ebene Amtsleitung oder höher. Jedenfalls beantwortet Pressesprecher Wolfgang Arnhold die Fragen, ob Fredenhagen dort eine Stelle antritt und welche, sehr knapp mit „Nein.“ und „Entfällt“.
Stellen auf diesem Niveau werden nicht einfach so neu besetzt
Als Privatperson ist Sophie Fredenhagen selbst für eine Stellungnahme weder erreichbar noch dazu verpflichtet. Da Stellen ab ihrer bisherigen Besoldungsgruppe B4 allerdings nicht allzu dicht gesät sind und auch nicht einfach mal eben vergeben werden, wirft die Angelegenheit, falls Fredenhagen entgegen der Aussage der Pressestelle doch in die Fachbehörde wechselt, die Frage auf, wie lange sie das vorbereitet hat und wie ehrlich ihre Ankündigung war, unbedingt erneut kandidieren zu wollen.
Laut Abendblatt-Quellen soll die Behörde von sich aus mit dem Angebot auf Fredenhagen zugegangen sein. Denkbar wäre es, dass es sich um eine politische Beamtenstelle handelt, die in der kommenden Legislatur neu besetzt werden muss oder soll.
Einer in der Harburger Bezirkspolitik freut sich: Rainer Bliefernicht, Fraktionsvorsitzender der CDU. Seine Partei hatte Fredenhagen schon vor sechs Jahren abgelehnt und dafür den Koalitionsbruch mit der SPD in Kauf genommen. Auch eine Wiederwahl wollte die CDU nicht: Fredenhagen sei unkommunikativ, bürgerfern und in ihrer Amtszeit nicht nach Harburg gezogen, lauteten die Vorwürfe. „Wenn es jetzt zu einer Ausschreibung kommt, ist doch zu hoffen, dass wir einen kompetenten und zugewandten Verwaltungschef bekommen“, sagt Bliefernicht.
Mit der erfolgreichen Zwischennutzung von Karstadt Harburg konnte Fredenhagen zuletzt punkten
In der Öffentlichkeit ist das Bild der ehemaligen Rathauschefin zwiespältig: Mit dem Einsatz für die Karstadt-Weiternutzung oder das Kombibad Süderelbe konnte sie zuletzt punkten. Mit der Neuvergabe des Kulturzentrums an der Rieckhoffstraße; der Unterstützung für die Zusammenlegungspläne von Drogenhilfe und Tafel oder dem zeitweiligen Chaos im Gesundheitsamt erntete sie Kritik.
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In Frank Richters Augen ist es misslich, dass Sophie Fredenhagen jetzt nicht noch einmal antritt. „Die Verwaltung im Harburger Rathaus wird weiter funktionieren“, sagt er. „Aber eine Bezirksamtsleiterin oder ein Bezirksamtsleiter ist mehr als nur Verwaltungschef: Die Position bedeutet auch, Harburg gegenüber dem Senat offensiv zu vertreten, und das hat Sophie Fredenhagen getan. Es wird schwierig sein, jemanden zu finden, der Führungsqualitäten, politisches Geschick und Verwaltungskompetenz vereint. Das haben wir bereits vor sechs Jahren gesehen, als wir zum Glück Sophie Fredenhagen gefunden haben!“
Bis auf Weiteres wird die Doppelspitze des Rechtsdezernats, Dierk Trispel und Christian Queckenstedt, die Führung der Harburger Verwaltung übernehmen. Das tun sie seit September. Trispel war bereits mehrmals für längere Zeit kommissarischer Bezirksamtsleiter. Allerdings ist er gerade dabei, seine Amtsgeschäfte an Queckenstedt zu übergeben, weil er selbst in den Ruhestand geht. Ob er angesichts der Situation noch einmal verlängert, ist unklar.