Harburg. Bezirksamtsleiterin bewirbt sich um zweite Amtszeit. Im Interview zieht sie Bilanz – und äußert sich zum Vorwurf fehlender Bürgernähe.

Harburgs Bezirksamtsleiterin Sophie Fredenhagen ist am Ende ihrer ersten Amtszeit angelangt und würde gerne eine zweite anhängen: Seit 2007 arbeitet die Verwaltungsfachwirtin für den Bezirk Harburg, leitete zunächst das Jugendamt und seit 2018 das gesamte Bezirksamt.

Sophie Fredenhagen im Abendblatt-Interview: Herzenssache Phoenix-Viertel

Obwohl sie hier nicht wohnt, fühlt sie sich in Harburg verwurzelt. Weitere Kandidaten für die Amtsleitung sind bislang nicht bekannt. Dennoch ist die „B-Frage“ – wer wird Chef im Rathaus oder bleibt – Teil der Koalitionsverhandlungen in der Bezirksversammlung. Das Abendblatt sprach mit Sophie Fredenhagen über die Highlights und Herausforderungen der vergangenen Amtszeit und ihre Pläne für die nächste.

Frau Fredenhagen, rückblickend auf die vergangenen sechs Jahre, womit sind Sie besonders zufrieden?

Es gab eine große Bandbreite an Themen und Projekten, die wir als Bezirksamt bewegt haben, weshalb es schwierig ist, eine Auswahl zu treffen. Ein Beispiel ist der Wohnungsbau. Es ist uns als Bezirk Harburg in fast jedem Jahr gelungen, unsere Verpflichtungen aus dem Vertrag für Hamburg nicht nur zu erfüllen, sondern darüber hinaus stets mehr Wohnungsneubauten zu genehmigen, als das Ziel vorgab. Nur im vergangenen Jahr hatten wir aufgrund der Krise weniger Bauanträge, die zu geringeren Genehmigungszahlen geführt haben. Im Jahr 2024 konnten wir bereits 428 von 800 zu erreichenden Genehmigungen erteilen.

Außerdem haben wir kurz vor dem Ende der Wahlperiode der Bezirksversammlung noch vier wichtige Bebauungspläne auf den Weg bringen können. Darunter war auch der große Bebauungsplan Fischbeker Reethen, der großes Wohnungspotenzial beinhaltet. Es ist wichtig, insbesondere in Harburg für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, da wir nach wie vor ein junger und wachsender Bezirk sind.

Wichtige Themen waren in den vergangenen Jahren auch die Verlagerung des Abrigados, die integrierte Strategie Phoenix-Viertel und die Neuaufstellung des Bürgerhaus Harburg. Zudem ist es uns gelungen, den Bau von neuen Kindertagesstätten voranzutreiben.

Und was war nicht so schön?

Die Pandemiejahre haben uns viel abverlangt und viele Entwicklungen gebremst. Das war eine große Herausforderung, die wir meistern mussten und letztlich auch gemeistert haben.

Bei mehreren Gelegenheiten stand das Bezirksamt besonders in der Kritik der Öffentlichkeit, beispielsweise bei der Kündigung des Rieckhofs und bei den Führungswechseln im Gesundheitsamt. Wie stehen Sie dazu?

Die Neuausrichtung des Bürgerhauses war ein Auftrag aus dem Koalitionsvertrag. Für die Neuausrichtung war unter anderem eine neue Ausschreibung nötig. Die öffentliche Debatte darüber ist dann sehr einseitig geführt worden. Das war ärgerlich. Das Bezirksamt Harburg hat viel Geld für die Sanierung des Gebäudes eingeworben. Mit der Modernisierung und dem neuen Träger ist das Bürgerhaus aus unserer Sicht gut aufgestellt.

Was das Gesundheitsamt angeht, ist es uns 2021 gelungen, die Leitung mit Frau Dr. Waldeyer-Sauerland gut zu besetzen. Der vorhergehende Wechsel der Leitung des Gesundheitsamts war der Schnelllebigkeit im öffentlichen Gesundheitsdienst im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie geschuldet.

Kritiker werfen Ihnen mangelnde Bürgernähe vor

Ich verbringe seit 2007 jeden Tag in Harburg und das nicht nur am Schreibtisch und von montags bis freitags. Ich kenne fast jeden Stein, bin mit Vereinen, Initiativen und verschiedenen Kooperationspartnern eng vernetzt, tätige in der Harburger Innenstadt meine Einkäufe, decke meine Bedarfe und nutze gerne die Gastronomie. An kaum einer der vielen öffentlichen Veranstaltungen und Feste im Bezirk habe ich in den letzten Jahren nicht teilgenommen und viele Sprechanlässe wahrgenommen. Zudem haben sich sowohl die Bürgersprechstunde sowie die Kinder- und Jugendsprechstunde als auch das Qualitätsmanagement sehr gut entwickelt und werden von einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern oft und intensiv genutzt. 

„Die öffentliche Debatte über das Bürgerhaus ist sehr einseitig geführt worden. Das war ärgerlich. “

Sophie Fredenhagen
Bezirksamtsleiterin

Wie sehen sie das Bezirksamt personell aufgestellt?

Wir hatten viele Wechsel im Bereich der oberen Führungsebene, also bei den Dezernats- und Fachamtsleitungen. Über die sechs Jahre hinweg ist es uns gelungen, ein fähiges, funktionierendes und vor allem sehr kollegial arbeitendes Führungsteam aufzubauen. Eins der obersten Ziele des Leitungsteams ist es, trotz des Fachkräftemangels die einzelnen Fachämter gut aufzustellen, um einen guten Bürgerservice zu gewährleisten sowie die Ziele des Senats, wie beispielsweise beim Wohnungsbau, zu erreichen. 

Bislang sind keine anderen Kandidaten für ihr Amt bekannt. Dennoch wird sich Ihre Wiederwahl wahrscheinlich über das Ende Ihrer Amtszeit hinaus hinauszögern, weil sie als Faustpfand in Koalitionsverhandlungen benutzt wird. Was macht das mit einem Menschen?

Wenn man in so ein Amt gewählt wird, weiß man, dass man in ein Amt auf Zeit gewählt wird und man sich professionell darauf einstellen muss. Zum jetzigen Zeitpunkt ist die Bezirksversammlung am Zug und muss Voraussetzungen für eine Wahl schaffen. 

Was sind denn Ihre Pläne für die nächste Amtszeit?

Der Wohnungsbau ist aus den bereits genannten Gründen für Harburg als wachsender Bezirk weiterhin ein wichtiges Ziel. Bislang hatten wir die Situation, freie Flächen für Neubaugebiete ausweisen zu können. Da müssen wir in Zukunft andere Wege gehen und Verdichtungspotenziale nutzen, zumal der Wohnungsbau mit anderen Flächenbedarfen konkurriert.

Zusätzlich zum Wohnraum müssen wir auch die soziale Infrastruktur für den Bezirk weiterentwickeln. Das ging in den Neubaugebieten noch relativ einfach. In den gewachsenen Quartieren ist diese Aufgabe schwieriger. Wir versuchen dem entgegenzuwirken, indem wir sehr intensiv aus verschiedenen Quellen zusätzliche Geldmittel in den Bezirk fließen lassen. Ein gutes Beispiel hierfür sind die RISE-Mittel. Seit 2019 konnten wir für den Bezirk RISE-Mittel im Umfang von circa 31 Millionen Euro einwerben.

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Gibt es absehbar problematische Herausforderungen?

Das Thema Verkehr ist ein überaus schwieriges, und zwar deshalb, weil es zwar alle Menschen im Bezirk stark betrifft; man als Bezirk aber nur eingeschränkt Einfluss auf die Lösung der größten Probleme nehmen kann. Was die Einflussnahme auf die Verantwortlichen für die Verkehrswege, wie beispielsweise die Deutsche Bahn oder die Autobahn GmbH angeht, muss man große Geduld und Beharrlichkeit aufbringen. Mit der Notwendigkeit der Erneuerung der Elbbrücken und dem Autobahnbau kommen weiter große Belastungen auf Harburg zu. 

Würden sie ein Projekt für die nächste Amtszeit als besondere Herzensangelegenhiet bezeichnen?

Die Entwicklung im Phoenix-Viertel weiter voranzutreiben, ist mir persönlich wichtig. Im Rahmen der integrierten Strategie für das Phoenix-Viertel müssen viele Hebel in Bewegung gesetzt werden. Außer dem repressiven Ansatz, etwa mit der Arbeitsrate aus Polizei und unseren Fachämtern, müssen wir auch positiv ins Quartier wirken, indem wir die Nachbarschaften und die soziale Infrastruktur weiter stärken. Da ist das Büro Tollerort hilfreich und hat gute Ideen. Auch bei der Immobilienstrategie hilft das Quartiersbüro.

Hilfreich wäre es, wenn ein Wohnungsgeber, wie die SAGA, Wohnungsbaugenossenschaften oder das Studierendenwerk, Schlüsselimmobilien kauft und entwickelt, um die Bewohnerstruktur des Viertels positiv zu beeinflussen. Für die einzelnen Stränge des Projekts muss man mit den vielfältigen Ebenen des Senats eng in Kontakt bleiben. Eine Herausforderung ist, dass wichtige Schlüsselpositionen gewechselt haben, so beispielsweise die Leitung des PK 46. Das Ziel ist, dass alle beteiligten Behörden weiterhin dieselben Ressourcen in das Viertel stecken, wie bisher.