Hamburg. Heißer Arbeitsplatz im Schlamm der Vor-Eiszeit 35 Meter unter der Elbe: Bohrer schneidet viereinhalb Meter großen Tunnel unter den Fluss.

Es ist heiß hier, 35 Meter unter dem Wasserspiegel der Elbe. Hier bohrt sich „Hermine“ durch das Geröll unter dem Grund des großen Flusses. „Der Schlick hier stammt noch aus der Vor-Eiszeit“, sagt Dirk Lassen-Petersen. Er ist Projektleiter beim Tunnelbohren. Hier soll ab 2026 heißes Wasser durch Rohre fließen, um Hamburger Haushalte mit Fernwärme zu versorgen.

Es ist ein beschwerlicher Weg zum Bohrer. 30 Meter geht es per Baustellenlift in ein großes Loch im Stadtteil Waltershof am Tankweg Ecke Jachtweg. Vergangenen November war von hier aus der 670 Tonnen schwere Bohrer, der einen Durchmesser von viereinhalb Metern hat, als 15 Meter langer „Stummel“ gestartet. Jetzt ist Halbzeit. 430 Meter hat sich der Bohrer durch den Untergrund geschnitten. Hermine ist jetzt ausgewachsen und 280 Meter lang. Die hinteren Teile konnten erst rangesetzt werden, als der Tunnel die entsprechende Länge hatte.

Fernwärme im Hamburger Norden: Ein schmaler Steg führt bis zum Bohrkopf

Der Weg in Richtung Bohrkopf ist mühsam. Über einen schmalen Steg neben einem Gleis arbeiten sich Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank und Umweltsenator Jens Kerstan (beide Grüne) in Richtung Bohrspitze vor. Die Hitze, die immer größer wird, je näher man dem Bohrkopf kommt, stammt aus den Elektromotoren, die in dem Gerät verbaut sind. Von außen wird dauernd frische Luft in den Tunnel gepumpt, die für etwas Kühlung, aber auch genug Sauerstoff sorgen soll.

Es geht vorbei an Rettungscontainern, in die sich die Arbeiter im Notfall flüchten können. „Sicherheit hat hier höchste Priorität“, sagt Lassen-Petersen. Daneben ist ein Gleis, auf dem die 1,2 Meter langen Tunnelelemente nach vorn transportiert werden, die zu einem Ring zusammengesetzt, die Tunnelwand bilden.

Fernwärme-Bohrer: An die Spitze dürfen nur Experten mit Tauchschein

Am Ende des Bohrkopfes ist Schluss. Weiter geht es nicht. Hier, wo sonst drei der Arbeiter einer Schicht sind, ist das Ende des begehbaren Teils. Der Bohrkopf selbst ist hinter einer Schleuse. Wer da hereinwill, begibt sich in einen Bereich mit 3,6 Bar Überdruck, der Wasser aus dem schlammigen Untergrund der Elbe hinaushalten soll. Dort hin dürfen nur Arbeiter mit einem Tauchschein. Die Einsätze dort sind selten, aber nötig. Die sogenannten Rollmeißels auf dem Bohrkopf verschleißen und müssen, wenn sie zu abgenutzt sind, ausgewechselt werden.

Aktuell ist der Bohrer in Höhe Seemannshöft. Die nächsten Monate geht es unter dem Fahrwasser der Elbe durch. Endpunkt wird der Hindenburgpark sein, wo bereits Vorbereitungsarbeiten für den Empfang des Bohrers laufen, der für den Sommer kommenden Jahres geplant ist.

Hermine bohrt sich jetzt mit voller Leistung durch den Untergrund

Dass jetzt, obwohl erst gut ein Drittel der 1,2 Kilometer langen Strecke gebohrt wurde, Halbzeit ist, liegt an Hermine. Der Bohrer kommt mittlerweile mit voller Leistung voran.

Hermine wird, wenn alles klappt, dazu beitragen, das Kraftwerk Wedel zu ersetzen, das als „Dreckschleuder“ gilt und eine Leistung von 390 Megawatt hat. Die Energie für die Fernwärme wird aus der Gas-Dampfturbinenanlage im Energiepark Hafen kommen, der in der Nähe an der Dradenaustraße entsteht. Als Spitzenlast soll zunächst Fernwärme mit einer Leistung von 400 Megawatt durch den Tunnel laufen.

In der Langform heißt der Bohrer „Hamburger Energiewerke Röhre mit neuer Energie“

„Der Fernwärmetunnel wird ein wichtiger Durchbruch für die Hamburger Wärmewende“, schwärmt Fegebank, die den Tunnel ein „Jahrhundertprojekt“ und „magisch“ in Anlehnung an die Zauberin Hermine aus dem Harry-Potter-Film nennt. Natürlich hat Hermine mit dieser wenig zu tun. Denn der Name steht als Abkürzung für „Hamburger Energiewerke Röhre mit neuer Energie“.

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Mit der Fernwärme, die über den Tunnel das andere Elbufer erreicht, soll der Hamburger Norden versorgt werden. Es wird keine neuen Anschlüsse geben, sondern die Haushalte versorgt, die bislang Wärme über das Kohlekraftwerk Wedel erhalten haben.

Proteste gegen das Projekt gibt es nicht. Das hatte vor 14 Jahren noch anders ausgesehen. Damals hatten sogenannte Aktivisten im Gählerpark Bäume besetzt, um deren Fällung für den Bau eines Fernwärmenetzes zu verhindern. Die Fernwärme sollte als Abfallprodukt aus dem Kohlekraftwerk Moorburg kommen. Der Protest war erfolgreich. Die produzierte Fernwärme aus Moorburg verpuffte in der Luft. Tragisch: Das Netz hätte man vermutlich gut gebrauchen können. Moorburg ist als Kohlekraftwerk längst abgeschaltet. Dort soll „grüner“ Wasserstoff produziert werden.