Kiel/Frankfurt. Eine mögliche Eskalation der Kämpfe zwischen Terroristen der Hamas und Israel treibt Anleger in „sichere Häfen“ wie Bundesanleihen und Gold. Die Ölpreise steigen deutlich.
Nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel ist der Ölpreis kräftig gestiegen - die weitere Entwicklung an den Erdölmärkten ist aus Sicht des Kiel Institut für Weltwirtschaft (IfW) entscheidend für die ökonomischen Folgen des Konflikts.
„Solange die großen Ölproduzenten in der Region nicht reagieren oder von dem Konflikt betroffen sind, werden die unmittelbaren konjunkturellen Auswirkungen gering sein“, sagte IfW-Präsident Moritz Schularick. „Es gibt aktuell keine Anzeichen, dass die Ölproduzenten stärker involviert werden.“ Auch Hinweise auf Störungen in wichtigen Handelsrouten sind aus Sicht des Ökonomieprofessors bislang nicht erkennbar. „Insgesamt erscheint damit derzeit das Risiko für die Weltkonjunktur eher gering.“
Eine der ölreichsten Regionen der Welt
Der Nahe Osten ist eine der ölreichsten Regionen der Welt. Dort sind zahlreiche Staaten mit großem Ölvorkommen beheimatet, darunter Saudi-Arabien, die Vereinigten Arabischen Emirate, Irak oder Iran. Kommt es dort zu Spannungen oder Konflikten, steigen am Erdölmarkt in aller Regel die Risikoaufschläge deutlich und schnell. In der Region liegt auch die Straße von Hormus, die für den Seetransport von Rohöl eine erhebliche Bedeutung hat. An den Märkten wird die Gefahr einer Eskalation gesehen. Zwar haben sich Länder wie Saudi-Arabien und Israel angenähert. Das Verhältnis zu Iran ist aber nach wie vor schlecht. Zudem gilt das Land als Unterstützer der Hamas.
Heute reagierten die Ölpreise mit deutlichen Aufschlägen auf den schweren Angriff der islamistischen Hamas auf Israel. In der Spitze kostete ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent 89 US-Dollar, ein Fass der amerikanischen Sorte West Texas Intermediate (WTI) wurde zeitweise mit mehr als 87 Dollar gehandelt. Gegen Abend kostete ein Barrel Brent zur Lieferung im Dezember dann 87,95 US-Dollar und damit 3,37 Dollar mehr als am Freitag. Der Preis für ein Fass WTI zur November-Lieferung stieg um 3,52 Dollar auf 86,31 Dollar. Trotz des Anstiegs liegen die Preise deutlich unter ihren Jahreshöchstständen, die sie Ende September erreicht hatten.
Das IfW verwies darauf, dass ein weiterer potenzieller Spannungsherd in der geopolitischen Auseinandersetzung zwischen den USA und Europa auf der einen und den sogenannten BRICS-Ländern auf der anderen Seite hinzukomme. Zur BRICS-Gruppe gehören inzwischen neben Russland und China auch Iran und Saudi-Arabien. Sollte es in Folge des Konflikts zu einer Verschärfung der Sanktionen oder deren Durchsetzung gegen den Iran kommen, dann könnten auch die Ölpreise weiter steigen.
Sorge auf den Finanzmärkten
Die Finanzmärkte insgesamt zeigten sich heute besorgt. Auch der europäische Erdgaspreis kletterte, allerdings nicht nur wegen der Auseinandersetzung im Nahen Osten. Sichere Anlagen wie Staatsanleihen und Gold wurden tendenziell gesucht. Am Devisenmarkt stand die israelische Landeswährung Schekel unter hohem Druck. Die europäischen Börsen gaben überwiegend nach. Gefragt waren vor allem Rüstungs- und Ölwerte, abgestoßen wurden dagegen unter anderem Airline-Titel.
Der Erdgaspreis in Europa übertraf erstmals seit etwa einer Woche die Marke von 40 Euro. In der Spitze stieg der richtungweisende Terminkontrakt TTF zur Auslieferung in einem Monat auf 43,40 Euro je Megawattstunde (MWh). Das waren etwa 13 Prozent mehr als am Freitag. Am Markt wurde aber auch auf ein vermutliches Leck in einer Gaspipeline zwischen Finnland und Estland verwiesen.
Nachfrage nach sicheren Anlagen
Sichere Anlagen wie Bundesanleihen wurden an den Finanzmärkten gesucht. Nicht nur deutsche Wertpapiere, auch Anleihen aus Frankreich und den Niederlanden wurden angesteuert. Im Laufe des Vormittags gaben die Titel allerdings einen Teil ihrer Kursgewinne ab. Auch das als Krisenmetall bezeichnete Gold legte im Preis zu. Eine Feinunze (etwa 31,1 Gramm) kostete am Mittag 1850 Dollar und damit 19 Dollar oder ein Prozent mehr als am Freitag. Die europäischen Börsen gaben überwiegend nach. Gefragt waren vor allem Rüstungs- und Ölwerte, abgestoßen wurden dagegen unter anderem Airline-Titel.
Am Devisenmarkt erhielt der US-Dollar als weltweite Reservewährung Zulauf. Auch andere als sichere Anlagehäfen geltenden Devisen stiegen im Kurs, etwa der japanische Yen. Unter hohem Druck stand dagegen die Landeswährung Israels, der Schekel. Die Notenbank des Landes verkündete, zur Stützung der heimischen Währung am Devisenmarkt zu intervenieren. An den Finanzmärkten konnte der Schekel allerdings nur kurzzeitig von der Intervention profitieren.
An Europas Aktienmärkten hatten wichtige Börsenbarometer wie der Eurozonen-Leitindex EuroStoxx 50, der Dax oder der französische Cac 40 zunächst um jeweils bis rund ein Prozent nachgegeben, bevor sie sich zuletzt etwas erholten. Angesichts der Ereignisse im Nahen Osten waren die jüngst wenig gesuchten Rüstungstitel gefragt. So schnellten die Aktien von Rheinmetall und Hensoldt in die Höhe. Dagegen litten die Papiere von Fluggesellschaften unter den deutlich steigenden Ölpreisen, die tendenziell die Kerosinkosten befeuern.
Die Aktien von Ölkonzernen wiederum zogen deutlich an. Sie gelten traditionell als Profiteure steigender Ölpreise. Damit schaffte es auch der britische Leitindex FTSE 100 („Footsie“), gegen den Trend moderat zu steigen. Ölwerte sind im „Footsie“ stark gewichtet.
Für den deutschen Außenhandel spielt Israel laut IfW quantitativ keine große Rolle - nur 0,4 Prozent der Warenexporte gingen zuletzt in das Land. Der Anteil der Importe sei sogar nur halb so groß.