Harburg. Mounib Doukali leitet die El-Imam-Moschee in Harburg und stellt sich klar gegen Terror, Gewalt und Judenhass. Ein Ortsbesuch.
- Der Freitag ist für gläubige Muslime der wichtigste Tag der Woche
- Das Gebet, das an diesem Tag verrichtet wird, soll laut Koran möglichst gemeinschaftlich in der Moschee verrichtet werden
- In der Harburger El-Imam-Moschee bietet das jede Woche aufs Neue eine Gelegenheit, sich mit den Lehren des Koran intensiv auseinanderzusetzen
Der Rechtsextremismus in Deutschland mache ihm und seinen Gemeindemitgliedern Angst: Es sei beängstigend, „dass die AfD in manchen Bundesländern eine starke Kraft ist“, sagt Mounib Doukali. Der 38-Jährige ist seit Juni 2014 Imam der El-Iman Moschee in Harburg, am Krummholzberg.
Dort und als Stellvertreter der Schura Hamburg, des Rats der islamischen Gemeinden in Hamburg, engagiert sich Doukali für das friedliche Miteinander der Religionen und für gesellschaftliches Engagement seiner Gemeindemitglieder.
El-Imam-Moschee in Harburg: „Der Koran bietet keinen Platz für Rassismus“
Doukali wiederholt, was er auf der Harburger Demo gegen Rechtsextremismus in einem Redebeitrag auf der Bühne gesagt hat: „Der Koran bietet keinen Platz für Rassismus. Nicht für Antisemitismus, nicht für Anfeindungen gegen Muslime oder Menschen anderen Glaubens.“
Mit dieser Überzeugung erreicht er jeden Freitag rund 3000 gläubige Muslime. „Seit Corona machen wir das Freitagsgebet in zwei Schichten, um 12.30 und um 13.30 Uhr“, sagt er. „Es kommen jeweils um die 1500 Menschen.“ Sie finden im Hauptgebetsraum der arabischen Moschee nicht alle Platz, sondern nutzen auch Schulungs- und Aufenthaltsräume, in die die Predigt und Gebetseinheiten übertragen werden.
Zwar dürfe die Freitagspredigt nicht für politische Aussagen missbraucht werden, sagt Doukali. Aber Themen wie Flucht, Rassismus, Frieden und Zusammenhalt finden sich auch im Koran. „Es ist – nicht nur im Islam – eine religiöse Aufgabe, sich für Gerechtigkeit und ein friedliches Zusammenleben einzusetzen.“ Leider gebe es in allen Gemeinschaften Extremisten, Fanatiker. Ihnen dürfe kein Raum gegeben werden.
Diese Überzeugung brachte 2014 den jungen Familienvater und studierten Informatiker dazu, seine IT-Firma aufzugeben und sich komplett der Gemeindearbeit zu widmen. Damals hatte die 2001 gegründete El-Iman Moschee keinen Imam. Das Führungsvakuum nutzten einige Salafisten, um die ultrakonservative Strömung innerhalb des Islams – zum Missfallen der meisten Gemeindemitglieder – immer stärker in die Moschee hineinzutragen.
In der Moschee gibt es Kurse für Arabisch, Integration – und Nähen
„Es gab keine religiöse Autorität mehr in der Gemeinde. So entschloss ich mich, den IT-Bereich zu verlassen und hauptamtlich als Imam in der Gemeinde zu arbeiten“, sagt Doukali, der auch Islamische Theologie studiert hat. Zudem liegt das religiöse Engagement in der Familie: Auch sein Vater und mehrere Onkel sind Imame. Die Eltern leben in Tunesien, wo Mounib Doukali aufgewachsen ist. Er kam 2005 zum Studieren nach Deutschland.
Die Probleme mit den Extremisten seien am Krummholzberg inzwischen deutlich weniger geworden, sagt Doukali, „durch die Arbeit, die wir hier geleistet haben“. Denn der Imam, sein Stellvertreter und weiter Bedienstete predigen nicht nur ein friedliches Miteinander in den fünf Gebeten pro Tag, die jenseits des Freitagsgebets jeweils von bis zu 100 Muslimen besucht werden. Sie machen auch Jugendarbeit („jedes Wochenende sind um die 300 Kinder und Jugendliche in der Moschee“), Religions- und Arabisch-Unterricht, Integrationskurse, Nähkurse für Frauen, bieten einen Senioren-Treff an, machen bunte Veranstaltungen.
Seelsorge für Menschen mit palästinensischen Wurzeln, die Angehörige verloren haben
„Oftmals beziehe ich Inhalte von Gesprächen, die ich mit Gemeindemitgliedern geführt habe, in die Predigt ein, gebe Ratschläge“, sagt Doukali. Häufig handele es sich um sehr private Themen, etwa um Eheprobleme. Er leiste auch Seelsorge bei Gemeindemitgliedern mit palästinensischen Wurzeln, die im Gaza-Krieg Angehörige verloren haben. Angesichts der Bilder aus Nahost seien viele Menschen in seiner Gemeinde frustriert über ihre Machtlosigkeit.
Oft spreche er mit verunsicherten Jugendlichen, bei denen in der Schule über den Gaza-Konflikt gesprochen wird, sagt der Vorbeter: „Die fragen mich dann: Was können wir sagen, ohne dass wir als Antisemiten bezeichnet werden?“ Natürlich habe er im Oktober den Überfall der Hamas auf Israel in seiner Moschee verurteilt: „Terror ist mit keiner Religion der Welt zu rechtfertigen. Muslime sollen solche Angriffe verurteilen, egal von wem sie kommen und gegen wen sie gerichtet sind.“
Doukali fordert: Rechtsradikale Äußerungen unter Strafe stellen
In jüngster Zeit werde am Krummholzberg häufig über die rechtsradikalen Vorkommnisse in Deutschland gesprochen. Es mache ihm Angst, „wie in Deutschland über Migranten, über Menschen aus anderen Kulturen gesprochen wird“. Es gebe bereits Gemeindemitglieder, die sich überlegen, wohin sie im Falle eines Falls (Stichwort: erzwungene „Remigration“) auswandern können.
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Es sei gut zu sehen, dass sich landesweit viele Menschen gegen die rechte Gefahr wehren, sagt Doukali. Aber daraus müssen auch Taten folgen, fordert er: „Antisemitische Äußerungen werden in Deutschland bestraft. Das sollte allgemein für rechtsradikale Äußerungen gelten.“
Leider seien bei den Demonstrationen nur wenige Menschen mit Migrationshintergrund dabei, bedauert der Neu-Harburger, der mit Frau, Tochter (13) und Sohn (8) in Sinstorf lebt. „Wir haben in den Freitagspredigten dazu aufgerufen, sich an den Demos zu beteiligen, die Leute ermutigt, ihre Meinung zu sagen.“ Auch das sei Integration: gemeinsam für dieselben Werte kämpfen.
Bei der Ausbildung werden Imame für gesellschaftliche Themen sensibilisiert
„Die Imame sind der Schlüssel“, sagt Doukali. „Über die Zahl der Menschen, die ein Imam am Freitag in einer Stunde erreicht, würde sich jeder Politiker freuen.“ Die 40 Vorbeter der 35 in der Schura Hamburg vertretenen Moscheen setzen sich alle für den interreligiösen Dialog und ein gutes Zusammenleben der verschiedenen Kulturen ein, sagt der stellvertretende Ratsvorsitzende. Bei der Ausbildung in Hamburg werden die Imame für gesellschaftliche Themen sensibilisiert, etwa durch Besuche im Rathaus, in der Sozialbehörde und anderen staatlichen Einrichtungen.
In Harburg gebe es Menschen aus mehr als 80 Herkunftsländern; fast alle habe er schon in der Moschee gesehen, sagt Mounib Doukali. „Es gilt, eine Integration hinzubekommen, ohne die eigene Identität zu verlieren. Hier in Harburg haben wir gute Erfahrungen gemacht, hier läuft es besser als in anderen Bezirken. Wir sind vernetzt mit dem Bezirksamt, dem Integrationsrat und unterschiedlichen Religionsgemeinschaften“, sagt der Imam, führt seine Besucherin durch seine Moschee und macht sich dann wieder an die Arbeit.