Harburg. Politiker der Harburger Grünen- und Linken-Fraktion boykottieren Redebeitrag, SPD hält Schilder hoch. Wie es zu der Aktion kam.
Eklat in der Bezirksversammlung: Als die AfD die von ihr angemeldete „Aktuelle Stunde“ eröffnete, verließen die Abgeordneten von Grünen und Linken den Ratssaal, und die SPD hielt Protestplakate hoch – ein Verstoß gegen die Geschäftsordnung. Den protestierenden Fraktionen war das bewusst: Sie wollten ein Zeichen setzen, wie sehr sie die AfD ablehnen.
Die Aktuelle Stunde ist ein Tagesordnungspunkt in jeder Sitzung der Bezirksversammlung. Nach der Bürgerfragestunde und vor den eigentlichen Debatten kann hier ein wichtiges Thema in Tiefe und Breite diskutiert werden.
Eklat in der Harburger Bezirksversammlung: Fast 20 Abgeordnete verlassen den Saal
Von Sitzung zu Sitzung wandert das Recht, ein Thema für die Aktuelle Stunde anzumelden, von Fraktion zu Fraktion. Für kleine Fraktionen ist eine Aktuelle Stunde die Gelegenheit, die ihr zustehende Redezeit deutlich zu erhöhen und sich so zu profilieren. Am Dienstagabend war die AfD an der Reihe – und wollte die Gelegenheit nutzen.
Doch als der AfD-Fraktionsvorsitzende Matthias Arft zum Rednerpult schritt, um die Aktuelle Stunde zu eröffnen, wurde es im Saal unruhig: Fast 20 Abgeordnete der Grünen und Linken begaben sich zum Ausgang. Lediglich eine kleine „Stallwache“ blieb sitzen, um zu hören, ob Arft vielleicht etwas Skandalöses sagt. Gleichzeitig raschelten die SPD-Abgeordneten unter dem Tisch und zogen Protest-Plakate hervor: „Ich bin Verfassungsschützer:in“ stand darauf. Ralf-Dieter Fischer, Fraktionsvorsitzender der CDU und dem Gendern sonst eher abgeneigt, lieh sich ein Plakat aus und hielt es ebenfalls hoch.
Die abwesenden Abgeordneten verpassten wenig und schon gar nichts Skandalöses
Die stellvertretende Vorsitzende der Bezirksversammlung, Regina Marek (Grüne), rügte das Plakatehochhalten mit einem Ordnungsruf. Nach einigen Sekunden waren die Plakate wieder unter dem Tisch, Linke und Grüne jedoch immer noch auf dem Flur.
Sie verpassten wenig und schon gar nichts Skandalöses. Am Rednerpult schwärzte Arft die Harburger FDP-Fraktion sitzungsöffentlich und unter Zitierung und Nummerierung zahlreicher Vorschriften dafür an, beim Wahlplakate-Aufstellen eine Ordnungswidrigkeit begangen zu haben. Währenddessen standen 40 Prozent der Bezirksversammlung vor der Tür, weil sie der AfD vorwerfen, Teil einer rechtsradikalen Bewegung zu sein, die Verbrechen gegen die Menschlichkeit plant.
Harburger AfD-Fraktion wurde lange vom radikalen Flügel der Partei geführt
„Nach den Enthüllungen Anfang des Monats ist es für uns einfach nicht vorstellbar, der AfD noch Gehör zu schenken und damit ein Forum zu bieten. Diese Partei gehört in kein Parlament!“, sagt die Grünen-Fraktionsvorsitzende Bianca Blomenkamp. „Deshalb haben wir uns entschlossen, die aktuelle Stunde zu boykottieren.“
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„Weite Teile der AfD gelten als gesichert rechtsextremistisch“, sagt SPD-Fraktionschef Frank Richter. „Gegen diese Partei muss Protest und Widerstand regen!“
Dass es sich bei der aktuellen AfD-Fraktion um Matthias Arft um Vertreter des gemäßigten AfD-Lagers handelt, spielt dabei für SPD, Grüne und Linke keine Rolle. Lange Zeit wurde die Harburger Bezirksfraktion der rechtspopulistischen Partei nämlich vom radikalen Flügel um Olga Petersen geführt, die hauptsächlich für ihre Nähe zu Björn Höcke, rechtsradikalen „Identitären“ und als Fürsprecherin von Putin-Russland bekannt ist. Und auch der gemäßigte Teil der AfD vertritt nach Meinung anderer Parteien mittlerweile Positionen, die sie für zutiefst undemokratisch halten.