Harburg. Zu viele Kleinstwohnungen würden den Bereich veröden lassen, argumentieren die Sozialdemokraten. Genehmigungsstopp gefordert.

Knoopstraße, Wallgraben, Harburger Ring, Lüneburger Straße, Phoenix-Verwaltungsgebäude und Phoenix-Viertel: Die Liste bestehender und geplanter Standorte so genannter Mikroapartments ist lang. Wachsen soll sie aber nicht mehr, fordert die Harburger SPD nun.

Zu viele der Kleinstwohnungen würden die Harburger Innenstadt veröden lassen, argumentieren die Sozialdemokraten und fordern in einem Bezirksversammlungsantrag einen Genehmigungsstopp für reine Mikroapartment-Projekte.

Mikrowohnungen als ideale Lösung für Wohnraummangel

In den wachsenden und immer dichter besiedelten Ballungsräumen wurden die höchstens 30 Quadratmeter großen Mikrowohnungen in den vergangenen Jahren oft als eine ideale Lösung für den Wohnraummangel gesehen. Neben dem Trend zur Verstädterung sollen sie den Trends zum Single-Leben und zum ortsflexiblem Arbeiten entgegenkommen.

Gleichzeitig sollen sie durch die geringe Quadratmeterzahl pflegeleicht sein und für ihre Mieter im Vergleich zu größeren Wohnungen erschwinglich bleiben. Zumindest gegen das letzte Versprechen spricht, dass Immobilienentwickler ihren Investoren die Kleinstunterkünfte als wahre Renditewunder anpreisen.

Mikroapartments meist möbliert vermietet

Frank Richter, Vorsitzender sowohl der SPD-Fraktion, als auch des Stadtentwicklungsausschusses, weiß, womit die hohen Renditen erzielt werden: „Dadurch, dass diese Mikroapartments zumeist möbliert vermietet werden, greift für sie keine Mietpreisbremse und auch der Mietenspiegel gilt nur noch bedingt, weil der Vermieter bei dem Entgelt für die Möbelnutzung einen großen Spielraum hat.“

Zu den Möbelmieten kommen dann häufig noch Kosten für Gemeinschaftseinrichtungen der Wohnanlage wie Freizeiträume und- flächen. Auch diese sind von den Schutzvorschriften des Wohnungsmietrechts nicht unbedingt gedeckelt. So kann es vorkommen, dass die Mieter für wenige Quadratmeter in einer Art Angestelltenwohnheim genauso viel Miete zahlen, wie andere bei einer Wohnungsbaugenossenschaft für eine Familienwohnung.

„Wir haben ja die Beispiele Knoopstraße und Hannoversche Straße“, sagt Richter. „Beide Projekte sind uns als Studentenwohnanlagen verkauft worden. Letztendlich stellt sich aber heraus, dass sie meistbietend vermietet werden, mit Mieten bis zu 900 Euro im Monat für nur ganz wenig Platz. Das können sich einige privilegierte Studenten vielleicht leisten, die Mehrheit jedoch nicht!“

Prinzipien des sozialen Wohnungsbaus unterlaufen

Abgesehen davon, dass diese Praktiken alle Prinzipien des sozialen Wohnungsbaus unterlaufen, stört die SPD noch etwas anderes: „Wir wollen den Wohnungsbau in der Harburger Innenstadt auch fördern, weil wir die Innenstadt wieder beleben wollen“, sagt Richter. „Genau dieser Effekt tritt mit Mikro-apartments aber meistens nicht ein, sondern das Gegenteil ist der Fall.“

Dass in den Mikroapartment-Anlagen viele Menschen wohnen, merkt man von außen nämlich kaum. „In aller Regel werden Mikrowohnungen als Übergangswohnungen genutzt und weisen daher eine hohe Fluktuation auf“, sagt Richter. „Die Mieter entwickeln keine Bindung zu ihrem Stadtteil und können so auch nichts zu seiner Belebung oder zum gesellschaftlichen Miteinander im Quartier beitragen.“

Langfristig würden Mikrowohnungen die Gefahr struktureller Probleme bergen: Bei einer Änderung der Nachfrage am Wohnungsmarkt können Leerstände entstehen, da die Kleinstwohnungen auf einen sehr spezifischen Bedarf zugeschnitten sind und eine anderweitige Nutzung so nur eingeschränkt möglich ist.

„Die Studie „Wohntrends 2035“, die der Bundesverband der Deutschen Wohnung-und Immobilienunternehmen 2019 präsentierte, zeigt, dass es auch andere Trends gibt, die schnell dazu führen können, das Mikrowohnungen nicht oder nur noch eingeschränkt nachgefragt werden“, sagt Richter.

Gemischte Quartiere erhalten

Gegen einzelne Kleinwohnungen würde auch nichts sprechen, sagt Richter, aber ganze Anlagen, die nur aus Mikrowohnungen bestehen, sollten möglichst nicht mehr genehmigt werden: „Um gemischte Quartiere zu erhalten, ist es erforderlich, dass einer Monostruktur-Entwicklung entgegengewirkt wird.“

In der Vergangenheit wurden Mikrowohnungsprojekte auch mit den Stimmen der SPD genehmigt. Das sieht Richter mittlerweile zum Teil (selbst-)kritisch, zum Teil verteidigt er es aber auch. „Bei einigen Projekten sind wir tatsächlich von Studentenwohnungen ausgegangen, bis wir eines Besseren belehrt wurden“, sagt er. „Und am Harburger Ring waren wir froh, dass überhaupt jemand das alte Harburg-Center durch einen Neubau ersetzen möchte. Außerdem sind hier neben den Mikroapartments auch normale Wohnungen mit Größen bis zu drei Zimmern geplant. Das kommt der Vorstellung von gemischten Quartieren schon eher entgegen.“